Die Schweizer Regierung will Datenlieferungen erleichtern

Der Bundesrat will mit einem dringlichen Gesetz Datenlieferungen der Banken in die USA gerichtsfest machen. Die USA erhalten kraft ihrer Drohkeule fast alles, was sie von der Schweiz gewollt haben.

Hansueli Schöchli, Bern
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Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärt die unilaterale Lösung zur Beilegung des Steuerstreits. (Bild: Keystone)

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärt die unilaterale Lösung zur Beilegung des Steuerstreits. (Bild: Keystone)

Einen Staatsvertrag Schweiz - USA zur Lösung des Steuerstreits gibt es nicht und wird es voraussichtlich auch nicht geben. An deren Stelle treten formell unilaterale Akte. Die US-Behörden bieten den Schweizer Banken zur Regelung der Vergangenheit ein «Programm», das Datenlieferungen und potenziell saftige Bussen beinhaltet. Der Bundesrat will per dringlichem und nur ein Jahr gültigem Bundesgesetz die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Datenlieferungen gerichtsfest sein werden, wie Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Mittwoch vor den Medien erklärte. Das Parlament soll das Gesetz noch in der Juni-Session im Schnellzugstempo durchwinken. Hinter der bundesrätlichen Eile steckt ein US-Diktat, wie Widmer-Schlumpf ziemlich deutlich machte. Die Botschaft: Das amerikanische Angebot gelte jetzt, doch bis Herbst wolle die US-Justiz nicht warten – und das Parlament müsse bei Verschiebung oder Ablehnung die Konsequenzen tragen, etwa in Form von US-Strafklagen gegen Kantonalbanken und weitere Schweizer Institute.

Wenn Titel sprechen

Der Titel des vorgeschlagenen Gesetzes spricht Bände: «Bundesgesetz über Massnahmen zur Erleichterung der Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten». Der Gesetzesvorschlag enthält nur drei Artikel. Das Gesetz ermächtigt die Banken, den US-Behörden geforderte Daten zu liefern. Dies betrifft insbesondere die Namen und Funktionen von Mitarbeitern, die im Geschäft mit unversteuerten US-Vermögen eine wichtige Rolle spielten, aber auch externe Vermögensverwalter, Treuhänder und Anwälte. Auch die von der US-Justiz geforderten statistischen Angaben über die «Abschleicher» werden die betroffenen Institute aufgrund dieses Gesetzes liefern können. Betroffene Mitarbeiter und auch externe Berater könnten Datenlieferungen in einem Widerspruchsverfahren vor Gericht anfechten, betonte Widmer-Schlumpf.

Für die Kundendaten gilt der Rechtsrahmen der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Das DBA von 1996 ist immer noch in Kraft, weil das neue Abkommen von 2009 vom US-Senat noch nicht ratifiziert ist. Kundendaten erhalten die US-Behörden aufgrund der ordentlichen Amtshilfe (Fälle von Steuerhinterziehung ab September 2009, bei Steuerbetrug auch frühere Fälle). Der Haupterfolg der Schweiz liegt darin, dass die USA diesen Rechtsrahmen akzeptieren. Faktisch wird die US-Justiz allerdings auch so die meisten gewünschten Angaben bekommen, insbesondere durch die Möglichkeit der Gruppenanfrage ohne Namensnennung in der Amtshilfe (wobei die Banken die Munition für die Gruppenanfragen zu einem erheblichen Teil selber liefern).

Um die Kritik, wonach der Bundesrat die Banken «rette», aber die Mitarbeiter ans US-Messer liefere, etwas zu dämpfen, sieht der Gesetzesvorschlag die Pflicht zu einer Vereinbarung der Sozialpartner für den Schutz des Bankpersonals vor. Diese soll vor allem die Informations- und Fürsorgepflichten der Arbeitgeber verankern, einen Schutz vor Entlassung und Diskriminierung betroffener Mitarbeiter vorsehen sowie einen Fonds für Härtefälle begründen (den die Sozialpartner mit 2,5 Millionen Franken dotieren wollen). Dieses Abkommen liegt bereits vor. Potenziell im Visier von Strafklagen könnten laut Schätzungen vielleicht ein paar hundert Mitarbeiter sein. Vor Reisen in die USA wird den Betroffenen seit längerer Zeit abgeraten.

Die vier Bankengruppen

Welches «Programm» die USA den Banken anbietet, wollen die US-Behörden laut Widmer-Schlumpf sicherheitshalber erst dann publizieren, wenn das Schweizer Parlament den vorliegenden Gesetzesvorschlag gutgeheissen hat. Formell ist dieses Programm unilaterale Sache der USA, dennoch gibt es «Konsultationen» darüber mit der Schweiz. Eine «Einigung» dazu liegt dem Vernehmen nach noch nicht vor, auch nicht in Bezug auf die Bussensätze (in Prozent der massgebenden US-Vermögen).

Grundsätzlich sollen die rund 300 Banken in der Schweiz je nach Intensität der Betroffenheit in vier Gruppen eingeteilt werden. Mit teilweise saftigen Bussen rechnen müssen die Banken der Gruppe 1 (das sind die etwa zwölf schon länger im US-Visier stehenden Institute) und der Gruppe 2. Die Banken ausserhalb der Gruppe 1 sowie der Gruppe 4 (schwergewichtig regional tätige Banken) entscheiden selber, ob sie am US-Programm mitmachen wollen und ob sie dann zur Gruppe 2 gehören (mit Abkommen und Busse) oder zur Gruppe 3 (ohne Abkommen und ohne Busse, aber mit nötigem «Persilschein» eines externen Treuhänders oder Revisors). Die Schätzungen über die Grösse der Gruppe 2 reichen von wenigen Dutzend bis zu über 80 Instituten. Die zu erwartende Gesamtbusse bleibt Gegenstand munterer Ratespiele. Eine hohe einstellige Milliardenzahl erscheint weiterhin als gut mögliche Grössenordnung. Denkbar ist, dass der erörterte (aber umstrittene) Maximalsatz von 40 Prozent der massgebenden Vermögen für jene undeklarierten Gelder gilt, die von der UBS ab 2009 zu Schweizer Banken geflossen sind.

Dass die Schweiz keinen ausländischen Bussenrahmen unterschreibt, erscheint vernünftig. US-Bussen sind grundsätzlich Sache der US-Behörden und der betroffenen Banken. Es soll am Ende aber doch noch ein von beiden Ländern unterzeichnetes Papier geben. Diese Erklärung soll aber vor allem eine Kundgebung des guten politischen Willens sein, wobei die Schweiz wie die USA darin zusätzlich ihre «unilateralen» Massnahmen bekräftigen könnten.

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