07.05.2024 |
10:30 Uhr
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3. Senat |
3 AZR 164/23
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Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit
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Vorbericht
Vorbericht
Dritter Senat Dienstag, 7. Mai 2024, 10:30 Uhr
Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit – Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
K. (RA. Bernhard von Boehn, Burgdorf)
./.
D. AG (maat Rechtsanwälte Späth und Partner PartGmbB, München)
– 3 AZR 164/23 –
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG verpflichtet ist, dem Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen, nachdem seine entsprechenden Ansprüche gegen die Pensionskasse, über die die Invaliditätsversorgung zugesagt worden war, verjährt sind.
Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Kreditsachbearbeiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah in „§ 3 Betriebliche Altersversorgung“ vor, dass der Kläger „während seiner Zugehörigkeit zur B. Bank … als Ergänzung zu den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbe (AG), Berlin und Wuppertal, versichert (ist).“ Die Beiträge wurden von der Arbeitgeberin übernommen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten endete mit dem 30. Juni 2003. Ab dem 1. Juli 2003 wurde seine Versicherung beim Beamtenversicherungsverein (BVV) beitragsfrei geführt. Sie sieht eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente iHv. 189,29 Euro vor. Seit März 2014 ist der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts berufsunfähig im Sinne der Satzung des BVV. Im Januar 2014 erkundigte sich der Kläger beim BVV nach dem Bestehen von Versorgungsansprüchen. Mit Schreiben aus August 2014 lehnte der BVV die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab. Im Dezember 2019 erhob der Kläger Klage gegen den BVV auf Zahlung einer monatlichen Rente iHv. 189,29 Euro ab März 2014. Das Landgericht wies die Klage ab, da der Anspruch jedenfalls verjährt sei. Nachdem das Urteil des Landgerichts rechtskräftig geworden war, reichte der Kläger die vorliegende Klage gegen die Beklagte beim Arbeitsgericht ein.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger nun von der Beklagten die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit seit März 2014 iHv. 189,29 Euro monatlich. Er ist der Auffassung, die Beklagte hafte als Rechtsnachfolgerin seiner Arbeitgeberin trotz der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse, da die Ansprüche gegen den Beamtenversicherungsverein nicht durchsetzbar seien. Die Berufsunfähigkeitsrente sei bis zu seinem voraussichtlichen Eintritt in die Altersrente zum 1. Dezember 2032 zu zahlen. Die Beklagte hält die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, auf die sich der Kläger beruft, nach ihrem Sinn und Zweck nicht für anwendbar. Sie erstrecke sich nicht auf Fälle, in denen das Leistungshindernis ausschließlich aus der Sphäre des Arbeitnehmers stamme, weil der Arbeitnehmer – wie hier – seinen Anspruch gegen den externen Versorgungsträger habe verjähren lassen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 20.632,61 Euro nebst Zinsen sowie zukünftig monatlich „189,22 EUR“, längstens bis zum 30. November 2032, zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 24. April 2023 – 15 Sa 125/22 B –
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23.05.2024 |
10:45 Uhr
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6. Senat |
6 AZR 155/23
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Kirchliche Arbeitsrechtsregelung - Begrenzung der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber auf das Einstellungsalter 45 - Altersdiskriminierung? - Wiedereinsetzung - Sorgfaltspflichten des Anwalts bei der Fristüberprüfung
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Vorbericht
Vorbericht
Sechster Senat Donnerstag, 23. Mai 2024, 10:45 Uhr
Begrenzung der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber auf das Einstellungsalter 45 in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen als Altersdiskriminierung? – Wiedereinsetzung: Sorgfaltspflichten des Anwalts bei der Fristüberprüfung
F. (RA. Dr. Matthias Melkus, Neutraubling)
./.
