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"Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt"

Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) im Interview über leere Kassen, Impfkosten, Milliardenkredite und die Lust am Ministeramt.

Von Gunnar Saft
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Der CDU-Politiker Hartmut Vorjohann (58) ist seit Dezember 2019 Staatsminister für Finanzen und damit verantwortlich für die sächsische Landeskasse.
Der CDU-Politiker Hartmut Vorjohann (58) ist seit Dezember 2019 Staatsminister für Finanzen und damit verantwortlich für die sächsische Landeskasse. © Matthias Rietschel

Herr Vorjohann, das Kabinett berät am Dienstag über den neuen Landeshaushalt. Vom Finanzminister wollen dann alle anderen Minister vor allem viel Geld. Was können Sie ihnen bieten?

Die Geschichte, die ich seit Monaten und Jahren erzähle, bleibt dieselbe: Immer noch hat Sachsen auf der Ausgabenseite eine größere Zahl stehen als auf der Seite der Steuereinnahmen – das war schon vor der Corona-Krise so. Corona hat zwischendurch eine Sondersituation geschaffen, wo es nur heißen konnte, wir müssen da so gut wie möglich durch. Für den Haushalt 2023/2024 gilt aber weiterhin: Das Land muss von seinem finanziellen Strukturproblem herunter.

Die Gefahr ist also groß, dass der eine oder andere Kabinettskollege die Beratungsrunde unzufrieden verlässt?

Ja. Aber das ist auch überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn schon vorher jedem klar ist, dass wir alle ein Stück über unsere Verhältnisse gelebt haben.

Sachsen rechnet allein bis Ende nächsten Jahres mit einem riesigen Steuerplus von 1,8 Milliarden Euro. Dem Einwand, es sei ja genug Geld da, kann man somit kaum widersprechen?

Doch, nämlich mit dem Hinweis, dass wir schon den laufenden Haushalt mit Krediten finanzieren mussten, weil zuvor eben nicht genug Steuereinnahmen vorhanden waren. Und die gleiche Summe, die wir uns dafür an Krediten vom Kapitalmarkt geholt haben, mussten wir noch einmal aus unseren Rücklagen entnehmen – zusammen immerhin 1,6 Milliarden Euro. Für den neuen Haushalt fehlen uns nun diese Rücklagen, auch wenn das Steueraufkommen erfreulicherweise wieder wächst. Das ist das angesprochene Strukturproblem des Haushalts im Freistaat – da müssen wir ran.

Das heißt, Sie wollen die Zusatzeinnahmen lieber zurück in der Spartopf legen statt sie auszugeben?

Da kann ich Sie beruhigen. Die Mehreinnahmen an Steuern kommen komplett auf den Tisch und sollen ausgegeben werden. Davon will ich nichts auf die Seite legen. Ich habe allerdings das Problem, dass die absehbaren Ausgabensteigerungen des Freistaates wie durch höhere Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst oder die allgemeine Preissteigerung auch mit diesem neuen Steuerplus nicht komplett gedeckt werden können. Es bleibt vielmehr bei unserem alten Strukturdefizit – Sachsens Ausgaben sind höher als die Einnahmen. Und die Rücklagen, die es von früher noch gab, sind jetzt im Grunde genommen aufgebraucht. Das hat mit Corona überhaupt nichts zu tun, wird aber gern so dargestellt.

Trotzdem tauchte jetzt der Vorwurf auf, auch die Mittel aus dem Corona-Bewältigungsfonds seien aufgebraucht. Sachsen fehle künftig sogar das Geld, um die Pandemie zu bekämpfen?

