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Deutschland S-21-Krise

Neue Chance für Kopfbahnhof in Stuttgart

Politikredakteur
Wegen der Kostenexplosion bei Stuttgart 21 fordert das Bundesverkehrsministerium, über Alternativen zum Tiefbahnhof zu reden. Die Grünen geben Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld am Desaster.

Was Juchtenkäfer und Wutbürger nicht geschafft haben, könnten nun Bundesregierung und Deutsche Bahn AG hinkriegen: Stuttgart 21 zu beerdigen. Denn das Verkehrsministerium meldet im Aufsichtsrat der Bahn enorme Zweifel daran an, dass der milliardenteure Tiefbahnhof in der baden-württembergischen Landeshauptstadt im geplanten Zeit- und Finanzrahmen gebaut werden kann. Damit kommen Alternativen wie eine Modernisierung des Kopfbahnhofs oder eine kombinierte Lösung aus Kopfbahnhof und einigen unterirdischen Gleisen wieder in den Blick.

Anlass ist ein Dossier des Bundesverkehrsministeriums von Peter Ramsauer (CSU), das die "Stuttgarter Zeitung" bekannt gemacht hat und das am Dienstag bei einem "Workshop" des Bahn-Aufsichtsrates besprochen werden soll. In dem Dossier bestreitet das Ministerium, dass es derzeit eine ausreichende Grundlage für das Versprechen von Bahnchef Rüdiger Grube gibt, von den bereits entstandenen Mehrkosten des Tiefbahnhofs in Höhe von 1,3 Milliarden Euro den Hauptteil von 1,1 Milliarden durch die Bahn tragen zu lassen.

Kostensteigerung um mindestens 1,3 Milliarden Euro

Grube hatte dies im Dezember vergangenen Jahres angekündigt, als klar wurde, dass Stuttgart 21 statt 4,5 bis zu 6,8 Milliarden Euro kosten könnte. Völlig unklar war allerdings damals schon, wer die restlichen 200 Millionen trägt und was überdies mit den für möglich erachteten weiteren Kostensteigerungen von 1,2 Milliarden Euro wird.

Nun wird Grube von dem Ministerium vorgeworfen, für seine 1,1-Milliarden-Zusage keine belastbaren Daten vorlegen zu können: Eine Grundlage, dem Vorschlag von Bahnchef Grube zuzustimmen, sei "derzeit nicht gegeben", heißt es in dem Dossier. Die bisher angeführten Argumente würden nicht greifen.

Für den Aufsichtsrat wird es auch juristisch gefährlich

Ein "belastbarer aktueller Gesamtwertumfang" sei weder ermittelt noch ausreichend geprüft worden. Zudem beständen weitere "erhebliche Risiken". Für den Aufsichtsrat juristisch extrem heikel ist der Hinweis des Ministeriums, dass "bei Betrachtung der gesamten Mehrkosten die Eigenkapitalverzinsung negativ" wird.

Deshalb fordert das Ministerium, es müssten "Alternativen bis zum Ausstieg ernsthaft untersucht werden". Wie eine Anerkennung der Argumente von Stuttgart-21-Gegnern wirkt es dabei, wenn im Dossier geschrieben wird, es könne derzeit "nicht beurteilt werden", ob die Weiterführung von Stuttgart 21 "eindeutig wirtschaftlicher als eine Alternative ist".

Modernisierter Kopfbahnhof oder Kombi-Lösung

Da erinnert man sich, dass Kritiker des Tiefbahnhofs in den langjährigen Auseinandersetzungen immer wieder behauptet hatten, die Erneuerung des bisherigen Kopfbahnhofs oder ein von Schlichter Heiner Geißler vorgeschlagener Kombi-Bahnhof mit über- und unterirdischen Schienen (wie der Kopfbahnhof in Zürich) könnten die Kosten deutlich verringern.

Entsprechend fordert das Ministerium nun, es müsse noch einmal neu gerechnet werden, ob sich ein kompletter Tiefbahnhof nach dem ursprünglichen Stuttgart-21-Plan wirklich noch rechnet im Vergleich mit dem Vorschlag, die geplante Neubaustrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg mit dem bisherigen Stuttgarter Kopfbahnhof zu kombinieren. Im Ergebnis kommt das Ministerium zu dem Schluss, dass man derzeit keine abschließende Entscheidung zu Stuttgart 21 treffen könne. Das sei erst möglich bei einer abschließenden Kostenrechnung und Wirtschaftlichkeitsprüfung, in deren Rahmen dann auch Alternativen wie die Weiterführung des Kopfbahnhofs geprüft werden müssten.

Grüne nehmen Merkel ins Visier

Bei alldem allerdings fragt es sich für den Vorsitzenden des Bundestagsverkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), ob es eigentlich in Ordnung ist, wenn solcherart die Bundesregierung nun den ganzen Schlamassel der Bahn zum Vorwurf macht. "Das ist auch ein Problem für die Bundesregierung, die den Tiefbahnhof stets durchdrücken wollte", sagte Hofreiter der "Welt". Er nahm dabei Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Blick: "Seit 2010 hat Merkel Stuttgart 21 mit ihrem Namen verbunden."

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Hofreiter forderte Regierung und Bahn auf, "endlich die richtigen Zahlen auf den Tisch zu legen und die ganze Geheimniskrämerei sowie Täuschung zu beenden". Bahn und Bund, so Hofreiter, "müssen lernen, dass ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende".

Ramsauer: Alles Quatsch

Verkehrsminister Ramsauer jedoch trat dem Eindruck entgegen, der Bund distanziere sich von Stuttgart 21. „Das ist Quatsch“, sagte Ramsauer dem ZDF am Rande einer Wirtschaftskonferenz in Bagdad.

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