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„Auf den DFB lässt sich trefflich einprügeln“

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Spricht Klartext: DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge.
Spricht Klartext: DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge. © Thomas Boecker/DFB

Schatzmeister Stephan Osnabrügge über die Präsidentensuche ohne Headhunter, den Streit in der Verbandsspitze und die angespannte Finanzlage.

Am kommenden Wochenende treffen sich im Hamburger Lindner Hotel am Michel die Präsidenten der 21 Landersverbände des Deutschen Fußball-Bundes zu wegweisenden Sitzungen. Es geht darum, die Kandidatenliste für die Wahl zum neuen DFB-Präsidenten (oder einer Präsidentin) zu sichten und lichten. Auch ein neuer Schatzmeister muss gefunden werden. Der aktuelle Finanzchef Stephan Osnabrügge erklärt, was im Verband gerade vor sich geht.

Herr Osnabrügge, Sie galten intern als kompetenter Kandidat für das Präsidentenamt im DFB. Nun wollen Sie sich den Verband aber mit Rücksicht auf Ihr Privat- und Berufsleben als Anwalt nicht mehr antun. Wer soll sich das denn antun? Jemand, der sich gerne selber quält?

Interessanter Ansatz (lacht). Aber ernsthaft: Der DFB ist ein großartiger Verband mit Wirkmacht und vielen, vielen hochmotivierten Menschen. Es ist keine Last, sondern eine Ehre, ihn zu führen.

Aber nicht für Sie?

Ich selber war an der missglückten Auswahl des letzten Präsidenten beteiligt und bin in den nachfolgenden Auseinandersetzungen zwischen die Fronten geraten, weil ich Wert darauf gelegt habe, dass man so nicht mit Menschen umgehen darf, wie dies geschah. Hierfür trage und übernehme ich Verantwortung.

Das heißt, selbst wenn Sie gefragt würden, würden Sie nicht als Kandidat zur Verfügung stehen?

Man muss sich doch schon die Frage stellen, ob man mit der Historie, die man im DFB hat, dem Verband guttun würde. Ich für mich bin der Auffassung, dass ich aufgrund der Beteiligung an den Geschehnissen der vergangenen zwei Jahre dem Verband nicht guttun würde.

Der SPD-Politiker und Chef des Fußball-Verbandes Mittelrhein, Bernd Neuendorf, gilt jetzt als Favorit. Kann Neuendorf DFB-Präsident?

Ich schätze Bernd Neuendorf persönlich außerordentlich aufgrund seiner hohen sozialen Kompetenz, seiner ruhigen, analytischen Art und seiner Führungskraft. Zudem hat er als Staatssekretär viel Erfahrung im Umgang mit der Führung großer Häuser. Für mich wäre er ein absolut denkbarer Kandidat.

Man konnte in Medien lesen, dass Sie persönlich Interesse hätten, dass Neuendorf DFB-Präsident wird, damit Sie ihm als Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein nachfolgen können. Was ist da dran?

Welch großartige Verschwörungstheorie! Aber ich kann Ihnen versichern: Auch im Mittelrhein werden die Ämter nicht am Stammtisch vergeben, sondern demokratisch gewählt. Ich persönlich bin ganz bestimmt nicht auf der Suche nach Jobs im Fußball. Und ich gehöre definitiv nicht zu den Strippenziehern, die irgendwen aus Eigeninteresse pushen.

Die letzten vier Präsidenten Zwanziger, Niersbach, Grindel und Keller sind allesamt zurückgetreten. Zwanzigers Vorgänger Mayer-Vorfelder wurde aus dem Amt gedrängt. Der DFB schafft seine Präsidenten, einen nach dem anderen. Warum?

Reinhard Grindel hat eigenverantwortlich aus einem Compliance-Vorfall die richtigen Konsequenzen gezogen. Fritz Keller war nicht bereit, die Rolle zu übernehmen, die sich aus der aktuellen Satzung für den Präsidenten ergibt und auf die wir alle – einschließlich Fritz – uns geeinigt hatten. Was daran für die Zukunft geändert werden muss, müssen wir dringend kritisch diskutieren, damit das Gebilde stabiler wird. Ich fände es aber keine gute Idee, wollte man jetzt den DFB zurückdrehen um 40 Jahre hin zu einer Konstruktion, in der beispielsweise der Bundestrainer vorher zum Präsidenten nach Hause reisen müsste, ehe er den Kader bekanntgibt.

