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Eine Schiebetür zum freien Leben – mobiles Leben mit Kindern

Vollzeit im Van leben. Mit Kindern. Nicht, um auf Weltreise zu gehen, sondern als Lebensstil. Jeden Tag. Christina, Robert und ihre zwei Töchter haben es gemacht. Vor über zwei Jahren. Wohnung gekündigt, frustrierenden Job aufgegeben, Bus gekauft.
Wir haben mit der Familie gesprochen. Wie sie das Leben zwischen Schnapsidee, Schrauben und Schulpflicht händelt – und warum sie damals einfach raus musste.

Es war vor zweieinhalb Jahren, als Robert die Idee laut aussprach: „Was ist, wenn wir uns einen Bus holen, die Wohnung kündigen und einfach mal losfahren?“ Klang verrückt. Nach etwas zwischen traumfängerischer Midlife-Crisis und Roadmovie mit John Travolta.
„Ich fand, es war eine Schnapsidee“, erinnert sich Christina lachend. Doch gleichzeitig waren sie und ihr Mann unzufrieden mit dem ständig gleichen Trott. Die Arbeit war nicht erfüllend und vor allem Christina litt zunehmend unter ihrem Alltag.

Leben als Familie in einem umgebauten VW-Bus

„Wir waren schon immer tief in uns drin zwei Abenteurer, die von einem selbstbestimmten Leben geträumt haben“, sagt Robert. Und so kam „die gelbe Mupfel“ ins Spiel. Ein umgebauter VW-Bus. „Am Anfang war alles sehr aufregend“, erklärt Christina. „Alles hat sich neu angefühlt. Unser ganzes Familienleben.“ Ein VW-Bus ist jetzt auch kein US-amerikanisches Schlachtschiff mit sieben Schlafzimmern. Also mussten sich Robert und Christina mit ihren beiden Töchtern, die heute im Grundschulalter sind, erst einmal mit dem geringen Platz abfinden.

„Aber es funktionierte“, berichtet das Paar. „Es war und ist immer noch einzigartig, morgens die Schiebetür aufzumachen und dann direkt in die Natur zu schauen. Das ist purer Luxus für die Seele!“

Die Familie zog also vorrangig nicht aus, um die weite Welt zu sehen, sondern weil die Alltagsroutine an ihrer Lebensqualität genagt hat.
Im Moment wohnt das Paar mit den Kindern in Deutschland nach dem Prinzip „Urlaub gegen Hand“. „Wir stehen mit unserem Bus bei einer sehr lieben Familie auf dem Bauernhof“, berichtet Christina. „Dort können wir kostenlos parken und arbeiten im Gegenzug mit am Haus. Das Konzept funktioniert super.“
Robert und Christina haben nichts dagegen, sich für eine Weile an einem bestimmten Ort niederzulassen. „Dann können unsere Töchter mit anderen Kids spielen und wir haben Zeit, um uns zu erholen oder am Bus zu schrauben.“

Vanlife mit Kindern und Schulpflicht

Jetzt ist Vanlife an sich kein wahnwitziger Sprung ins Höhlenleben mehr. Doch es gibt immer noch viele Bedenken, wenn Kinder im Spiel sind. Themen wie soziale Kontakte und Schule treiben interessierte Familien gleichermaßen um wie Kritiker des Lifestyles.
„Wir sehen, dass unsere Kinder sehr von unserer Lebensweise profitieren“, schildert Christina. „Sie sehen die Welt viel mehr mit eigenen Augen und wachsen sehr vorurteilsfrei und offen auf.“ Durch Trips außerhalb von Deutschland haben die beiden Töchter verschiedene Kulturen kennengelernt, lernen mehrere Sprachen und haben mit Kindern aus zahlreichen Ländern gespielt. Natürlich ist das auch in einer ganz normalen Schule möglich. Weshalb man grundsätzlich die Frage stellen kann: Müssen Lebensstile überhaupt darum konkurrieren, welcher besser ist?


„Besonders schön ist, dass die Kinder den ganzen Tag draußen sind“, findet Robert. „Seit wir das Vanlife haben, ist ihnen kaum langweilig. Sie werden dauernd neugierig und inspiriert durch das, was sie sehen und erleben.“
Christina erinnert sich an das Leben in der Wohnung: „Da waren die Kids oft gelangweilt, haben viel vor neuen Medien gehockt und waren nur sehr schwer zu motivieren, rauszugehen.“

Eine besondere Hürde ist in Deutschland die Schulpflicht. Homeschooling ist nur in absoluten Ausnahmefällen wie bei schwerer Krankheit des Kindes oder besonderer Job-Situation der Eltern erlaubt – zum Beispiel bei Zirkusleuten. Wer dagegen verstößt, muss mit hohen Bußgeldern und sogar dem Entzug des Sorgerechts rechnen. Ein Gesetz, das schon so manche mobil lebenden Eltern in Schwierigkeiten gebracht hat. In anderen, europäischen Ländern gibt es dagegen oft nur eine Unterrichtspflicht. Wo der Unterricht stattfindet, ist nicht entscheidend.

„Wir haben uns ehrlich gesagt aus Deutschland abgemeldet“, berichten Christina und Robert. Damit entfällt die Schulpflicht, jedoch auch das Kindergeld. „Das war am Anfang hart. Aber da wir nur sehr wenig Geld zum Leben brauchen, haben wir auch dieses Problem gemeistert.“
Momentan lebt die Familie von Rücklagen und Gelegenheitsjobs.

Leben unterwegs mit Kindern: Lernen vor Ort

Sicher gibt es viele, denen so ein Leben zu stressig wäre. Mit zu viel Verzicht und Unsicherheit. „Uns und den Kindern hat das mobile Leben einen unglaublichen Erfahrungsschatz beschert“, sagt Christina. „Man lernt so vieles dadurch, dass man es mit eigenen Augen sieht. Die Geschichte Europas, andere Kulturen, zwischenmenschliche Kontakte. Man erfährt es unmittelbar und nicht aus dem Fernsehen oder Internet.“ Auch hat die Familie seit dem Auszug aus der Wohnung viel Geld gespart und verbraucht deutlich weniger Ressourcen als im Haus.

„Wir Erwachsenen haben eine Menge Vorurteile abgelegt“, sagt Robert nachdenklich. „Unsere Kinder haben viele Ängste verloren und sind extrem selbstbewusst geworden.“ Am meisten schätzt die Familie das spontane Leben und den Luxus, jeden Tag frei gestalten zu können. „Wir vermissen nicht viel. Manchmal eine warme Dusche oder an Regentagen etwas mehr Platz“, gibt Christina schmunzelnd zu.
Doch zurück wollen sie nicht mehr. „Wieder in eine Wohnung oder ein Haus? Das wäre uns viel zu groß und zu teuer. Aber wir könnten uns vorstellen, mal für eine Weile in einer Jurte zu leben.“
Solange zieht die „gelbe Mupfel“ weiter durch die Lande. Mit einer Familie, die es gewagt hat, ihren eigenen, unkonventionellen Weg zu gehen.

Fotos (c): Die Gelbe Mupfel

Sarah

War schon immer eher Pippi Langstrumpf als Annika. Arbeitet als freie Texterin und Fotografin bei Zeilenaufbruch und liebt Roadtrips überall auf der Welt.Lieblingsspots: USA und Südeuropa.

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