Schulstiftung S. (RAe. Dr. Floegel & Kollegen, Landshut)
– 6 AZR 155/23 –
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Arbeitgeberin für den Kläger die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung aufgrund einer Regelung in den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) zu übernehmen hat. Zudem ist über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den Lauf der Revisionsbegründungsfrist zu entscheiden.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Gymnasiallehrer angestellt. Die uneingeschränkte Unterrichtsberechtigung erlangte er als sogenannter Quereinsteiger in den Beruf des Lehramtes im Alter von 49 Jahren. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Grundordnung des kirchlichen Dienstes sowie die Arbeitsvertragsrichtlinien der bayerischen Erzdiözesen einschließlich der darin enthaltenen Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte Anwendung. In den Sonderregelungen für Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften an Realschulen und Gymnasien heißt es: „Bei Lehrkräften, deren Arbeitsverhältnis ab dem 20.07.2006 begonnen hat und bei denen die persönlichen Voraussetzungen für einen Versorgungszuschuss nach Art. 40 Absatz 1 bis 4 BaySchFG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (unbefristetes Arbeitsverhältnis, Hauptberuflichkeit, uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung, Höchstalter vollendetes 45. Lebensjahr) vorgelegen hätten, übernimmt der Schulträger die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 168 SGB VI …“. Die in Bezug genommene Fassung von Art. 40 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 außer Kraft. Seit dem 1. Januar 2006 wird der Versorgungszuschuss für den Schulträger unabhängig vom Lebensalter der Lehrer gewährt.
Der Kläger begehrt die Erstattung der von ihm in den Jahren 2018 bis 2021 zur gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Arbeitnehmerbeiträge von 19.456,20 Euro sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Arbeitnehmerbeiträge des Klägers zur Rentenversicherung zu übernehmen. Er ist der Ansicht, die in den streitgegenständlichen Regelungen enthaltene Altersbeschränkung für die Übernahme der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar. Der Beklagte ist der Ansicht, die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Lebensaltes des Klägers bei seiner Einstellung nicht tragen zu müssen.
Der Wiedereinsetzungsantrag wird – unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten des Prozessbevollmächtigten des Klägers – damit begründet, dass diese die Revisionsbegründungsfrist am Tag der Zustellung des Berufungsurteils für den 10. Juli 2023 (Montag) berechnet und diese entsprechend der allgemeinen Anweisung sofort nach der Berechnung auf der ersten Seite der Urteilsabschrift notiert habe. Im Fristenkalender habe sie sodann aus nicht mehr erklärlichen Gründen den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist für den 10. August 2023 eingetragen. Danach habe sie, entsprechend der ausdrücklichen Anweisung des Prozessbevollmächtigten, als Zeichen der Notierung der Hauptfrist im Kalender einen handschriftlichen Haken zu den Fristenden auf der Urteilsabschrift gesetzt. Die Akte mit der Urteilsabschrift habe sie am 9. Mai 2023 dem Prozessbevollmächtigten zur Kontrolle der korrekten Berechnung der Fristen und Eintragung in den Fristenkalender vorgelegt. Zur Vorfrist für die Revisionseinlegung am 22. Mai 2023 (Montag), habe sie die Akte dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, der anhand der Handakte nochmals die korrekte Berechnung und Eintragung der Revisionsbegründungsfrist überprüft und Revision eingelegt habe. Er habe die Anweisung erteilt, die Akte zur Vorfrist für die Begründung der Revision wieder vorzulegen. Entsprechend der – fehlerhaft – notierten Vorfrist habe sie die Akte dem Prozessbevollmächtigten am 24. Juli 2023 und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zur Erstellung der Revisionsbegründung erneut vorgelegt. An diesem Tag sei die Fristversäumung erstmals erkannt worden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner fristgerecht eingelegten, jedoch verspätet begründeten Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 Sa 493/22 –
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28.05.2024 |
10:30 Uhr
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9. Senat |
9 AZR 76/22
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Anrechnung von Zeiten angeordneter Quarantäne auf bewilligten Jahresurlaub
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Vorbericht
Vorbericht
Neunter Senat Dienstag, 28. Mai 2024, 10:30 Uhr
Behördlich angeordnete Quarantäne während des Urlaubs
- (DGB Rechtsschutz GmbH, Kassel)
./.