Wird die geplante Strukturreform mit der Aufteilung der Geschäfte – auf eine DFB-GmbH mit einem Geschäftsführer an der Spitze für das professionelle Geschäft sowie den Verband mit einem künftigen Präsidenten an der Spitze für die Amateure – wie geplant bis zum 1. Januar 2022 umgesetzt werden?

Ja. Wir sind auf der Zielgeraden, allerdings wird die Gesellschaft eine GmbH & Co. KG sein.

Wer wird Geschäftsführer?

Wir reden zunächst über Strukturen und erst dann über Personalien.

Streben Sie an, selbst diese Position zu übernehmen?

Nein.

Was muss ein neues DFB-Oberhaupt vor allem können?

Aus meiner Sicht muss ein Präsident oder eine Präsidentin vor allem den Verband verstehen, auch wenn man dazu ganz sicher nicht 50 Jahre Verbandserfahrung haben muss. Er oder sie muss das berechtigte Vertrauen darauf haben, dass unser Hauptamt professionell und engagiert arbeitet. Er oder sie muss zum Verband stehen und sich vor den Verband stellen. Und er oder sie muss bereit sein, als Präsident dem Amt zu dienen und nicht dem eigenen Ego.

Der letzte Präsident Fritz Keller, auf den Sie hier sicher auch ansprechen, wurde unter Zuhilfenahme einer teuren Unternehmensberatung gefunden. Läuft das jetzt wieder so?

Ich habe niemand persönlich gemeint. Auf den Prozess unter Einbeziehung einer Personalagentur hatten wir uns damals im Präsidium alle einvernehmlich verständigt. Niemand in diesem Verfahren, weder die Personalagentur selber, noch die Vertreter der Deutschen Fußball Liga und auch wir vom DFB haben dabei erkannt, dass die Erwartung Fritz Kellers offensichtlich nicht zur Realität und zum Verband passte. Und die Realität im Verband nicht zu Fritz Keller. Der Weg war wenig erfolgreich, deshalb habe ich noch niemanden gehört, der gesagt hätte, dass wir ihn wiederholen sollten.

Keller wurde auch von der DFL durchgedrückt, die ihre Machtposition mit dieser Personalie stärken wollte. War es ein Fehler aus Sicht des DFB, dass man sich zu sehr der DFL unterworfen hat?

Ich sehe nicht, dass sich bei der Personalsuche irgendwer irgendwem unterworfen hätte. Fritz Keller wurde von niemandem „durchgedrückt“. Wir haben uns alle einvernehmlich für diese Personalie entschieden, und gewählt wurde er einstimmig auf dem Bundestag. Der Fehler bestand schlicht darin, dass die Rolle und die Erwartungshaltung nicht zusammenpassten. Und dass wir alle, auch er, dies nicht erkannt haben.

Die Übergangschefs Rainer Koch und Peter Peters sind sich spinnefeind. Die Außenwirkung und die nach innen hin zu den frustrierten Mitarbeitern ist fatal. Stimmen Sie zu?

Ich kann Ihre Beobachtung nicht bestätigen. Weder, was das Verhältnis von Koch und Peters angeht, noch bezogen auf die angeblich „frustrierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Medienberichte, vielleicht gefüttert aus persönlichen Interessen, machen keine Realität.

Was ist die Realität, wie Sie sie wahrnehmen?

Die Realität findet im Fußball auf dem Platz und bei uns in den Sitzungen und in der Zusammenarbeit statt. Und da laufen die Dinge durchaus konstruktiv. Ob Sie es glauben oder nicht: Wir arbeiten unaufgeregt und sachorientiert. Dass Sachfragen auch einmal kontrovers diskutiert werden, ist nicht negativ oder fatal, sondern aus meiner Sicht positiv. Wir kommen dadurch zu besseren Ergebnissen, die im Übrigen nahezu ausnahmslos einstimmig verabschiedet werden. Es fragt sich: Wer hat denn da ein Interesse, die These von Chaos, Feindschaft und Uneinigkeit zu streuen?

