Hamburgs Sportsenator Michael Neumann spricht im Gespräch mit dem Abendblatt über eine mögliche Olympia-Bewerbung Hamburgs, die sportliche Situation in der Hansestadt und seine Ziele.

Hamburg. Michael Neumann, 43, ist ein sportlicher Sportsenator. Vor dem Marathon im April lief er das Zehntel, im August wird er sich wieder bei den Cyclassics über 55 Kilometer in den Sattel seines Rennrades setzen und beim Triathlon ist er in der Staffel dabei. Auch beim Thema Olympia setzt der SPD-Politiker bei der Halbzeitbilanz seiner Amtszeit auf einen langen Atem. Vor einer Entscheidung über eine erneute Bewerbung Hamburgs will er aber die Bevölkerung abstimmen lassen: „Solch ein Großprojekt hat ohne die breite Unterstützung der Menschen in dieser Stadt keine Chance.“

Hamburger Abendblatt: Herr Neumann, eine erneute Hamburger Olympiabewerbung ist seit Ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren ein sportpolitisches Dauerthema in der Stadt. Klären Sie uns bitte auf, wann erhält Hamburg endlich den Olympiazuschlag?

Michael Neumann: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Stadt München stehen jetzt vor der Frage, ob sie sich erneut für die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 bewerben. Von dieser Entscheidung und dem späteren Ergebnis der Bewerbung hängt eine erfolgreiche deutsche Kandidatur für Sommerspiele ab. Richtet München 2022 Winterspiele aus, wären Sommerspiele in Deutschland wohl frühestens im Jahr 2032 möglich.

Hamburg muss sich offenbar gedulden und kann sich also auf das Lob, das es zuletzt für seine Sportpolitik und den Olympiaempfang im vergangenen August vom DOSB erhielt, nichts kaufen. Fühlen Sie sich vom Sportbund und seinen Repräsentanten benutzt, um Städte wie München oder Berlin auf Trab zu bringen?

Neumann: Die Zusammenarbeit Hamburgs mit dem DOSB und anderen Sportverbänden ist so gut wie lange nicht mehr. Unser langfristig angelegtes Sportkonzept, die Dekadenstrategie, erntet sehr viel Sympathie und Interesse wie auch unser innovatives Projekt ParkSport, das man jetzt bei der Gartenschau in Wilhelmsburg erleben kann. Es wird den Sport wieder in die Grünanlagen zurück bringen. Da sind wir in Deutschland ganz weit vorne.

Sind diese Argumente schlagkräftig genug, um einen Konkurrenten um Sommerspiele wie Berlin auszustechen?

Neumann: Wenn es an der Zeit ist, wird Hamburg entscheiden, ob es sich um Olympia bewerben will. Wenn man so will, sind wir im Trainingslager für große nationale und internationale Wettbewerbe. Ich weiß aber, dass Hamburg das Potenzial hat, jede große Veranstaltung ausrichten zu können.

Dass Olympia immer teurer wird, 2012 in London allein die Sicherheitsmaßnamen mehr als zwei Milliarden Euro kosteten, schreckt Sie nicht? Ist es für eine Stadt überhaupt noch sinnvoll und verantwortbar, Olympische Spiele durchzuführen?

Neumann: Diese Frage müssen die Bundespolitik in Berlin und vor allem der Sport beantworten. Sind Olympische Spiele gewollt, werden wir in Hamburg darüber nachdenken und entscheiden, ob wir sie auch wollen.

Und: Wollen Sie Olympia?

Neumann: Wenn man sich erfolgreich um die Olympischen Spiele bewerben möchte, kann das nur im Einvernehmen mit den Hamburgern gehen. Sonst kann eine Stadt ein derartiges Vorhaben nicht stemmen. Deshalb fordert der DOSB von den Bewerberstädten als wichtigsten Beleg für ihre Ambitionen eine breite Unterstützung der Bevölkerung. Hamburg ist ja die Stadt der Volksentscheide, und ich halte es für richtig, sollte es dazu kommen, die Hamburger bei einer Entscheidung über Olympia einzubinden.

Bis dahin bleiben uns Dekadenstrategie und Zukunftskommission. Der Bürger kann mit diesen Begriffen bislang wenig anfangen. Welchen Nutzen hat der Hamburger von der Dekadenstrategie?

Neumann: Sport ist mit der von der Zukunftskommission entwickelten Dekadenstrategie als Thema in der Hamburger Politik in die erste Liga aufgestiegen und wird vom Senat und vom Ersten Bürgermeister als zentral angesehen. Deshalb war es auch möglich, im Rahmen des Schulbauprogrammes 75 Millionen Euro in den Neu- und Ausbau von Sporthallen zu investieren. Kein Senat hat mehr in den Sport investiert als wir. Sport hat für die Gesundheit und das Lebensgefühl der Hamburger eine herausragende Bedeutung. Hinzu kommt die Steigerung der Attraktivität durch Großveranstaltungen sowie die Verbesserung der Sportangebote in den Bezirken und die Kooperation von Vereinen mit den Ganztagsschulen.

