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Verhältnis zwischen Union und Grünen: "Freund-Feind-Spielchen"

Am heutigen Dienstag führt die Union ein zweites Sondierungsgespräch mit den Grünen. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel spricht die Berliner Grünen-Parteichefin Bettina Jarasch über neue Bündnisse und den Habitus ihrer Partei.

Von Sabine Beikler

Frau Jarasch, am heutigen Dienstag läuft die zweite Sondierungsrunde zwischen CDU und Grünen. Ist Schwarz-Grün eine realistische Option für die Grünen?

Wir führen diese Gespräche sehr ernsthaft. Man lernt sich näher kennen. Ich denke, dass trotzdem die große Koalition ins Haus steht. Die Signale sind deutlich.

Ist Schwarz-Grün denn in ein paar Jahren machbar?

Zwischen CSU und Grünen gibt es noch Freund-Feind-Spielchen. Koalitionen sind Zweckbündnisse. Und darauf sollte man einen nüchternen Blick haben. Man muss ernsthaft schauen, welche unserer Kernthemen wir umsetzen können. Und das müssen wir in alle Richtungen beobachten. Ich bin ausdrücklich dafür, auch Rot-Rot-Grün zu erwägen.

Der Berliner CDU-Parteichef Frank Henkel sagt, dass die Berliner Grünen nicht regierungsfähig sind, weil sie sich entscheiden müssen, ob sie sich als Kreuzberger Polit-Fundamentalisten oder in der bürgerlichen Mitte verorten. Wo steht die Partei?

Das sind Klischees. Natürlich sind wir eine bunt aufgestellte Partei. Wir sind eine moderne Großstadtpartei der linken Mitte. Beim Thema Zweckbündnisse muss ein Herr Henkel auch von seinem Lagerdenken wegkommen. Die Grünen werden sicher nicht ins rechte Lager wechseln, um regierungsfähig mit der CDU zu sein. Das suggeriert Henkel.

Der neue Grünen-Fraktionschef im Bund, Toni Hofreiter, fordert, die Partei müsse sich für Bündnisse mit den Linken öffnen.

Wir müssen unsere Kernforderungen formulieren. Und ich möchte gern in beide Richtungen, also Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün, überlegen – welche grünen Konzepte dort am ehesten umgesetzt werden können. Das ist mein Maßstab.

Die Grünen haben sich sehr an die SPD gebunden. War das ein Fehler?

Wir müssen strategisch aus einer einseitigen Abhängigkeit zur SPD heraus. Wenn es für Rot-Grün nicht reicht, müssen wir uns andere Machtoptionen suchen. Wir haben einen Kurs der Eigenständigkeit und sind kein Anhängsel einer anderen Partei. Wir müssen unser grünes Profil allerdings wieder schärfen. Das ist nicht nur die Energiewende, sondern ein ökologischer Wandel der Wirtschaft. Auch Flüchtlingspolitik und soziale Gerechtigkeit sind wichtige grüne Themen.

Warum bewerben Sie sich eigentlich für den Bundesvorstand?

Ich habe gute Erfahrungen mit einem integrativen, partizipatorischen Kurs im Berliner Landesverband gemacht. Diese Arbeit möchte ich gerne im Bundesvorstand einbringen. Wir brauchen keine Kampfabstimmung über Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün. Ich denke, wir können uns inhaltlich darüber verständigen.

Muss sich in der Partei der Habitus, die Tonlage ändern, wie Ihr Parteifreund Hofreiter – ein Bayer wie Sie auch – fordert?

Ja, wir sollten endlich alle bayerisch sprechen! Aber im Ernst: Dieser Habitus und der Ton sind ein flügelübergreifendes Problem. Wenn wir so wahrgenommen werden, dass Leute denken, wir würden ihnen vorschreiben, wie sie zu leben haben, müssen wir das ändern. Als die Grünen gegründet wurden, waren wir eine Bewegung gegen das etablierte Parteiensystem, gegen die verkrusteten gesellschaftlichen Strukturen. Die Gesellschaft muss sich verändern – das war die Ausgangsthese. Das hat unseren Ton geprägt.

Also ist es gut, dass Jürgen Trittin, Claudia Roth und Renate Künast von Spitzenpositionen abgetreten sind?

Diese Gründergeneration hat ungeheure Verdienste, weil sie gegen reale gesellschaftliche Zwänge gekämpft hat. Der Generationswechsel ist jetzt eine Chance, anders auf die Menschen zuzugehen. Wir Grünen überlegen sehr gründlich, wie was besser gemacht werden könnte. Das führt schnell zu dieser Haltung gegenüber anderen: Wenn ihr so einen Gesamtblick wie wir hättet, dann könnt ihr nicht zu einem anderen Schluss kommen. Wir müssen wieder stärker erklären, was wir anzubieten haben. Das ist im Wahlkampf komplett untergegangen.

Bettina Jarasch, 44, ist seit 2011 Parteichefin der Berliner Grünen und bewirbt sich als Beisitzerin im sechsköpfigen Bundesvorstand. Jarasch gehört dem parteiinternen Realo-Flügel an.

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