Ich habe ein Kaffeeproblem. Jeden Tag im Büro trinke ich zwei Cappuccino to go mit Hafermilch – aus Einwegbechern. Dabei stehen in meinem Küchenregal drei Mehrwegbecher. Und das Café um die Ecke gibt selbst auch Pfandbecher aus.

Aus meiner Steckdose kommt Ökostrom, ich verzichte auf ein Auto und auf Schnitzel, und die CO2-Emissionen meines letzten Langstreckenflugs habe ich kompensiert: 131 Euro habe ich für Umweltschutzprojekte gespendet, für den Hin- und Rückflug nach Manila.

Wieso stauben also ausgerechnet die Kaffeebecher zu Hause ein? Warum fällt es mir so schwer, dem Pappbecher zu entsagen, obwohl ich eigentlich perfekt ausgerüstet bin – und mein Umweltbewusstsein mich sonst auch nicht im Stich lässt? 

Bei vielen Menschen klaffen, so wie bei mir, Umweltbewusstsein (vorhanden) und Ökobilanz (geht so) auseinander. Der Soziologe Peter Preisendörfer nennt Menschen wie mich Umweltrhetoriker. Ich denke bei dem Begriff an Leute, die mit dem SUV zum Biomarkt fahren. Andererseits: Auch nicht jeder Christ, der von sich sagt, gläubig zu sein, geht sonntags in die Kirche. Widersprüche zwischen den Einstellungen einer Person einerseits und ihrem konkreten Handeln andererseits kennt die Psychologie aus vielen Lebensbereichen – nicht nur von Umweltrhetorikern.

Um herauszufinden, warum ich meine Mehrwegbecher nicht benutze, rufe ich Florian Kaiser an. Er ist Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg und erforscht, warum sich Menschen umweltschützend verhalten – oder auch nicht. Ich schildere ihm mein Problem und dass es mich ärgert, die Becher immer wieder zu vergessen. "Bin ich vielleicht einfach zu faul?", frage ich ihn. "Oder funktioniere ich morgens auf Autopilot und packe deshalb keinen meiner drei Becher ein, wenn ich das Haus verlasse?"

Beim Wort "Autopilot" bleibt Florian Kaiser hängen. "Einige meiner Kollegen würden Ihr Verhalten sicher mit der Macht von Gewohnheiten erklären", sagt er. Aber es könne Tausende Gründe geben, warum ich die Becher nicht mitnehme. "Vielleicht befürchten Sie, dass Sie Ihren Becher im Büro vergessen. Oder Sie mögen nicht, wie er in der Hand liegt. Oder Sie haben keine Lust, den Pfandbecher wieder zurückzubringen." Jedes Verhalten gehe mit bestimmten Kosten einher, sagt Kaiser, und zwar nicht nur finanziellen Kosten. Wenn ich mein Verhalten ändern wollte, würde ich dafür zum Beispiel mit einem Verlust an Bequemlichkeit bezahlen. Und dann ergänzt er einen Satz, der ein bisschen an meiner Öko-Ehre kratzt. "In letzter Konsequenz heißt das: Ihre Motivation, den umweltfreundlichen Becher zu benutzen, ist nicht hoch genug, um die Verhaltenskosten des Bechers in Kauf zu nehmen."

Es ist mir also einfach zu anstrengend? Mein Umweltbewusstsein doch niedriger, als ich es mir eingestehe? Tatsächlich habe ich mir bis heute keinen Zettel "BECHER EINPACKEN!!!" an die Wohnungstür geklebt oder mir eine Erinnerung ins Handy gespeichert. Schon das An-ihn-Denken ist mir offenbar zu viel.

Das wäre eine schlechte Nachricht, nicht nur für mich, sondern für alle, die in den vergangenen Jahren in bunte Mehrwegbecher investiert haben, fest entschlossen, sich ihre Dosis Koffein künftig etwa in einen KeepCup für zwölf Euro oder einen schwarzen Porzellanbecher für 59 Euro abfüllen zu lassen. Und sich damit als Vorreiter einer Bewegung wähnten.

Viele Läden zogen mit: Starbucks, Tchibo und sogar McDonald's geben inzwischen einen Rabatt auf den Kaffee zum Mitnehmen, wenn man seinen eigenen Becher mitbringt. Außerdem entstanden in den vergangenen Jahren in vielen deutschen Städten Pfandsysteme für Kaffeebecher. Sie funktionieren so: Wer ein Getränk to go bestellt, kann in einem teilnehmenden Café gegen Pfand einen Becher ausleihen – und ihn später nicht nur dort, sondern auch in der ebenfalls teilnehmenden Bäckerei eine Straße weiter zurückgeben. Dort wird er gespült und wartet auf die nächste Kundin. Es ist günstiger und bequemer geworden, sich umweltfreundlich zu verhalten. Aber nicht bequem genug für mich – und für viele andere auch nicht.