An der hapert es jedoch nach wie vor. Derzeit sind nur sieben der 797 Hamburger Sportvereine an 30 Standorten Partner einer der 203 Grundschulen.

Neumann: Gerade das greift die Dekadenstrategie auf. Wir müssen die Vereine gemeinsam mit dem Hamburger Sportbund (HSB) fit machen, damit sie in diesem Bereich noch mehr Verantwortung übernehmen können und wollen. Damit sie organisatorisch und betriebswirtschaftlich diese wichtige Aufgabe als Chance begreifen und erfolgreich betreiben können. Im Vergleich mit anderen Bundesländern stehen die Hamburger Vereine gut da. Das ändert nichts daran, dass hier noch Luft nach oben ist. Wir müssen noch mehr Vereine ermutigen, auf diesem Gebiet tätig zu werden. Es gibt schließlich für junge Menschen nichts Besseres als Sport.

Dazu braucht die Stadt ausreichend viele Sportplätze. Aber gerade diese Flächen sind derzeit in Hamburg hoch begehrt, um neue Wohnungen bauen zu können. Wie lösen Sie diesen Konflikt?

Neumann: Indem man sich die Situation vor Ort genau anschaut und bauliche Kompromisse findet. Auf Kunstrasenplätzen können zum Beispiel mehr Mannschaften häufiger spielen und öfter trainieren als auf Grand- oder Naturrasenplätzen.

Da werden sich die Anwohner freuen. Die Lärmschutzbestimmungen schränken aber bereits heute den Sportbetrieb in Hamburg maßgeblich ein.

Neumann: Wenn abends und am Wochenende kein Sport getrieben werden kann, ist das aus Sicht eines Sportsenators natürlich Irrsinn. Deshalb müssen wir auf Bundesebene weiter dafür werben, dass wir Sportstätten ähnlich „privilegieren“ wie Kindertagesstätten was die „Lärmemission“ betrifft. Das Schwierige für uns auf Bundesebene ist nur, dass Stadtstaaten andere Probleme als Flächenländer haben. Mein bayerischer Ministerkollege sagt in diesem Fall immer, ,,dann bauen wir eben einen Sportplatz am Dorfrand“. Den gibt es in Hamburg nicht. Sportplätze müssen vor Ort zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein. In Lurup nutzt es niemandem, wenn in Bergedorf eine neue Sportfläche entsteht. Deshalb brauchen wir für den Sport andere Lärmschutzregelungen. Ich fürchte aber, es wird noch einige Zeit dauern, bis sich diese Einsicht bei allen meinen Kollegen durchgesetzt hat.

Und bis dahin gehen Sportflächen ersatzlos für den Wohnungsbau verloren?

Neumann: Nein. Aber: Eine Sportfläche, die einmal weg ist, ist für immer weg. Schon jetzt gibt es in Hamburg immer weniger 400-Meter-Rundlaufbahnen. Das ist für die klassische Leichtathletik bereits ein Problem.

Dafür wird die Stadt immer öfter zum Stadion. Welche zusätzlichen Großveranstaltungen wollen Sie in den nächsten Jahren durchführen?

Neumann: Wir arbeiten verstärkt an dem Thema Wassersport, beginnend im vergangenen Jahr mit dem kombinierten Ruder- und Schwimmevent auf der Binnenalster. Wir wollen künftig auch stärker in die sieben Bezirke gehen, weil die Innenstadt doch belastet ist, nicht nur durch Sportveranstaltungen. Der Beachvolleyball-Supercup im Juni in Harburg ist ein gelungener Anfang.

Die bisherigen Großveranstaltungen ziehen ihre Attraktivität aber gerade aus dem Umstand, dass sie mitten in der Stadt stattfinden.

Neumann: Sicherlich, die Alster haben wir nur einmal in Hamburg. Aber auch die Cyclassics und der Marathon führen nicht nur durch die City. Der Harburg Channel ist ein ebenso attraktiver Veranstaltungsort wie die Blumenhalle in Wilhelmsburg, wo im nächsten Jahr vielleicht sogar erstklassiger Basketball gespielt werden wird. Die Stadt hat sich den Sprung über die Elbe zum Ziel gesetzt, und nichts spricht dagegen, dass der Sport da mitspringt – ja der Sport hier sogar Trendsetter ist.

Die Hamburger Bevölkerung tut sich mit dem Sprung über die Elbe jedoch schwer.

