Brandbrief der Mitarbeiter!: DFB-Betriebsrat geht auf die Barrikaden

Beim DFB gibt es Stress zwischen Präsident Fritz Keller (l.) und Vize Rainer Koch (r.)

Beim DFB gibt es Stress zwischen Präsident Fritz Keller (l.) und Vize Rainer Koch (r.)

Foto: WITTERS
Von: Berries Bossmann und Marc Schmidt

Die mit Spannung erwartete Vier-Augen-Aussprache findet am Sonntagnachmittag im „Kongresshotel Potsdam“ statt, gleich nach der Krisen-Konferenz der 21 DFB-Landesverbände.

Dann wird DFB-Vize Rainer Koch entscheiden, ob er die Entschuldigung von Präsident Fritz Keller akzeptiert, der ihn mit Nazi-Blutrichter Roland Freisler verglichen hat.

Voraussichtlich wird Keller noch ein anderes Thema ansprechen – und diesmal wird sich Koch auf der Anklagebank wiederfinden. Denn Kellers Amtsvorgänger Reinhard Grindel bezichtigte Koch am Freitag im ZDF der Lüge: Koch sei 2015 vorab über Recherchen des „Spiegel“ über die angeblich gekaufte Vergabe der WM 2006 informiert gewesen und habe das DFB-Präsidium nicht informiert. Am Ende musste der damalige Präsident Wolfgang Niersbach zurücktreten.

Auf BamS-Anfrage ließ Koch mitteilen, „dass die Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen“. Dass Grindel diese Aussagen zum jetzigen Zeitpunkt getroffen habe, „verwundert indes nicht“.

Kurzum: Das DFB-Chaos geht munter weiter. Ergebnis nach elf Stunden Konferenz am Samstag: Es wird keinen außerordentlichen Bundestag mit Neuwahlen geben. Am Sonntag wird über personelle Konsequenzen diskutiert, die Keller, Koch, Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge aber ablehnen.

Nicht nur in den 21 Landesverbänden, auch für die rund 500 Mitarbeiter in der DFB-Zentrale in Frankfurt ist die Grenze des Erträglichen längst überschritten.

Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze – zumal ein Dutzend wichtiger Sponsoren-Verträge ausläuft und offen ist, ob diese angesichts immer neuer Skandale verlängert werden.

In einem Brandbrief, der im DFB-Intranet steht und an das Präsidium, den Vorstand und die Geschäftsleitung gerichtet ist, schlägt der Betriebsrat Alarm.

Eine der wichtigsten Passagen: „ALLE Mitarbeiter*innen haben nur einen Wunsch: Sie wollen in Ruhe wieder ihrer Arbeit nachgehen und sich ausschließlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Letztlich geht es auch um die Arbeitsplatzsicherung.“

Bereits am 12. Januar habe sich der Betriebsrat mit einem Schreiben an die DFB-Bosse gewandt und die „bedauerliche Entwicklung“ kritisiert sowie vor „negativen Auswirkungen gewarnt, die eine weitere Fortsetzung oder gar Zuspitzung des Führungsstreites nach sich ziehen werde“.

Vergeblich! „Es wurden weder von den handelnden Personen noch den dafür zuständigen Gremien Konsequenzen gezogen.“

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Quelle: BMW Open

Mittlerweile sei über ein Vierteljahr vergangen, „und die Auseinandersetzungen werden immer heftiger. In der medialen Berichterstattung gibt unser Verband ein desaströses Bild ab. Es kann und wird hier keine(n) Gewinner mehr geben, sondern nur noch Verlierer. (...) Den Wunsch zu Jahresbeginn, einen GEMEINSAMEN Weg aus dieser nicht mehr hinnehmbaren Situation zu finden, halten wir mittlerweile für ausgeschlossen.“

Auch der Führungsstreit zwischen Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius nervt die Mitarbeiter: „Die Kolleg*innen müssen sich permanent für Vorgänge rechtfertigen, die sie nicht zu verantworten haben.“

Es müsse doch der Anspruch sein, die Menschen wieder für den Fußballsport zu begeistern, anstatt sie durch unseriöse Vorgänge in unserem Haus abzuschrecken, heißt es weiter: „Diese Indiskretionen hinterlassen in der Öffentlichkeit eine derart katastrophale Darstellung unseres Verbandes, dass es sehr lange dauern wird, um verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Partnern und Mitgliedern wiederherzustellen.“

Explizit kritisiert der Betriebsrat Präsident Keller für seinen Nazi-Vergleich an die Adresse von Vize Rainer Koch. „Im Namen vieler Kolleg*innen, die uns angeschrieben haben, möchten wir an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck bringen, dass die Aussagen (...) vollkommen inakzeptabel und nicht zu tolerieren sind.“

Ein „Weiter so“ könne und dürfe es nicht geben. Die klare Erwartung: „Wir fordern daher die Entscheidungsträger noch einmal eindringlich auf, in den anstehenden Sitzungen unverzüglich richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Bei einem Neuanfang dürfen sowohl strukturelle als auch personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen werden.“

Wie reagieren die DFB-Bosse?

Am Freitag stellte Keller seine Antwort ins DFB-Intranet. „Sie sprechen mir aus der Seele. Denn tatsächlich kann es mit dem DFB, so wie er sich seit Monaten darstellt, nicht weitergehen.“ Die Mitarbeiter hätten „eine professionelle Führungsmannschaft verdient, die Werte wie Toleranz, Transparenz und Fairness lebt“, schreibt der Präsident.

Er entschuldigt sich für seinen Nazi-Vergleich, für den ihn Generalsekretär Curtius bei der Ethikkommission angezeigt hat. Seine Stellungnahme an die vierköpfige Kommission hat Keller ebenfalls an die DFB-Mitarbeiter geschickt: „Es ist bitter zu sagen, aber mir fehlt diesbezüglich jeder Bezug zu meiner Überzeugung und meiner Denkweise – es gibt einfach keine vernünftige Erklärung.“

Warum er Vize Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler (über 2600 Todesurteile) verglichen hat, erklärt er so: In einer hitzigen, emotionalen Präsidiumssitzung habe er allein dagestanden, habe sich „wieder von drei Personen in eine Ecke gedrängt“ gesehen – er meint Koch, Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge.

Von diesem Trio sei er „heftig angegriffen“ worden: „Die monatelangen Intrigen, Durchstechereien, Unzuverlässigkeiten, Illoyalitäten innerhalb dieses Gremiums haben offensichtlich bei mir diesbezüglich in diesem Moment ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich habe mich so provozieren lassen.“

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