10 Jahre nach Todessprung: Möllemanns letzter Brief aufgetaucht

Von: Von N. HARBUSCH und H.W. SAURE

Auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Tod von FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann († 57) gibt ein bisher unbekannter Brief neue Rätsel auf. Es ist eine Mischung aus Abschiedsbrief und Testament.

Möllemann übergab ihn seinem Freund Wolfgang Kubicki im April 2003 in einem verschlossenen Umschlag mit dem Hinweis, ihn nach seinem Tod zu öffnen. Mysteriös: Der im April übergebene Brief war vordatiert auf den 17. Mai 2003. Nur 19 Tage später, am 5. Juni, stürzte Möllemann in den Tod.

In dem zweiseitigen Schreiben an den Fraktionsvorsitzenden der schleswig-holsteinischen FDP beschreibt Möllemann zunächst seine schlechte Verfassung: „Meine innere Unruhe, über die ich Dir berichtet habe, veranlasst mich, Dir für den angesprochenen Fall vertraulich folgendes zu schreiben.“

Wolfgang Kubicki (61) erinnert sich an den Tag, als Möllemann ihm den Brief in einem braunen Kuvert anvertraute. „Er rief mich in Kiel an und bat mich, so schnell wie möglich nach Hamburg zu kommen.“ Beim Treffen im Hotel „Élysée“ habe Möllemann einen sichtlich angeschlagenen Eindruck gemacht. „Er fühlte sich verfolgt und beobachtet. Er dachte, man wolle ihm ans Leder.“

Möllemann hatte sich zu dieser Zeit mit der FDP überworfen, weil er zur Bundestagswahl 2002 auf eigene Kosten einen anti-israelischen Flyer drucken ließ. Es folgte der Ausschluss aus der Fraktion. Die Steuerfahndung bereitete eine Hausdurchsuchung wegen eines Kontos von Möllemann in Liechtenstein vor, auf dem mehr als vier Millionen Euro aus Provisionsgeschäften lagen.

In dem zweiseitigen Schreiben benennt der ehemalige Vizekanzler Ehefrau Carola als Erbin. An sie ginge auch das gemeinsame Konto bei der Banco Santander in Gran Canaria, wo das Ehepaar ein Ferienhaus hat.

In dem Vermächtnis geht es auch um Geschäfte in Teheran und Turkmenistan sowie um Dokumente, die Möllemann in Taschen bei Freunden in Luxemburg und Gran Canaria deponiert hatte. Und um ein Konto mit 1,2 Millionen Euro in Luxemburg, von dem er die Flyer-Aktion bezahlte. „Das Konto in Luxemburg ist ausschließlich meines.“

An seinen Freund Kubicki gerichtet schreibt Möllemann: „Ich danke Dir sehr, mein Freund, dass Du, wenn nötig, Carola und den Töchtern bei der Bewältigung der wirtschaftlichen/rechtlichen Fragen hilfst.“ Wolfgang Kubicki holte den Brief noch am Abend des Todestages aus seinem Safe. Das Schreiben ließ ihn ratlos zurück. Die wichtigsten Fragen waren: Warum datierte Möllemann den Brief auf ein viel späteres Datum?

Hatte er damals schon Selbstmord-Pläne?

Kubicki zu BILD: „Ich hatte in dem Brief mit Hinweisen darauf gerechnet, von wem er sich bedroht und verfolgt fühlte. Und was die Gründe dafür waren.“

Was bleibt Wolfgang Kubicki von seinem Freund?

„Er war der humorvollste und mitreißendste Mensch, den ich kennengelernt habe. Er konnte wie kein anderer damals in der FDP die Menschen begeistern. Wie es heute auch keiner mehr kann.“

Kubicki, Mitglied des FDP-Präsidiums, tut sich schwer mit seiner Partei, wenn es um den Umgang mit Möllemann geht: „Da wurden wesentliche Grundsätze verletzt – ich denke dabei nur an die Unschuldsvermutung und den Stil.“

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