Deutsche Bahn von Stahl-Kartell geprellt:Schienen-Herstellern drohen Millionenstrafen

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Einige nannten sich Jedis, standen aber auf der dunklen Seite der Macht: Geschäftsleute von sieben Stahlunternehmen, darunter ThyssenKrupp, sollen die Preise für Schienenstahl abgesprochen haben - und die Deutsche Bahn so um bis zu 500 Millionen Euro geprellt haben. Im Juli will das Bundeskartellamt einen Bußgeldbescheid erlassen.

Klaus Ott

Einer nannte sich Bleichgesicht, ein anderer Brüderchen, und Jedis gab es auch noch. Ausgerechnet Jedis. Das ist ein Orden aus dem Kino-Epos "Krieg der Sterne", der für Harmonie und Frieden steht, und der in den galaktischen Hollywood-Filmen stets die "dunkle Seite der Macht" bekämpft.

Stahlunternehmen drohen hohe Strafen für Schienenkartell: Die Deutsche Bahn sollen sie um 500 Millionen gebracht haben. (Foto: dapd)

Die Geschäftsleute, die sich diese harmlos klingenden Decknamen gaben, waren aber keine Jedis und Brüderchen. Sie bildeten ein Kartell aus Stahl-Unternehmen, das zu überhöhten Preisen mehrere hunderttausend Tonnen Schienen an die Deutsche Bahn und andere Abnehmer verkauft und so einen kräftigen Reibach gemacht haben soll. Einer der Profiteure war der Konzern Thyssen-Krupp.

Zu diesem Geschäftsgebaren passt schon eher der Tarnbegriff Domina, hinter dem sich ein weiteres Mitglied des Kartells verbarg. Was Thyssen-Krupp und die anderen Angehörigen des Geheimbundes da trieben, tat schließlich den Kunden sehr weh. Wie bei einer echten Domina. Doch nun folgt wohl bald die Strafe für das Bleichgesicht und die Jedis, für das Brüderchen und die Domina.

Das Bundeskartellamt in Bonn, das seit mehr als einem Jahr eifrig ermittelt, will im Juli einen Bußgeldbescheid erlassen. Das ist aus dem Kreise der Beteiligten an diesem Verfahren zu hören. Bei den Geldstrafen für Thyssen-Krupp und die anderen Mitglieder des Kartells soll es sich um hohe Millionenbeträge handeln.

Der Geheimbund, der die Preise für den Schienenstahl absprach und festlegte, soll aus sieben Unternehmen in fünf Ländern bestanden haben. Eine internationale Organisation, die grenzüberschreitend operierte. Schienen wurden auch in die Schweiz und nach Österreich verkauft.

Bußgelder derzeit in Verhandlung

Hauptabnehmer war das Staatsunternehmen Deutsche Bahn (DB), das auch als Hauptgeschädigter gilt. Den Teil des Verfahrens, der die DB betrifft, will das Kartellamt nun abschließen. Die Wettbewerbsbehörde und die Kartell-Mitglieder verhandeln schon seit einiger Zeit über eine Vereinbarung, die entsprechende Bußgelder beinhaltet. Die Gespräche seien sehr weit gediehen und könnten sehr bald zu einem Ergebnis führen, sofern nichts mehr dazwischen komme, heißt es.

Das Kartellamt äußert sich dazu unter Hinweis auf das noch laufende Verfahren nicht. Der Konzern Thyssen-Krupp bestätigt auf Anfrage Gespräche über eine "einvernehmliche Verfahrensbeendigung", nennt aber keine Details, da das Verfahren noch im Gange sei. Bei Thyssen-Krupp werden Geschäfte der Tochtergesellschaft GfT Gleistechnik untersucht.

Ohne eine gemeinsame Lösung zwischen dem Kartellamt und den Unternehmen, gegen die ermittelt wird, könnten die Untersuchungen noch Jahre dauern. Daran hat keiner der Betroffenen ein Interesse. Und auch nicht die Deutsche Bahn. Abgesandte von Thyssen-Krupp und der DB haben bereits mehrmals über einen möglichen Schadenersatz für das Staatsunternehmen gesprochen, zuletzt im Juni. Bislang aber ohne Ergebnis. Bei diesen Treffen wurde noch nicht einmal über die Höhe einer Entschädigung verhandelt.

Das dürfte sich nach einem Bußgeldbescheid des Kartellamts rasch ändern. Dem Vernehmen will die Bahn bis zu 500 Millionen Euro in Rechnung stellen. Die Kalkulation bei der DB sieht so aus: Für gut eine Milliarde Euro habe man bei dem Kartell Stahl gekauft, zu Preisen, die bis zu 30 Prozent überhöht gewesen seien. Das mache gut 300 Millionen Euro Schaden im Verlaufe eines Jahrzehnts aus, hinzu kämen die Zinsen.

Bei Thyssen-Krupp hat sich nach Angaben des Konzerns im Verlauf der Ermittlungen der Kartellverdacht gegen mehrere Mitglieder "bestätigt". Das Stahlunternehmen erklärt, man habe im Sinne von "Null Toleranz" für solche Vergehen hart durchgegriffen und sich bereits seit Mai 2011 von insgesamt elf Beschäftigten getrennt. Darunter seien mehrere Verantwortliche für den Vertrieb, ein Geschäftsführer und der zuständige Bereichsvorstand.

Man sei von den Vorwürfen "völlig überrascht" worden und arbeite mit eigenen Juristen sowie von außen geholten Fachleuten "intensiv an der Aufklärung des Sachverhalts". Außerdem kooperiere man in vollem Umfang mit dem Bundeskartellamt.

Die falschen Jedis haben also ihre Jobs verloren, nun sollen sie auch Schadenersatz zahlen. Was das die ehemaligen Vertriebsleute und Manager kosten könnte, ist noch offen. Der Koordinator des Kartells soll sich übrigens einen Tarnnamen gegeben haben, der die Sache trifft: "Hüter des deutschen Schienenpreises".

© SZ vom 30.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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