Der Eindruck entstand natürlich unter anderem auch, weil, kaum als die beiden Interimschefs wurden, Rainer Koch ein kritisches Interview kontra DFL gab, und eine Woche später Peter Peters den Aussagen in diesem Interview vehement widersprochen hat.

Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Peter Peters vertritt hochengagiert die Interessen der DFL, Rainer Koch hochengagiert die der Amateure. Der Ausgleich dieser Interessen funktioniert gut.

Peter Peters würde gerne DFB-Präsident werden. Halten Sie ihn für geeignet?

Ich habe von ihm noch nicht gehört, dass er DFB-Präsident werden möchte. Ungeachtet dessen bin ich der Auffassung, dass der- oder diejenige, der oder die Präsident oder Präsidentin wird, Vertrauen aus dem Amateurlager haben muss. Ansonsten wäre der Start erheblich beeinträchtigt.

Warum hat der DFB das Angebot von Transparency-International-Sportchefin Sylvia Schenk nicht angenommen, interimistisch den Verband in ruhigere Fahrwasser zu führen?

Mich hat ein solches Angebot nicht erreicht.

Sie bekommen doch jeden Tag den Pressespiegel. Da stand es drin.

Sie unterstellen, dass ich den Pressespiegel jeden Tag lese (lacht). Aber ja, Frau Schenk hat nach meiner Kenntnis ihre Bereitschaft Medien gegenüber geäußert. Was wir allerdings brauchen, ist mehr Kommunikation miteinander in der Fußballfamilie und nicht mehr Gerede übereinander. Das wäre also schon einmal ein schwieriger Anfang gewesen, sollte es ein solches Angebot gegeben haben. Es scheint aber auch viel Halbwissen zu geben: Satzungsgemäß ist nämlich eindeutig geregelt, wer interimistisch den Verband führt. Und genau so wird es auch gelebt. Der Verband ist in der internen Realität in erheblich ruhigeren Fahrwassern, als so mancher dies wahrscheinlich gerne hätte.

Aus Berliner Klubs kommt der Vorschlag, völlig neue Wege zu gehen und den Präsidenten oder die Präsidentin durch Urwahl aller sieben Millionen Mitglieder zu finden und so mehr Akzeptanz zu bekommen und Hinterzimmerabsprachen zu vermeiden. Die Satzung ließe das doch zu. Was spricht denn dagegen?

Unsere Satzung sieht eine solche Direktwahl durch die Mitglieder unserer Mitgliedsverbände nicht vor. Das hat nichts mit Hinterzimmerabsprachen zu tun. Mitglieder des DFB sind die 21 Landesverbände und fünf Regionalverbände, die ihrerseits mit Delegierten vertreten sind, unter anderem aus den rund 24 300 Vereinen.

Können Sie das Ansinnen dennoch verstehen nach all dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist?

Ich finde, das ist eine positive Äußerung. Denn sie zeigt ja, dass der DFB den Menschen am Herzen liegt. Unter diesem Aspekt müssen wir das sehr ernst nehmen und es schaffen, den DFB wieder zu dem zu machen, was er eigentlich sein soll, nämlich Leuchtturm in der Gesellschaft.

Es hat sich eine verbandskritische Frauengruppe mit Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus an der Spitze formiert, die in der Initiative „Fußball kann mehr“ für Reformen und mehr weibliche Beteiligung eintritt. Was halten Sie davon?

Ich bin ein großer Freund von mehr weiblicher Beteiligung. Es wäre absolut wünschenswert, die Repräsentanz von Frauen im Fußball deutlich zu stärken, auch deutlich über das Verhältnis von aktiven weiblichen zu aktiven männlichen Fußballern hinaus, das in etwa eins zu zehn beträgt. Der DFB arbeitet hieran seit mehreren Jahren insbesondere durch seine Leadership-Programmee, die jetzt schon Wirkung bis in die Spitzen der Landesverbände hinein zeigen. Wir reden hier allerdings über das Amt des Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes.

