Coronavirus - Zweiter Lockdown für Kurz "notwendig"

"Dramatische Eingriffe" sollen Überlastung der Spitäler verhindern - Gastro, Tourismus zu - Ausgangsbeschränkungen in der Nacht - Kontaktbeschränkungen bis in Teile des Privat-Bereichs - BILD GRAFIK VIDEO

Der von der Bundesregierung im Kampf gegen das Coronavirus verordnete zweite Lockdown sei "notwendig", betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Pressekonferenz der Regierungsspitze. Das Maßnahmenpaket, das am kommenden Dienstag in Kraft tritt, soll angesichts zuletzt rasant steigender Infektionszahlen den Kollaps des Gesundheitssystems und die drohende Überlastung der Spitäler - vor allem im intensivmedizinischen Bereich - verhindern.

Es handle sich "um dramatische Eingriffe in unser gesellschaftliches Leben. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Aber sie ist notwendig", warb Kurz um Verständnis für die - wie er einräumte - "unpopulären Maßnahmen, um die Zahlen nach unten zu drücken".

Hotels- und Beherbergungsbetriebe werden grundsätzlich geschlossen. In der Gastronomie ist lediglich mehr das Abholen von Speisen und ein Lieferservice möglich, Restaurants, Lokale, Bars und Nachtclubs bleiben zu. Kulturelle und sportliche Veranstaltungen sind abgesagt, lediglich Spitzensportler und ihre Trainer dürfen Sportstätten betreten, ihren Sport beruflich ausüben und an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Für Freizeitsportler bleiben nur jene Outdoor-Sportstätten offen, bei denen kein Körperkontakt stattfindet (etwa Golf- oder Tennisplätze). Theateraufführungen, Kinovorführungen, aber auch Hochzeits- und Geburtstagsfeiern und Weihnachtsmärkte sind vorerst nicht mehr möglich. Freizeiteinrichtungen wie Fitnessstudios, Hallenbäder, Museen und Zoos schließen ihre Pforten.

Zwischen 20.00 und 6.00 Uhr gilt eine - vorerst bis 12. November befristete - Ausgangsbeschränkung. Die Wohnung darf dann nur mehr von Berufs wegen, zur Deckung notwendiger Grundbedürfnisse (etwa Einkäufe), zur Betreuung und Pflege Hilfsbedürftiger und zur Erfüllung familiärer Pflichten, zur Abwehr von Gefahr für Leib, Leben und Eigentum sowie zur körperlichen und psychischen Erholung verlassen werden - "wenn's einem nicht gut geht, die Decke auf den Kopf zu fallen droht und man einfach raus muss", wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) formulierte. Als zulässig nannte die Regierung in einer Punktation beispielsweise Spaziergänge, Joggen oder Gassi gehen mit dem Hund. Anzeigen werde es laut Nehammer etwa dann geben, wenn die Polizei nach 20 Uhr eine Gruppe Jugendlicher mit Alkohol antrifft, dann werde auch das Treffen aufgelöst.

An öffentlichen Orten ist zu haushaltsfremden Personen ein Abstand von einem Meter einzuhalten. In geschlossenen öffentlich zugänglichen Räumen gilt zusätzlich die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Eine Ausnahme für die Ein-Meter-Abstandsregel gibt es im öffentlichen Raum für Gruppen von maximal sechs Personen (plus sechs Kinder), die aus lediglich zwei Haushalten zusammengesetzt sind. Kurz betonte zu diesem Punkt, dass sich ab kommendem Dienstag vorerst nur mehr zwei Haushalte treffen dürfen: "Die meisten Ansteckungen finden statt bei Menschen, die sich kennen, die sich mögen. Da rückt man enger zusammen. Das führt zu Ansteckungen."

Diese Regel reicht aber auch in Teile des privaten Raums hinein: Denn sie gilt auch an privaten Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen - etwa in Gärten, Garagen, Schuppen oder Scheunen. Damit sind dort auch sämtliche Feiern und Partys nicht mehr gestattet. Laut Auskunft aus dem Gesundheitsministerium ist der eigentliche Wohnbereich davon aber nicht umfasst.

Wie Nehammer ankündigte, erarbeiten der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit sowie die Landespolizeidirektionen "ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Kontrolle", um zu gewährleisten, dass die Regeln eingehalten werden. Notfalls werde man durchgreifen, versicherte Nehammer. Beobachte ein Polizist im Streifendienst mit eigenen Augen ein Fehlverhalten, "ist er befugt einzugreifen", sagte der Innenminister. In anderen Fällen sei eine Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden erforderlich.

Sollte das Maßnahmenpaket wirken und die Bevölkerung mitmachen, geht der Bundeskanzler davon aus, dass im Dezember "erste Öffnungsschritte" gesetzt werden können, "um zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren". Bei einem "ähnlichen Erfolg, wie wir ihn im ersten Lockdown hatten" könne man dann beispielsweise wieder an Skifahren - wenn auch mit Abstrichen - denken. Kurz zeigte sich zuversichtlich, dass ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in Sicht ist und "spätestens nächsten Sommer die gewohnte Normalität" winkt.

Essenziell sei es, "dass wir mit dem Paket gut durch den November kommen", um einen "deutlichen Abfall" der Infektionszahlen zu erreichen, betonte der Kanzler. Mit einer Trendumkehr rechne er "frühestens in sieben bis 14 Tagen". Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, "sind wir mit einer schwierigen Situation konfrontiert", räumte Kurz ein. Ein Nachschärfen der Maßnahmen, deren Wirksamkeit wöchentlich evaluiert werden soll, sei dann möglich. Dabei dürfte ein Schließen der Kindergärten und Pflichtschulen bzw. ein Umstellen auf Distance Learning angedacht sein. Diese Einrichtungen bleiben im Unterschied zu den Oberstufen und den Fachhochschulen und Universitäten, die auf Distance Learning umstellen, offen - vorerst, wie Kurz deutlich machte.

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