Von den dafür bislang eingeplanten 2,5 Milliarden Euro sind gut 1,7 Milliarden Euro ausgegeben und die restliche Summe für konkret geplante Maßnahmen reserviert. Anfang des nächsten Jahres werden wir uns also weitere Möglichkeiten verschaffen müssen, was aus meiner Sicht aber lösbar ist, da im Corona-Bewältigungsfonds zusätzliche Kreditermächtigungen von bis zu 4,5 Milliarden Euro für mögliche Steuerausfälle enthalten sind. Davon haben wir bisher nur gut eine Milliarde Euro gebraucht. Allerdings muss man schon darauf achten, dass man nicht nur Kredite aufnimmt der Kreditaufnahme wegen. Auch hier gilt es, sorgfältig mit den dahinterstehenden Steuergeldern umzugehen.

Es muss also kein Bürger befürchten, dass dem Freistaat künftig das Geld fürs Impfen oder Testen fehlt?

Nein, im Gegenteil. Das gerade erst beschlossene neue Impfkonzept ist bereits bis Mai 2022 ausfinanziert. Und auch sonst gilt: Das für die Bekämpfung der Krise notwendige Geld werden wir haben.

Ihr Koalitionspartner SPD schlägt jetzt vor, die Einzahlungen in den Beamtenpensionsfonds zugunsten des neuen Haushalts zu kürzen und den Fonds in wirtschaftlich erfolgreicheren Jahren wieder aufzufüllen. Eigentlich keine schlechte Idee?

Erinnern wir uns: Sachsen hatte früher tatsächlich höhere Investitionsquoten als heute. Dann stiegen, politisch gewollt, die konsumtiven Ausgaben. Als Reaktion darauf jetzt einfach zu sagen, da muss ich für mehr Investitionen halt mal die Axt an den wichtigen Generationenfonds anlegen, kann nicht die Antwort sein. Die müsste eher lauten, wenn ich mehr investieren will, muss ich bei den konsumtiven Ausgaben sparen. Im Privatbereich überlegt sich doch auch jeder, welche Anschaffung kann ich mir leisten und welche nicht. Wenn wir an den Generationenfonds herangehen, kommt uns das später sehr teuer. Zu teuer. Den großen Vorteil, für die Beamtenpensionen rechtzeitig vorgesorgt zu haben, dürfen wir nicht einfach verspielen.

Funktioniert die SPD-Idee aus Ihrer Sicht nicht oder halten Sie das Modell nur politisch für den falschen Weg?

Beides. Laut unserer Verfassung muss der Generationenfonds auskömmlich finanziert werden. Bei der privaten Versicherungsaufsicht gibt es dafür strenge Vorgaben. Der Begriff „auskömmlich“ lässt sich damit finanzmathematisch exakt berechnen. Es ist ein Wert, an dem man nicht einfach so herumschrauben kann, um damit Spaß und Spiel zu finanzieren.

Ein guter Finanzminister muss allen wehtun, heißt es. Kritik an Ihren Vorgaben kam sogar aus der eigenen CDU-Landtagsfraktion. Haben Sie sich mit den Abgeordneten ausgesprochen?

Die Ergebnisse der kürzlichen Klausur der CDU-Landtagsfraktion zum neuen sächsischen Doppelhaushalt sind aus Sicht eines Finanzministers sehr gute Ergebnisse. Ich denke, das spricht für sich.

Sie sind also weiterhin gern Finanzminister?

Aber natürlich. Als Finanzminister hat man schließlich den Vorteil, dass man es immer mit der ganzen Palette an politischen Themen zu tun hat. Das macht es spannend.

Wie geht es nach der Haushaltsklausur am Dienstag für Sie weiter?

Sollte sich das Koalitionskabinett über die Eckpunkte zum neuen Haushalt einigen, wovon ich ausgehe, soll im Mai 2022 nach der Mai-Steuerschätzung ein Etatentwurf mit den genauen Zahlen für jedes einzelne Ministerium vorliegen. Dann wäre ausreichend Zeit, um den Etat für 2023/2024 trotz Pandemie diesmal rechtzeitig im Dezember nächsten Jahres zu verabschieden.

Das Gespräch führte Gunnar Saft.