Zu groß für eine Frau?

Für dieses Amt, das für den gesamten deutschen Fußball herausgehobene Bedeutung hat, darf ausschließlich Kompetenz entscheidend sind, nicht Geschlecht. Denn ein Geschlecht alleine vermittelt keine Kompetenz. Mich macht es sehr nachdenklich, wenn jemand von außen kommt, den Verband nicht kennt, keine Anbindung an die Strukturen hat, aber meint, das Präsidentenamt sei gerade gut genug.

Können Sie sich eine Doppelspitze aus Mann und Frau vorstellen oder sogar gut finden?

Unsere Satzung sieht eine solche Doppelspitze nicht vor.

Die gab es aber schon zwischen 2004 und 2006 mit Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger. Man muss es wohl nur wollen. Bitte nicht immer nur hinter der Satzung verstecken, Herr Osnabrügge.

Wir brauchen Kompetenz und Ruhe, nicht eine Erhöhung der Komplexität als Selbstzweck. Ich sehe in einer Doppelspitze, für die wie damals auch noch die Satzung geändert werden müsste, keinen Mehrwert.

Wenn man bei den Grünen schaut: Da hat die Doppelspitze Baerbock/Habeck nicht so schlecht funktioniert. Das ist ja kein Selbstzweck, sondern eine Botschaft an die Gesellschaft.

Ich glaube, die Botschaft an die Gesellschaft sollte sein, dass es dem DFB gelingt, in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Wenn es am Ende so wäre, dass man zwei gleichgeeignete Menschen findet, und dann über eine Doppelspitze nachdenkt, gerne. Aber es scheint schon schwer genug, einen einzigen geeigneten Menschen zu finden.

Herr Osnabrügge, Sie haben mehrfach gewarnt, der DFB müsse zurückhaltend haushalten. Wie geht es dem Verband finanziell? Die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr liegen doch sicher vor.

Der DFB hat im Jahre 2020 einen Überschuss nach Steuern von rund zwei Millionen Euro erwirtschaften können, und zwar trotz erheblicher coronabedingter Auswirkungen. Und trotz der Tatsache, dass wir unsere Landesverbände in diesen schweren Zeiten statt mit zwölf Millionen Euro im Jahre 2020 mit 15,5 Millionen Euro unterstützt haben. Der Überschuss fließt fast vollständig in die Fluthilfe für unsere betroffenen Vereine. Dem ganzen Haus ist es in den letzten Jahren gelungen, die Finanzen zu stabilisieren, trotz erheblicher Mehrausgaben. Dies ist vor allem auch das Ergebnis zurückhaltenden Haushaltens.

Was heißt das für die Zukunft?

Der Neubau, unser DFB-Campus, wird mit Abschreibungen und zusätzlichen Betriebskosten erhebliche Zusatzbelastungen ab 2022 bringen. Darüber hinaus wissen wir heute schon, dass wir mit dem Finanzamt eine rechtliche Auseinandersetzung über die steuerliche Behandlung des Grundlagenvertrages werden führen müssen. Perspektivisch müssen wir möglicherweise bereits ab 2022 rund sieben Millionen Steuern pro Jahr mehr auf die Pacht der DFL zahlen. Wir sehen das rechtlich anders, aber das wäre Geld, das für den gemeinnützigen Fußball nicht mehr zur Verfügung stünde. Dies bedeutet aus Gründen der Vorsicht für 2022 zwingend erhebliche weitere Sparbemühungen. Ich fordere seit langem ein: Wir müssen sportpolitisch die Frage stellen, wofür der DFB steht und wofür eben nicht. Wir müssen Schwerpunkte setzen, die wir dann umso kraftvoller verfolgen. Und andere Dinge weglassen.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Wenn wir beispielsweise die zweifelsohne wertvolle Arbeit der Fanprojekte in den Ligen eins, zwei und drei, aber auch bis runter in die Oberligen mit einem stattlichen Millionenbetrag jährlich unterstützen, gleichzeitig aber nicht das Geld haben, um die Talentförderung in der dritten Liga so zu unterstützen, wie wir es für wichtig erachten würden, dann ist das eine Frage der Schwerpunktsetzung. Diese Abwägung muss das Präsidium treffen. Tatsächlich sind solche Entscheidungen in der Vergangenheit schon grundsätzlich getroffen, dann aber in der Einzelfallabwägung nicht umgesetzt worden. Das geht so nicht. Wir haben in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben dazu genommen. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, das gibt der Haushalt nicht mehr her.

