Saharastaub EN

Über die Hälfte des globalen troposphärischen Aerosols und etwa 35% der primär emittierten Partikelmasse besteht aus Mineralstaubpartikeln, von denen etwa die Hälfte aus der Sahara und der Rest aus anderen Wüstenregionen der Erde stammt (Andreae et al., 1986, Boucher et al, 2013). Mit ca. 1.8 Mrd. Tonnen pro Jahr trägt Winderosion von Mineralstaub zur globalen Aerosolbilanz bei. Mineralstaub beeinflusst das Erd-Atmosphäre System durch Streuung und teilweise Absorption eintreffender Solarstrahlung. Indirekte Einflüsse von Partikeln auf Wetter und des Klima resultieren aus ihrer Funktion als Wolken-Kondensationskeime, die die Wolkenbedeckung erhöht und die Niederschlagsmenge verringert (Levin et al. 1996).

Jährliche Anzahl der Tage, die zwischen 1997 und 2023 einen Saharastaubindex (SDI - s.u.) von 0.4 bis 5 am HPB überschritten.

Jährliche Anzahl der Tage, die zwischen 1997 und 2023 einen Saharastaubindex (SDI - s.u.) von 0.4 bis 5 am HPB überschritten. (Quelle DWD)

Jährliche Anzahl der Tage, die zwischen 1997 und 2023 einen Saharastaubindex (SDI - s.u.) von 0.4 bis 5 am HPB überschritten.

Je nach Quellregion, bestehen etwa 90 Massen-% des Saharastaubs (SD) aus Aluminosilikaten (z.B. Ton, Kaolinit, Montmorillonit), Eisenoxiden (Hämatit, Geothit) und Quarz (Sokolik and Toon, 1999). Die verbleibenden <10% sind hauptsächlich Kalzit und Gips. Der Staubtransport in die Atmosphäre hängt von der Korngrößenverteilung an der Oberfläche, der Oberflächen-Rauhigkeit und –feuchtigkeit ab (Prospero, 1999). Die Mobilisierung von Mineralstaub erfordert daher eine Mindest-Windgeschwindigkeit, oberflächennahe Turbulenz und Windböen, die die Partikel in größere Höhen tragen, wo sie über Tage und Wochen verbleiben können. Durch starke Höhenwinde können sie über weite Entfernungen von mehreren tausend km transportiert werden. In fern-transportierten Staubwolken liegt der typische Partikeldurchmesser bei 0.1 – 10µm. Trockene Deposition (Sedimentation, Impaktion) und feuchte Deposition (Auswaschung durch Niederschlag) sind die wesentlichen Verlustmechanismen für atmosphärische Partikel (siehe Lebensdauern unter Größenverteilung).

Zusammensetzung und Größe von Mineralstaub bewirken einen nur geringen Gesundheitseffekt, jedoch können robuste und langlebige Krankheitskeime auf strukturierten Partikeloberflächen weit transportiert werden. Griffin (2007) beschreibt z.B. einen zeitlichen Zusammenhang zwischen SD Ausbrüchen in die Sahelzone und dem dort kurz darauf häufigeren Auftreten bakterieller Hirnhautentzündung. Andererseits profitieren der Südamerikanische tropische Regenwald und die Karibischen Inseln von der düngenden Wirkung des Mineralstaubs, der sonst sehr viel nährstoffärmer wäre.   

Extinktionskoeffizient am Standort Weihenstephan am 21. August 2011

Extinktionskoeffizient am Standort Weihenstephan am 21. August 2011 (Quelle DWD)

Extinktionskoeffizient am Standort Weihenstephan am 21. August 2011

In Mitteleuropa sind vor allem die regelmäßig auftretenden Saharastaubausbrüche (Pey et al, 2013) für eine erhöhte Aerosolbelastung aus natürlichen Quellen verantwortlich. Neuere Untersuchungen (z.B. Flentje et al. 2015) haben gezeigt, dass im südbayerischen Raum vor allem im Frühjahr und im Sommer vermehrt Saharastaub in der Atmosphäre auftritt. In seltenen Fällen, wie beispielsweise im Mai 2008, führen diese Ausbrüche kurzzeitig zu bis zu 20-fach erhöhten Partikelkonzentrationen in der bodennahen Atmosphäre. In etwa 5-15 Saharastaub Ereignissen (SDE), die sich über etwa 10-60 Tage erstrecken, wird Saharastaub nach Mitteleuropa transportiert (Abb. 1). Noch häufiger tritt er in der freien Troposphäre auf, von wo er nicht immer zum Boden heruntergemischt wird.

