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SPIEGEL ONLINE

Angriffe auf US-Botschaft in Bagdad Neujahrsgrüße aus Teheran

Für Donald Trump beginnt das Superwahljahr mit einer verheerenden Nachricht: Schiitische Milizionäre attackieren seit Silvester die US-Botschaft in Bagdad. Hinter dem Angriff steckt mutmaßlich Iran.

Das neue Jahrzehnt fängt in Bagdad an, wie das alte aufgehört hat: mit Gewalt. Hunderte schiitische Milizionäre haben die schwer bewachte US-Botschaft in der irakischen Hauptstadt am Neujahrsmorgen wieder attackiert.

Auch Tränengas und Blendgranaten der Sicherheitskräfte schreckten die Angreifer zunächst nicht ab, die sich erst am Mittwochabend zurückzogen. Für US-Präsident Donald Trump ist der Sturm auf die Botschaft in Bagdad eine verheerende Nachricht zu Beginn des Superwahljahres 2020. Die wichtigsten Fragen und Antworten.


Wer steckt hinter den gewaltsamen Protesten?

Hinter dem Angriff steckt mutmaßlich das Regime in Teheran. Zwar erklärte Ajatollah Ali Chamenei, Irans oberster Führer, sein Land habe mit den Ausschreitungen nichts zu tun. "Seien Sie doch mal logisch, was Sie ja nicht sind", sagte er nach Angaben des Staatssender Irib an Trump gewandt. "Fakt ist, dass die Völker in dieser Region die USA wegen ihrer Verbrechen hassen."

Es gibt jedoch Indizien, dass und warum mutmaßlich Iran die gewaltsamen Proteste steuert:

  • Am vergangenen Freitag wurden bei einem Raketenangriff auf eine Militärbasis nahe der nordirakischen Stadt Kirkuk ein US-Bürger getötet und vier weitere verletzt.
  • US-Truppen griffen daraufhin nach eigenen Angaben am Wochenende Einheiten der Kata'ib Hisbollah im Irak und in Syrien an. Fünf Ziele sollen dabei getroffen worden sein, darunter Waffenlager und Kommandozentren.
  • Bei den Kata'ib Hisbollah, auch Hisbollah-Brigaden genannt, handelt es sich um schiitische Milizen, die von den iranischen Revolutionsgarden kontrolliert werden. Sie sind nicht zu verwechseln sind mit der libanesischen Hisbollah-Miliz.
  • Die Hisbollah-Brigaden sind Teil der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten, einem mächtigen schiitischen Milizenverbund im Irak. Dieser bekämpfte die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Zweistromland und hat mittlerweile einen Staat im Staat aufgebaut. (Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen: Irans schiitische Internationale)

Offiziell wurden die proiranischen Milizen diesen Sommer in den irakischen Sicherheitsapparat eingegliedert. Doch die schiitischen Kämpfer gelten weiter als trojanisches Pferd aus Teheran.

Als die Demonstranten am Silvestertag versuchten, die US-Botschaft zu stürmen, bekamen sie dann auch Besuch von hochrangigen Kadern der Volksmobilisierungseinheiten, darunter: Jamal Jafaar Ibrahimi, mächtiger Kommandeur der Hisbollah-Brigaden und Vize-Chef der Volksmobilisierungseinheiten.

Jamal Jafaar Ibrahimi (2.v.l) vor der US-Botschaft in Bagdad

Jamal Jafaar Ibrahimi (2.v.l) vor der US-Botschaft in Bagdad

Foto: Ameer Al Mohmmedaw/ dpa

Ibrahimi, ein 65-jähriger Mann, der seinen Beruf als Ingenieur vor vielen Jahren aufgegeben hat und nun rund 25.000 Kämpfer unter seinem Kommando hat, unterhält beste Beziehungen nach Iran. Sein Erscheinen vor der Botschaft war eine Machtdemonstration Teherans.


Wie reagieren die USA?

Die Botschaft selbst hat bis auf Weiteres alle konsularischen Dienstleistungen eingestellt. Alle bereits vereinbarten Termine seien hinfällig und US-Bürger seien aufgefordert, sich der diplomatischen Vertretung nicht zu nähern, teilte die Botschaft mit.

Der Angriff auf die Botschaft dürfte bei vielen Amerikanern Erinnerungen an die Jahre 1975, 1979 und 2012 wecken, die sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben:

  • 1975 flüchteten die letzten US-Diplomaten mit Hubschraubern vor den Vietcong-Kämpfern aus dem belagerten Saigon.
  • 1979 überrannten Anhänger der Islamischen Revolution die US-Botschaft in Teheran und nahmen mehr als 50 Diplomanten als Geiseln.
  • 2012 attackierten islamistische Kämpfer das Konsulat der Vereinigten Staaten in der libyschen Stadt Bengasi, bei dem unter anderem der Botschafter ermordet wurde.

Soweit ist es in Bagdad - bislang - nicht gekommen. Präsident Trump twitterte am Dienstag: "The Anti-Benghazi!" Doch die USA sind alarmiert. Das Pentagon hat bereits reagiert und 120 Soldaten einer Eliteeinheit in die irakische Hauptstadt geschickt, um die Botschaft zu schützen, die fast so groß ist wie der Vatikan, das kleinste Land der Welt. Weitere 750 Soldaten wurden in das benachbarte Kuwait verlegt.

Ein US-Helikopter, der für den Einsatz in Bagdad bereit steht

Ein US-Helikopter, der für den Einsatz in Bagdad bereit steht

Foto: Khalil Jenkins/ AP

Für Trump kommt der Angriff zur Unzeit. Dieses Jahr ist in den Vereinigten Staaten ein Superwahljahr. Er will 2020 als Präsident wiedergewählt werden - und wirbt immer wieder damit, die US-Armee aus dem Nahen Osten zurückzuholen. Doch daraus wird wohl so schnell nichts. Wegen des schwelenden Konflikts mit Iran rund um den Persischen Golf hat er tausende zusätzliche Soldaten in die Region verlegen lassen.


Wie verhält sich die irakische Regierung?

Die Regierung in Bagdad ist schwach, die von Iran kontrollierten Schiiten-Milizen und ihre politischen Anführer, die Teil des Staatsapparates geworden sind, hingegen stark. Wenn sie wollen, kann eine Demonstration in einem Blutbad enden, das haben die vergangenen Monate gezeigt.

Demonstranten stürmen das Gelände der US-Botschaft

Demonstranten stürmen das Gelände der US-Botschaft

Foto: Khalid Mohammed/ dpa

Zehntausende Iraker protestieren seit Herbst gegen Misswirtschaft und Korruption der Eliten. Die Sicherheitskräfte gehen brutal gegen die Demonstranten  vor: Tränengasgranaten kommen zum Einsatz, Gummigeschosse, aber auch scharfe Munition; immer wieder gibt es Berichte von gezielten, todbringenden Kopfschüssen. Seit Beginn der Proteste sind allein offiziellen Angaben zufolge mehr als 320 Menschen gestorben.

Dass nun in den zurückliegenden 48 Stunden ein gewalttätiger Mob durch die eigentlich schwer gesicherte "Grüne Zone" in Bagdad bis zur Botschaft ziehen konnte und dabei - anders als die Demokratie-Aktivisten in den vergangenen Wochen - nicht gestoppt wurde, zeigt, wer wirklich die Macht im Irak hat. Es ist Iran , das seit dem Sturz von Ex-Diktator Saddam Hussein 2003 Jahr einen Satellitenstaat im Zweistromland aufgebaut hat. Freiwillig wird das Regime in Teheran diesen nicht aufgeben.