Es wurde immer wieder kritisiert, der DFB gebe zu viel Geld für Lustreisen der Funktionäre aus, auch der aus den Landesverbänden, um die bei Laune zu halten. Muss das neu justiert werden?

Es gibt keine Lustreisen. Die Compliance-Richtlinien, die wir haben, sind die striktesten, die ich kenne. Es gibt heute noch nicht einmal mehr Jahresabschlussveranstaltungen, mit denen man Menschen, die sich wieder ein Jahr engagiert haben, ein Stück weit Respekt für ihr Engagement signalisiert. Das ist schon merkwürdig: Intern muss ich mich der Kritik erwehren, dass wir noch nicht einmal mehr mit Augenmaß „danke“ sagen dürfen, extern wird von „Lustreisen“ fantasiert.

Im für den Elitefußball und die Akademie zuständigen Direktorium von Oliver Bierhoff arbeiten inzwischen 190 Leute. Die Landesverbände nehmen das mit Argwohn zur Kenntnis. Es fließe zu viel Geld dort in zu viel Personal. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Ich kann die Kritik nur insoweit nachvollziehen, als die Informationslage für die Kritiker dann offensichtlich unklar ist. Richtig ist, dass in der Direktion von Oliver Bierhoff unter anderem der gesamte Bereich der Talentförderung aufgegangen ist. Der Geschäftsbereich Akademie, den Sie ansprechen, also die eigentliche „Forschung und Entwicklung“, ist verhältnismäßig klein. Richtig ist, dass die Personalzahl im DFB in den vergangenen Jahren insgesamt kontinuierlich gestiegen ist. Dies ist auch den erheblich verschärften Compliance-Bemühungen geschuldet, aber auch neuen Aufgaben an vielen Stellen, ohne dass alte Aufgaben dafür aufgegeben worden wären.

Das klingt so, als rieten Sie dem DFB mit seinen insgesamt rund 500 Mitarbeiter:innen dringend, sich mehr auf den Sport zu konzentrieren.

Das ist sicherlich ein sehr guter Ansatz. Aber das reicht nicht für diese hochkomplexe Organisation. Sie muss möglichst fehlerfrei, risikoarm und im Rahmen aller Gesetze arbeiten. Dafür benötigt man nun einmal auch Personal. Und ich finde, Verantwortung in gesellschaftlichen Fragen zu übernehmen, ist auch wichtig. Das richtige Maß ist entscheidend.

Das zusätzliche Personal bei der A-Nationalmannschaft – zwei neue Positionen als Assistenten von Hansi Flick, dazu Manager Benedikt Höwedes und zusätzliche Scouts – ist von Ihnen kritisch gesehen worden. Warum haben Sie schließlich der dafür nötigen Finanzierung einer siebenstelligen Summe dennoch zugestimmt?

Ihre Prämisse ist falsch. Hansi Flick hat exakt dieselbe Personaldecke wie zuvor Jogi Löw. Es gibt weder zwei neue Assistenzpositionen, noch gibt es einen neuen Manager. Benni Höwedes orientiert sich derzeit beruflich und erhält hierfür keine Vergütung. Sie haben aber recht damit, dass ich in der Funktion als Schatzmeister neue Stellen derzeit ausschließlich bewillige, wenn diese entweder aufwandsneutral sind oder im wirtschaftlichen Bereich zwingend, um Erlöse zu erzielen.

Aber Flick hat doch einen zusätzlichen Assistenten und einen Spezialtrainer für Standardsituationen bekommen. Die gab es unter Löw nicht.