Staubbeladene Luftmassen können durch mehrere Indikatoren identifiziert werden. Typischerweise nimmt die Anzahl- und insbesondere die Volumenkonzentration großer Partikel zu, die Einfachstreuung ist wellenlängen-unabhängig (Angstrom-Exponent »0), während UV Licht verstärkt absorbiert wird. Die Partikel-Massenkonzentration ist während starker Ereignisse deutlich erhöht. SD beeinflusste Aerosol- und Regen-Filterproben weisen deutlich erhöhte Kalzium (Ca2+) und Magnesium (Mg+) Werte sowie einen alkalischen pH-Wert der ionischen (wasserlöslichen) Partikelfraktion auf. Aus der Kombination dieser Parameter kann ein gewichteter "Saharastaubindex" (SDI) berechnet werden, der den Informationsgehalt der einzelnen Parameter berücksichtigt. Dieser Index ist ein kombiniertes Maß für das Vorhandensein, Konzentration und Eindeutigkeit von SD in der Atmosphäre. Eine Zeitserie dieses Index von 1997-2017 ist in Abb. 2 dargestellt. Werte über 0.4 weisen auf Saharastaub hin, höhere Werte auf entsprechend stärkere Ereignisse, die im Einzelfall durch Rückwärts-Trajektorien oder Satellitenbilder bestätigt werden können.

Der basierend auf der Partikel-Volumen-Verteilung, der Zusammensetzung und den optischen Eigenschaften errechnete aktuelle SDI findet sich HIER.

Verzeichnis der Saharastaubtage am Hohenpeißenberg

Verzeichnis der Saharastaubtage von 1997-2023. Tage, die SDi von 0.4, 0.7 und 1.0 überschreiten, sind beige, orange und braun. Tage ohne Daten sind weiß. (Quelle DWD)

Verzeichnis der Saharastaubtage von 1997-2023. Tage, die SDi von 0.4, 0.7 und 1.0 überschreiten, sind beige, orange und braun. Tage ohne Daten sind weiß.

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In Abhängigkeit von der Jahreszeit wechseln auch die typischen Quellgebiete und die Zugbahnen des Wüstenaerosols. Für Mitteleuropa ist im Frühsommer hauptsächlich der direkte Transport aus der Sahara südlich des Atlasgebirges relevant, während im Hochsommer vermehrt eine südwestliche Strömung Staubpartikel über den Atlantik nach Europa bringt. Seltener sind lange Transportwege, welche die Partikel zunächst über den Atlantik führen und danach häufig nördlich um das Azorenhoch herum nach Europa transportieren. In diesen Fällen kann es auch zu einer von Nordwest nach Südost über Deutschland voranschreitenden Saharastaubwolke kommen. Im Winter auf Schneeflächen aufliegender bräunlich-rötlicher Saharastaub ist ein seltenes und spektakuläres Ereignis, welches umgangssprachlich „Blutschnee“ genannt wird.

Gekoppelte chemisch-dynamische Transportmodelle wie das Integrierte Vorhersagesystem (C-IFS) des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) sind in der Lage, die Mobilisierung des Staubs und die räumlich-zeitliche Verbreitung von Mineralstaub recht präzise vorherzusagen (CAMS Aerosolvorhersage). Das meteorologische Modell des ECMWF wurde in den Projekten GEMS und MACC I-III (2005-2015) um chemische und Aerosol-physikalische Prozesse erweitert. Ein beispielhafter Vergleich aus Ceilometermessungen des DWD abgeleiteter Extinktionskoeffizienten mit entsprechenden Modellrechnungen eines beginnenden Saharastaub-Ereignisses am 21. August 2011 ist in Abb.3  dargestellt. Die kleinskalige Struktur der ankommenden Staubwolke kann wegen der groben Modellauflösung (1.25°x1.25°) nicht erfasst werden, die Hauptwolke wird jedoch gut wiedergegeben. Die DWD Ceilometer-Profile werden durch Profilmessungen (grün) eines absolut kalibrierten Geräts (Wiegner et al, 2012) der Universität München bestätigt.

(oben) Extinktionsprofile aus Ceilometermessungen über Weihenstephan am 21. August 2011. (unten) Extinktionsprofile aus Ceilometermessungen (blau) und MACC Modell (schwarz). (Quelle DWD)

Abb.3: (oben) 2-D Zeit-Höhenschnitt des Extinktionskoeffizienten aus Ceilometermessungen über Weihenstephan beim Beginn eines Saharastaub-Ereignisses am 21. August 2011. (unten)3-stündliche Extinktionsprofile aus Ceilometermessung (blau, Univ. München in grün) und MACC Modell (schwarz).