Berlin. Es war eines der zentralen Projekte von Schwarz-Rot: das Klima-Sondervermögen. Lesen Sie hier, warum es so nicht zu realisieren ist.

Das schuldenfinanzierte Berliner Sondervermögen Klimaschutz ist in seiner bisher vom Senat geplanten Form nicht zu realisieren. Das verlautete am Freitag früh aus Koalitionskreisen: „Das Sondervermögen ist gescheitert“, hieß es. Ein Gutachten, das die Senatsfinanzverwaltung bei einer Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte, hält die bisher bevorzugte Konstruktion im Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu einem Sondervermögen der Bundesregierung für nicht zulässig.

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Schwarz-Rot wollte in zwei Schritten bis zu zehn Milliarden Euro Kredite aufnehmen und mit dem Geld Projekte für Klimaschutz, den Umbau der Energieversorgung, der Verkehrswende, Gebäudesanierung und Anpassung an die Folgen der Erderwärmung bezahlen. Das Gutachten geht nun nach Informationen der Morgenpost davon aus, dass das bisher vom Senat favorisierte Konzept das von den Verfassungsrichtern angemahnte Prinzip der Jährlichkeit verletzt. Das bedeutet, dass der Staat nicht einfach geliehenes Geld als Reserve beiseitelegen kann, sondern die benötigten Summen jedes Jahr neu verplanen und ausgeben muss.

Damit entfällt jedoch der wesentliche Vorteil eines Sondervermögens im Vergleich zu einer Veranschlagung der benötigten Summen im regulären Landeshaushalt. Es war ja gerade die Idee, dass der Senat über die einzelnen Haushaltsjahre hinaus verbindlich verschiedene Projekte planen und umsetzen wollte.

Solarpanels auf dem Dach einer Messehalle: Der Umbau der Energieversorgung sollte aus dem Sondervermögen durch Schulden finanziert werden.
Solarpanels auf dem Dach einer Messehalle: Der Umbau der Energieversorgung sollte aus dem Sondervermögen durch Schulden finanziert werden. © Christoph Soeder/dpa | Unbekannt

Die Frage ist auch, wie der Senat die Notlage begründet, die eine Neuverschuldung trotz Schuldenbremse überhaupt rechtfertigt. Der Ukraine-Krieg und die daraus folgenden Schwierigkeiten bei der Energieversorgung könnten grundsätzlich eine Notlage begründen. Die Klima-Notlage hingegen eignet sich aus Sicht der Experten hingegen eher nicht. In jedem Fall müsste auch die Notlage mit jedem Haushalt neu begründet und angepasst werden.

Klima-Sondervermögen zentrales Projekt von CDU/SPD

Das Sondervermögen Klimaschutz ist eines der zentralen Projekte der Koalition von CDU und SPD. Es soll die Investitionen ermöglichen, die aus dem normalen Haushalt nicht darstellbar sind. Die Spitzen von CDU und SPD wurden von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) am Donnerstag nach der Abgeordnetenhaus-Sitzung über die neue Situation informiert.

Die Lage ist ernst. So hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stark darauf gesetzt, die im Haushalt nicht vorgesehenen Sanierung der maroden Dienststellen von Polizei und Feuerwehr maßgeblich aus dem Sondervermögen bezahlen zu können. Auch andere Investitionen hatte Schwarz-Rot vom Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben.

Das Gesetz zum Sondervermögen zu reparieren, würde zu lange dauern

Die Gutachter halten zwar grundsätzlich ein Sondervermögen für möglich. Um es rechtssicher zu gestalten, müsste der vorliegende Gesetzentwurf aber stark überarbeitet oder gleich durch einen neuen Text ersetzt werden. Das würde so lange dauern, dass das aufgenommene Geld kaum noch wie nun verlangt noch in diesem Jahr auch ausgegeben werden könnte.

Im Regierungsbündnis geht man nun davon aus, dass man trotzdem Schulden für Klimaschutzinvestitionen aufnehmen darf. Dies werde jetzt aber schwieriger, hieß es. Ein Weg könnte sein, Landesunternehmen mit mehr Kapital auszustatten und sie die gewünschten Projekte umsetzen zu lassen. Solche Konstruktionen sind auch unter der geltenden Schuldenbremse möglich. Gerade am Donnerstag hatte das Abgeordnetenhaus die Beratungen über einen Nachtragshaushalt aufgenommen. Dabei geht es um neue Schulden in Höhe von knapp 1,3 Milliarden Euro für den Rückkauf der Berliner Fernwärme und den Ausbau des Stromnetzes.

Franziska Giffey will statt Sondervermögen ein „Transformationspaket“

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sagte am Freitag, für die „notwendigen Investitionen in effiziente Gebäude, erneuerbare Energien, die Mobilitätswende und die Transformation der Wirtschaft müssten nun andere Finanzierungswege“ gefunden werden. „Ich schlage dafür ein Transformationspaket vor, das solche Zukunftsinvestitionen ermöglicht“, so die noch amtierende SPD-Landesvorsitzende. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sagte, auf Basis des Gutachtens „werden wir Mittel und Wege für die notwendigen Investitionen zur Zukunft der Stadt sicherstellen“. Im März soll es dazu eine Expertenanhörung im Hauptausschuss geben.

Ein weiterer Nachtragshaushalt könnte eine Alternative zum Sondervermögen sein

Als Alternative zum Sondervermögen wird nun über einen weiteren Nachtragshaushalt nachgedacht. Dieser könnte Ende April vom Senat beschlossen und Ende Juni vom Abgeordnetenhaus abgestimmt werden. Der aus Schulden gespeiste Haushaltstitel müsste zunächst gesperrt werden, bis der Hauptausschuss des Parlaments die darin vorgesehenen Projekte prüft und das Geld dann jeweils freigibt. So könnte man doch noch Tempo in den Abfluss der Mittel bekommen, wenn es auch als unrealistisch gilt, auf diesem Wege die beabsichtigte erste Tranche von fünf Milliarden Euro bis Ende der Legislaturperiode 2026 auszugeben.

Die Opposition möchte an diesen Debatten beteiligt werden. Die Grünen warnen davor, dass nun notwendige Investitionen ganz unterbleiben könnten. „Vor dem Hintergrund der unaufgelösten Sparvorgaben besteht jetzt akut die Gefahr, dass auch der Klimaschutz bei Schwarz-Rot auf der Strecke bleibt“, warnte Fraktionschefin Bettina Jarasch.

Grüne und Linke fordern erneut, die Schuldenbremse abzuschaffen

Grüne und Linke forderten den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf, diese Position in der Union durchzusetzen. „Mit der Schuldenbremse werden notwendige staatliche Investitionen in öffentliche Infrastrukturen und in wichtige Maßnahmen gegen die Klimakrise verhindert. Sie gehört abgeschafft“, sagte die Linken-Fraktionschefs Anne Helm und Carsten Schatz. Mindestens müsse sie aber „so reformiert werden, dass auch längerfristige Maßnahmen finanziert werden“ könnten.