Wir hatten vorher Thomas Schneider mit im Etat, der als Chefscout noch ins Trainerteam zählte. Und es gab und gibt tatsächlich noch mehr Trainer als die, die auf der Bank sitzen. Das Personal im Trainerbereich ist nicht ausgeweitet worden.

Ein neuer Präsident oder eine Präsidentin müsste gemeinsam mit einem neuen Schatzmeister auch den höchst umstrittenen Grundlagenvertrag mit der DFL neu aushandeln, der 2023 endet. Amateurvertreter beklagen, dass statt jährlich sechs Millionen Euro von der Bundesliga bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr von oben nach unten an die Basis fließen müssten. Wie sehen Sie das mit Blick nach vorn?

Vollkommen richtig ist: Der Profifußball hat eine klare Verantwortung für die Amateurbasis. Und er hat auch ein Eigeninteresse. Denn an der Amateurbasis wird die wertvolle Nachwuchsarbeit erbracht, von der alle profitieren. Die Summen, die im aktuellen Grundlagenvertrag noch stehen, müssen selbstverständlich neu verhandelt werden. Das ist ganz eindeutig. Ich teile jedenfalls nicht die von einem DFL-Vertreter öffentlich geäußerte Ansicht, wonach „das Fass leer ist“. Es ist eine Frage von Verantwortung und Verteilung.

Das Verhältnis DFB/DFL ist nahe am Nullpunkt. Im Grunde ist es ein Trümmerfeld. In der öffentlichen Wahrnehmung ist daran alleine der DFB Schuld. Ärgert Sie das?

Wie kommen Sie auf Nullpunkt?

Ist das zu hoch angesetzt? Ist es eher Gefriertemperatur?

Ihre Einschätzung wird durch diese Zahlenspiele nicht richtig (lacht). Tatsächlich arbeiten wir in der derzeitigen DFB-Spitze einschließlich Peter Peters sehr gut und zielorientiert zusammen. Ich kann kein Trümmerfeld erkennen. Die öffentliche Wahrnehmung wird aber scheinbar von denen bestimmt, die wegen ihrer persönlichen Bekanntheit gerne zitiert werden und die sich häufig ohne Sachkenntnis hinstellen und Vorurteile bedienen, ohne die Realität wirklich zu kennen. Auf den DFB lässt sich trefflich einprügeln, da bekommt man jedenfalls Zustimmung.

Im Sommer 2022 soll der rund 150 Millionen Euro teure Campus-Neubau an der alten Frankfurter Galopprennbahn fertig sein. Das ist ein gutes halbes Jahr nach Plan. Wie läuft es auf der Baustelle?

Die Coronakrise hat uns in unserem Zeitplan selbstverständlich geschadet. Auch der Bau war hiervon betroffen. Wir haben nun einen verbindlich vereinbarten neuen Zeitplan in der Hoffnung, dass nicht neue Störungen noch hinzukommen. Danach werden wir Mitte Februar mit der gesamten Verwaltung in den Neubau umziehen. Ich halte das für einen großen Erfolg angesichts der pandemischen Situation. Daher mein Dank an alle, die dies ganz im Verborgenen leisten. Ich für meinen Teil bin stolz darauf, dass dieses riesige Projekt trotz allem so erfolgreich gestemmt wird. Dort entsteht die Zukunft unseres Verbandes.

Bleibt es bei höchstens 150 Millionen Euro Gesamtkosten?

Wir haben einen Generalübernehmer, der viele Risiken vertraglich übernommen hat. Noch bewegen wir uns innerhalb des Budgets. Aber natürlich unterhalten wir uns auch über die Fragen des Risikos Corona. Das war nicht voraussehbar. Vielleicht teilen wir uns den einen oder anderen Schmerz. Wir werden dem DFB-Bundestag am 11. März Bericht erstatten. Ohne Corona wäre der Bau ganz sauber durchgelaufen.

Wird in das alte Gebäude in der Otto-Fleck-Schneise das Organisationskomitee der EM 2024 einziehen?

Wir stehen kurz davor, die Verträge mit der Uefa und der Euro 2024-Organisation abzuzeichnen.

Interview: Jan Christian Müller

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