Hagen. Yasmin T. (13) aus Hagen hat Angst, sich mit Corona anzustecken. Sie weigert sich, die Schule zu betreten. Sie wird draußen unterrichtet.

Dick vermummt sitzt Yasmin T. (13) an ihrem Pult auf dem Schulhof. Sie trägt Mütze, Jacke und gefütterte Schuhe, ihre Handschuhe rutschen über den Touchscreen ihres Laptops. Es ist 0 Grad, ihr Atem dampft. Die Kälte kriecht an ihr hoch, sie sagt, dass sie friere: „Aber ich halte hier so lange durch, wie es sein muss.“

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Yasmin T. will die Heinrich-Heine-Realschule in Hagen nicht mehr betreten. Sie hat Angst, sich mit Corona zu infizieren. Sie ist vorerkrankt und deshalb eine Risikopatientin, sie ist dreimal geimpft, sie trägt immer eine FFP2-Maske, auch allein hier draußen auf dem Schulhof. „Ich halte mich an alle Hygieneregeln. Es gibt viele Kinder wie mich. Aber es gibt auch solche, die sind nicht geimpft und halten sich nicht an die Regeln. Und mit denen setze ich mich nicht mehr zusammen in einen Raum.“

Mit Kuscheldecke zur Schule

Deshalb hat sie sich am Morgen zu Hause so dick angezogen, noch eine Kuscheldecke mitgenommen und die Lehrer per Online-Talk darüber verständigt, dass sie sich ab sofort weigere, das Schulgebäude zu betreten. Es geht ihr darum, ein Zeichen zu setzen, sie will nicht den Unterricht bestreiken. Deshalb hat Yasmin die Schule gebeten, ihr einen Schülerpult zur Verfügung zu stellen, damit sie den Unterricht online verfolgen kann: „So kann ich meine Aufgaben erledigen und muss nicht zu den Ungeimpften reingehen.“

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Schulleiterin Corinna Osman hat den ungewöhnlichen Wunsch des Mädchens aus der siebten Klasse erfüllt. Yasmin hat den Tisch, den Stuhl und das Laptop erhalten. „Wir möchten sie nicht zwingen, die Schule zu betreten, wenn sie Angst vor einer Infektion hat. Und ich kann auch nicht garantieren, dass sie sich nicht ansteckt“, so Osman.

Zum Aufwärmen in ein leeres Büro

Aus Gründen der Fürsorgepflicht bittet die Schulleiterin Yasmin aber hin und wieder ins Gebäude, damit sie sich aufwärmen kann. Dazu darf das Mädchen das leerstehende Büro einer Vertrauenslehrerin aufsuchen. Dort verbringt sie auch die Unterrichtspausen, in denen sich ihre Mitschüler auf dem Schulhof aufhalten. „Yasmin ist ein Mensch, der weiß, was er will“, berichtet Cornelia Weber, ihre Pflegemutter: „Ich stehe voll hinter dem, was sie tut.“

Der Atem dampft in der Kälte: Yasmin T. hat Angst vor einer Infektion mit Corona und lässt sich auf dem Schulhof der Heinrich-Heine-Realschule in Hagen unterrichten.
Der Atem dampft in der Kälte: Yasmin T. hat Angst vor einer Infektion mit Corona und lässt sich auf dem Schulhof der Heinrich-Heine-Realschule in Hagen unterrichten. © WP | Michael Kleinrensing

Yasmin verfolgt die Corona-Politik und die Schutzmaßnahmen sehr genau. Überall würden Ungeimpfte „rausgeschmissen“, sagt sie: „Nur in den Schulen nicht, und das finde ich doof.“ Viele junge Leute hätten in der Pandemie super mitgearbeitet und ihre Jugend verloren: „Alles ohne zu murren. Nun allerdings werden wir wie ein Lamm zur Schlachtung in die Schule geschleift, damit wir alle durchseucht werden.“

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Ein bisschen wie Greta Thunberg

In ihrer Freizeit spielt die 13-Jährige in der Theatergruppe des Hagener Stadttheaters mit, sie besucht die Junior-Uni in Wuppertal und trainiert im Judoverein. Zuvor vergewissert sie sich stets, dass die anderen Teilnehmer geimpft sind, sonst würde sie nicht hingehen. Nur an ihrer Schule sei das anders, es gebe ungeimpfte Schüler und sogar ungeimpfte Lehrer. . .

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Sie will, dass sich alle impfen lassen. Deshalb sitzt sie allein auf dem Schulhof in der Kälte. In ihrer Entschlossenheit erinnert Yasmin ein wenig an die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, die ja anfangs auch mutterseelenallein vor dem Parlament in Stockholm für mehr Klimaschutz demonstrierte. „Für meine Sache kämpfe ich. Und wenn die Politiker das nicht gebacken kriegen, werde ich versuchen, weitere Mitstreiter in ganz Deutschland zu finden und es so hinzukriegen“, sagt Yasmin: „In dieser Sache gebe ich nicht auf.“

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Sie hat das Pult in die Sonne gerückt, es fällt ihr schwer, mit den Handschuhen den Touchscreen zu bedienen. Der Lehrer auf dem Bildschirm fragt nach den Hausaufgaben. Sie versucht, die beißende Kälte zu ignorieren und ihre Konzentration ganz dem Unterricht zu widmen.

Anmerkung der Redaktion

In einer ersten Version des Textes hat sich die Pflegemutter des Mädchens, das über die Öffentlichkeit nach Gleichgesinnten sucht, mit einer vollen Veröffentlichung des Namens des Kindes einverstanden erklärt. Angesichts aktueller Entwicklungen hat sie die Redaktion im Nachhinein darum gebeten, davon Abstand zu nehmen. Diesem Wunsch kommen wir nach.