Neumann: Wenn es dort attraktive Angebote gibt, werden viele Menschen entdecken, welche Perlen wir mit Wilhelmsburg und Harburg haben. Der Sport kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Glauben Sie bitte jemandem, der aus Horn kommt: Es ist unglaublich leicht, einen Stadtteil auch medial zu problematisieren und zu stigmatisieren, ungleich mühsamer ist es, ihn wieder nach vorne zu bringen. Der Aufgabe stellen wir uns.

Sie wollen neue Veranstaltungen nach Hamburg holen. Denken Sie dabei auch an Welt- und Europameisterschaften?

Neumann: Ich denke dabei vor allem an die Steuerzahler. Ich bin nicht bereit, auf manches Wettrennen um den Zuschlag internationaler Meisterschaften aufzuspringen. Da wurden in der Vergangenheit wahnsinnige Preise von den internationalen Verbänden aufgerufen. Da können und wollen wir nicht mitmachen. Das ist gegenüber dem Steuerzahler nicht zu verantworten. Eine EM oder WM, die zum Hamburger Profil passt und die die Verbände gern in Hamburg ausrichten wollen, weil sie um die Attraktivität der Stadt und die Sportbegeisterung der Bevölkerung wissen, ist uns jederzeit willkommen.

Die Innenbehörde soll in diesem Jahr 23 Millionen Euro einsparen. In wieweit ist der Sport davon betroffen?

Neumann: In der Innen- und Sportbehörde wird nichts eingespart. Die Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst wirkt sich jedoch auch auf meinen Haushalt aus. Die Zuwendungen an den HSB sind für 2013 und 2014 im Haushalt abgesichert. Da muss sich niemand sorgen.

Der Sport hatte gehofft, durch seinen Anteil an der Kultur- und Tourismustaxe größeren finanziellen Spielraum für das Akquirieren neuer Großveranstaltungen zu erhalten. Nun fallen die Einnahmen aus der „Bettensteuer“ weit spärlicher aus als erhofft. Was nun?

Neumann: Es hängt nicht immer alles am Geld. Hamburg ist als Sportstandort äußerst attraktiv. Das haben wieder einmal die 750.000 Zuschauer gezeigt, die beim Marathon für eine Traumathmosphäre gesorgt haben. Nur der Sport bringt solche Massen in Bewegung. In Richtung der Veranstalter sage ich deshalb: Wir sind gerne bereit, Events finanziell anzuschieben, Ausfallbürgschaften bereitzustellen. Hier hilft uns die Kultur-, Tourismus- und Sportabgabe. Dauersubventionstatbestände sind in Hamburg allerdings nicht zu erwarten. Dass es auch ganz ohne Zuschüsse der Stadt geht, zeigt der E.on-Hanse-Cup mit Rudern und Freiwasserschwimmen auf der Binnenalster.

Vereine und Verbänden außerhalb des Fußballs fällt es immer schwerer, den Leistungssport zu finanzieren, weil ihnen zunehmend die Sponsoren abhandenkommen. Eine Sportstadt wie Hamburg sollte aber daran Interesse zeigen, die Vielfalt des Sportbetriebs aufrechtzuerhalten.

Neumann: Wirtschaftssenator Frank Horch und ich als erster Lobbyist des Hamburger Sports unterstützen Vereine und Verbände bei Sponsorengesprächen. Wir liefern gemeinsam Unternehmen Argumente für ein sportliches Engagement in Hamburg. Es ist aber eine Herkulesaufgabe gegen den Fußball anzukommen, der in Deutschland medial und ökonomisch alles beherrscht und den anderen Sportarten kaum noch Platz lässt. Dabei müssen sich Sportarten auch verändern, sich dem Zeitgeist anpassen, schneller und planbarer werden, um konkurrieren zu können. Was wir in Hamburg tun können, und daran arbeiten wir, ist, eine mediale Plattform für Vereine, Verbände und Veranstaltungen zu schaffen. Das wird im ersten Schritt nicht das Fernsehen sein, sondern das Internet. Denn das Fernsehen, wie wir es heute noch kennen, wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben.

Sie sind jetzt zwei Jahre als Sportsenator im Amt. Was haben Sie sich für die zweite Halbzeit der Legislaturperiode vorgenommen?

Neumann: Wir werden die Infrastruktur für den Hamburger Sport weiter verbessern und den Vereinen helfen, neue Aufgaben und Herausforderungen schultern zu können. Wir werden in Zusammenarbeit mit den Bezirken das Konzept des ParkSports auf weitere Grünanlagen übertragen. Die nächste könnte der Volkspark sein. ParkSport und die Campuspläne des HSV ergänzen sich mehr als sinnvoll. Und persönlich freue ich mich 2014 auf die Ruder-WM der Junioren. Sie wird Hamburgs Ruf als Sportstadt international weiter festigen.