Wenn ausbleibende Veränderungen Erfolg verhindern

Wenn ausbleibende Veränderungen Erfolg verhindern

Erfolg ist eine heikle Angelegenheit. Er ist süß. Er eröffnet neue Möglichkeiten. Aber er schafft auch neue Herausforderungen.

Eine meiner wichtigsten Erfahrungen besteht darin, dass es praktisch unmöglich ist, zweimal auf dieselbe Weise erfolgreich zu sein.

Das Beispiel der deutschen Fußballnationalmannschaft zeigt das sehr deutlich. Seit wir 2014 in Brasilien Weltmeister geworden sind, hat keiner der Fußballer, die für Deutschland antreten, das Kicken verlernt. Auch das Trainerteam weiß noch immer sehr genau, welche taktischen Kniffe und Tricks es anwenden muss, um die Fähigkeiten unserer Spieler ideal zur Geltung zu bringen.

Um zu verstehen, was bei der WM in Russland anders lief als in Brasilien, lohnt es sich, ein paar kleine, aber wichtige Details im Hintergrund anzusehen.

Die Generation an Spielern, die 2014 das Gerüst der Mannschaft gebildet hat, ist zwar bereits in den Jugendleistungszentren ausgebildet worden, hat aber noch zu Hause, bei ihren Familien gelebt. Das heißt, sie sind nicht nur von den Trainern der Leistungszentren fußballerisch ausgebildet worden, sondern haben gleichzeitig eine Prägung durch ihre Familien erlebt. Ein wesentlicher Grundstein dieser familiären Prägung ist für mich der Blick fürs Ganze: für die Familie, aber auch für die jeweilige Mannschaft, deren Teil du bist.

Die heutige Generation stammt zu hundert Prozent aus den Jugendleistungszentren. Die jungen Männer trainieren, spielen und leben im Leistungszentrum. Die Idee, die sie dort vermittelt bekommen, ist klar definiert: Sie wollen Profi werden. Sie wollen eine Karriere hinlegen wie ihre großen Vorbilder. Sie wollen sozial aufsteigen. Sie wollen Geld verdienen. Ein fünfzehnjähriger Spieler, der beim FC Bayern im Jugendleistungszentrum lebt, hat kein anderes Ziel, als möglichst bald einen Profivertrag zu unterschreiben.

Eine Karriere, wie sie zum Beispiel mein langjähriger Kollege und Mitspieler Miroslav Klose hingelegt hat, wäre heute nicht mehr möglich. Klose absolvierte eine Lehre als Zimmermann und spielte beim 1. FC Kaiserslautern Amateurfußball, bevor er zum Bundesligaprofi wurde und schließlich als 23jähriger sein erstes Spiel für die Nationalmannschaft absolvierte. Dass ein 23jähriger Debütant einmal zum Rekordtorschützen der deutschen Nationalmannschaft aufsteigt, ist eine unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte. Sie wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Die Profis der heutigen Generation ticken komplett anders. Das darf niemanden überraschen. Auch die verschiedenen Herkünfte ihrer Familien und deren kulturelle Prägungen mögen eine gewisse Rolle spielen, aber für wichtiger halte ich das Ausbildungssystem, das den jungen Sportler fast zwangsläufig zum Egoisten macht. Für ihn lauten die wichtigsten Fragen:

– Wie komme ich weiter?

– Was hilft meiner Karriere?

– Welche Begleitumstände sind für mich am besten?

Der Blick für das Ganze, die Verantwortung des Einzelnen für die Mannschaft tritt als Leistungsmotiv in den Hintergrund.

Das muss nicht unbedingt ein Problem sein. Es bedarf aber eines kompetenten Umgangs damit: Die beschriebenen Spieler brauchen eine deutlich straffere Führung als die Generation vor ihnen.

Denn Fußball ist und bleibt eine Mannschaftssportart. Es ist die Aufgabe des Trainerteams, seinen Spielern zu jeder Zeit die notwendige Identifikation mit der Mannschaft zu vermitteln.

Dazu gehört nicht nur das Verhalten auf dem Spielfeld, sondern selbstverständlich auch daneben. Das Trainerteam muss seine Individualisten motivieren und steuern. Wenn sie sich nicht von allein in die Richtung bewegen, wo man sie haben möchte, müssen sie eben mit klarer Ansprache dazu gebracht werden.

Diese klare Ansprache hätte es zum Beispiel gebraucht, als die Affäre um Mesut Özil und İlkay Gündoğan um das gemeinsame Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hochgekocht ist. Özil (und anfangs auch Gündoğan) sahen keine Notwendigkeit, sich öffentlich zu äußern und zu erklären. Diese Notwendigkeit hätte man ihnen schnell und nachhaltig vermitteln müssen, um nach außen – und nach innen – Identität zu stiften.

Diese klare Ansprache ist unterblieben. Das Trainerteam hat sich darauf verlassen, dass die praktizierte Führungskultur der vergangenen, erfolgreichen Jahre ausreicht, um einmal mehr erfolgreich zu sein.

Oft braucht es gar nicht viel, um eine Mannschaft nach überraschenden Misserfolgen wieder in die Spur zu bringen. Führung bedeutet, die Lage hellwach zu sondieren und auch die eigenen Methoden auf den Prüfstand zu stellen und neu zu bewerten.

Ich bin überzeugt davon, dass Jogi Löw seinen kollegialen Führungsstil der letzten Jahre ändern muss, wenn er mit der neuen Generation von Nationalspielern wieder Erfolg haben möchte. Das ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Weiterentwicklung. Er muss Individualisten klar machen, dass sie Verantwortung für die gesamte Mannschaft tragen. Er muss eine Kultur strafferer, klarerer Entscheidungen etablieren als er selbst das gewohnt war. Wenn ihm das gelingt, bin ich für die Zukunft unserer Mannschaft sehr optimistisch.

Robert Erpenstein

Feuerwehr Münster Leiter Abteilung Technik

5y

Wahre Worte zur falschen (zu späten) Zeit.

Mike-Peter Huth

Leiter Planning Process and Projects

5y

Jedes Unternehmen hat seine "Nationalmannschaft". Da wird sich mancher "Trainer" noch umstellen müssen um wieder Erfolge zu erzielen. So ist das eben im Leben: nichts ist beständiger als der Wandel. Nur wer damit umgehen kann wird auf Dauer auch erfolgreich bleiben.

Lars Speer

Volkswagen AG Wolfsburg

5y

Richtig Philipp, andere Zeiten, andere Strategien, neue Erfolge

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Dierk Wentzien

Vertriebsmitarbeiter im Außendienst Dansani GmbH

5y

sehr konstruktiv! 

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