- GmbH (Märkischer Arbeitgeberverband e. V., Hagen)
– 9 AZR 76/22 –
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gutschrift von acht Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erfüllt wird, wenn für den bereits durch Urlaubsbewilligung festgelegten Urlaubszeitraum durch die zuständige Behörde häusliche Quarantäne wegen des Verdachts auf Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 angeordnet wird.
Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Die Beklagte belastete das Urlaubskonto des Klägers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt.
Der Kläger hat die auf Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto gerichtete Klage darauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung der Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 30/22 vom 16. August 2022). Der EuGH hat diese Frage im Rahmen eines ähnlich gelagerten Vorlageverfahrens mit Urteil vom 14. Dezember 2023 (- C-206/22 -) zwischenzeitlich beantwortet (vgl. Pressemitteilung des EuGH Nr. 189/23). Daraufhin hat der Neunte Senat seinen Vorlagebeschluss vom 16. August 2022 aufgehoben.
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022 – 5 Sa 1030/21 –
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11.06.2024 |
09:00 Uhr
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1. Senat |
1 ABR 12/23
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Beteiligung des Betriebsrats bei der Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden
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Vorbericht
Vorbericht
Erster Senat Dienstag, 11. Juni 2024, 09:00 Uhr
Beteiligung des Betriebsrats bei der Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden
- Betriebsrat der A. GmbH (RAe. Rump und Breiter, Berlin)
- A. GmbH (RAe. ARQIS, Düsseldorf)
– 1 ABR 12/23 –
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, ein Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG einzuleiten.
Die Arbeitgeberin betreibt mit regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern zwei Autohäuser. Der Antragsteller ist der für den Betrieb der Arbeitgeberin gewählte siebenköpfige Betriebsrat, dessen Vorsitzender von seiner beruflichen Tätigkeit vollständig freigestellt ist. In der Folge eines Streits über die zutreffende Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden erklärte die Arbeitgeberin, dass dem Betriebsratsvorsitzenden die Teilnahme am Führungskräftepotenzial Assessment Center gewährt werde, um die Voraussetzung für die Übernahme der Position des Werkstattleiters herzustellen. Nach erfolgreicher Absolvierung des Assessment Centers vergütete die Arbeitgeberin den Betriebsratsvorsitzenden rückwirkend ab dem 1. Juni 2020 nach der Vergütungsgruppe VIII des einschlägigen Vergütungstarifvertrags, in dem die Tätigkeit eines Werkstattleiters als Regelbeispiel genannt ist. Die Forderung des Betriebsratsvorsitzenden auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII bereits ab November 2019 – dem Zeitpunkt zudem er ursprünglich an dem Assessment Center hatte teilnehmen sollen, lehnte die Arbeitgeberin ab.
Der Betriebsrat begehrt, dass die Arbeitgeberin ihn bei der Frage der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden beteilige, da insoweit eine Ein-bzw. Umgruppierung iSv. § 99 BetrVG vorliege. Die Arbeitgeberin wendet demgegenüber ein, die Grundsätze zur Eingruppierung seien auf die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht anzuwenden, denn ein vollständig freigestelltes Mitglied des Betriebsrats erhalte keine Entlohnung für erbrachte Arbeit, sondern lediglich eine Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip. Ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Vergütung seiner Mitglieder stelle einen Interessenkonflikt dar und müsse schon deshalb ausscheiden. Die Festlegung der Vergütung von vollständig freigestellten Betriebsratsmitgliedern sei vielmehr alleinige Angelegenheit des Arbeitgebers, was sich schon daraus ergebe, dass dem Arbeitgeber erhebliche strafrechtliche Risiken drohten, wenn er – ggf. in Folge der Beteiligung des Betriebsrats – an ein Betriebsratsmitglied eine überhöhte Vergütung zahle. Zudem sei die den Streit auslösende Frage, ob der Betriebsratsvorsitzende bereits ab November 2019 gemäß §§ 37, 78 BetrVG eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII beanspruchen könne, im Urteilsverfahren mit den dort geltenden Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast und der Kostentragung zu klären.
Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Februar 2023 – 3 TaBV 26/21 –
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20.06.2024 |
09:00 Uhr
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8. Senat |
8 AZR 253/20
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Entschädigung und Schadensersatz wegen (streitiger) Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften und des Persönlichkeitsrechts
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Vorbericht
Vorbericht
Achter Senat Donnerstag, 20. Juni 2024, 09:00 Uhr
Entschädigung und Schadensersatz wegen (streitiger) Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften und des Persönlichkeitsrechts
- (HSH & Daun Rechtsanwälte, Solingen)
./.
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung N. (Anwaltskanzlei M. Wehner, Düsseldorf)
– 8 AZR 253/20 –
Die Parteien streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung sowie materiellen Schadensersatz wegen einer vom Kläger angenommenen Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften und seines Persönlichkeitsrechts zu zahlen.
Der Beklagten ist der medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. Der Kläger ist seit 1991 bei dem Beklagten als Arbeitnehmer tätig, zuletzt am Standort A. in der IT-Abteilung als Systemadministrator und Mitarbeiter Helpdesk. Ab November 2017 war der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig und bezog nach Ende der Entgeltfortzahlung ab Mai 2018 Krankengeld von seiner Krankenkasse. Diese beauftragte den Beklagten als medizinischen Dienst mit einer gutachterlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Für diese besondere Konstellation – bei dem Beklagten „Spezialfall“ genannt – in welcher der Beklagte eine „Doppelfunktion“ innehat, indem er sowohl der Arbeitgeber der zu begutachtenden Person ist als auch in seiner Eigenschaft als Medizinischer Dienst für die gesetzlichen Krankenkassen tätig wird und gutachterlichen Stellungnahmen zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit von Versicherten anfertigt, gibt es bei dem Beklagten eine „Organisationseinheit Spezialfall“ sowie spezielle Regelungen. Hierzu gehört auch die „Dienstanweisung zum Schutz bei Sozialdaten der Beschäftigten des Medizinischer Dienst der Krankenversicherung N. und ihrer Angehörigen“. Eine bei dem Beklagten angestellte Ärztin, die der „Organisationseinheit Spezialfall“ angehörte, erstellte ein Gutachten, welches die Diagnose der Krankheit des Klägers enthielt. Zur Erstellung des Gutachtens hatte die Ärztin ua. mit dem behandelnden Arzt des Klägers telefoniert und von diesem Auskünfte eingeholt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung einer Entschädigung, da der Beklagte sein Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt habe. Als sein Arbeitgeber habe der Beklagte die Aufgaben des medizinischen Dienstes nicht wahrnehmen und sich so seine Gesundheitsdaten nicht verschaffen dürfen. Zum Schutz dieser Daten habe der Beklagte zudem unzureichende Vorkehrungen getroffen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht begehrte der Kläger zusätzlich materiellen Schadensersatz in Höhe des entgangenen Verdienstes. Denn ohne die streitgegenständliche Persönlichkeitsverletzung hätte er ab Dezember 2018 seine Tätigkeit bei der Beklagten wieder aufnehmen können. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger weiterhin die begehrte Entschädigung und den materiellen Schadensersatz. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 26. August 2021 gemäß Art. 267 AEUV ersucht, Fragen nach der Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 EG zu beantworten, was dieser mit Urteil vom 21. Dezember 2023 – C-667/21 – getan hat.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2020 – 12 Sa 186/19 –
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