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Abschuss einer US-Drohne durch Iran Unbemanntes Feind-Objekt

Iran hat eine US-Spionagedrohne abgeschossen. Der Vorfall ist peinlich für Washington. Befürchtet wird, die US-Regierung könnte eine Militäraktion gegen Teheran einleiten - ohne vorher die Zustimmung des Kongresses einzuholen.
Drohne vom Typ RQ-4A "Global Hawk": "Sie wurde abgeschossen, als sie in den iranischen Luftraum eindrang"

Drohne vom Typ RQ-4A "Global Hawk": "Sie wurde abgeschossen, als sie in den iranischen Luftraum eindrang"

Foto: AP Photo/Northrop Grumman via U.S. Navy, Erik Hildebrandt

Mehr als zehn Milliarden US-Dollar hat sich das US-Militär die Entwicklung und den Bau der RQ-4A "Global Hawk" kosten lassen. Seit 20 Jahren ist der Drohnentyp im Einsatz. Nun hat Iran ein Exemplar am Persischen Golf zerstört.

Am frühen Donnerstagmorgen meldeten die iranischen Revolutionswächter (IRGC) den Abschuss einer US-Spionagedrohne. "Sie wurde abgeschossen, als sie in den iranischen Luftraum in der Nähe des Bezirks Kohmobarak in Südiran eindrang", teilten die Revolutionswächter mit.

Die Drohne sei um 0.14 Uhr von einer US-Basis am Persischen Golf abgehoben, habe ihre Transponder abgeschaltet und sei zunächst über den Golf von Oman in Richtung der iranischen Hafenstadt Tschabahar im Südosten des Landes geflogen. Auf dem Rückweg gen Westen habe die "Global Hawk" iranischen Luftraum verletzt und sei um 4.05 Uhr abgeschossen worden.

Streit über den Ort des Abschusses

Die regimenahen Nachrichtenagenturen Tasnim und Fars berichten, die Revolutionswächter hätten die Drohne mit mobilen Luftabwehrraketen vom Typ "Dritter Khordad" vom Himmel geholt. Das System hat eine Reichweite von 105 Kilometern und kann Ziele bis in einer Höhe von mehr als 25 Kilometern treffen. Die unbewaffnete US-Drohne hat eine maximale Flughöhe von rund 19 Kilometern.

Das US-Militär bestätigte den Abschuss. Sprecher Bill Urban sagte, die unbemannte Drohne habe sich - anders als von Teheran behauptet - im internationalen Luftraum über der Straße von Hormus bewegt. Urban zufolge wurde die Drohne ungefähr um 3.35 Uhr Ortszeit abgeschossen - eine halbe Stunde früher als von Teheran angegeben. Die US-Armee nannte den Abschuss einen "grundlosen Angriff".

Bereits im Dezember 2011 hatten die Iraner eine US-Spionagedrohne im Westen Afghanistans abgefangen. Damals war es den Revolutionswächtern offenbar gelungen, die RQ-170 "Sentinel" mit einem Cyberangriff unter ihre Kontrolle zu bringen und zur Landung zu zwingen. Das war nicht nur ein Propagandaerfolg für das iranische Regime, das Spielzeugnachbildungen der Drohne auf den Markt brachte. Die Revolutionswächter schafften es auch, Daten der Drohne zu dekodieren und gelangten so an Geheimdienstinformationen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA.

Vor allem aber bauten die Iraner das "Biest von Kandahar", wie die Drohne bald genannt wurde, nach. Inzwischen setzen den IRGC selbst Duplikate der RQ-170 ein. So drang eine iranische Drohne dieses Typs im Februar 2018 in den israelischen Luftraum ein und wurde abgeschossen.

Das unterstreicht die Brisanz des Abschusses vom Mittwoch: Sollte es den Iranern gelingen, das Drohnenwrack zu bergen, könnte sich das als Schatz für die Feinde der USA erweisen.

Peking und Berlin warnen vor weiteren Eskalationen

Der Abschuss bildet zugleich den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe von Vorfällen im Persischen Golf:

  • Mitte Mai wurden drei Tanker und ein weiteres Schiff im Golf von Oman vor dem Hafen von Fudschaira attackiert. Die USA gehen nach eigenen Angaben mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Iran für den Angriff vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate verantwortlich ist, offiziell hat sich bislang jedoch niemand zu der Attacke bekannt.

Vor diesem Hintergrund und der Entsendung weiterer tausend US-Soldaten in die Region rief China beide Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Außenminister Wang Yi warnte davor, die "Büchse der Pandora" zu öffnen. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich am Mittwoch besorgt. "Die Kriegsgefahr am Golf ist nicht gebannt", sagte er.

Deutschland und China sind zwei der fünf verbliebenen Vertragspartner des Atomabkommens mit Iran. Das Land hat eine Frist bis zum 7. Juli gesetzt. Wird die Vereinbarung bis dahin nicht vertragsgerecht umgesetzt, will Iran Uran höher anreichern. In der kommenden Woche soll es ein Treffen aller bislang verbliebenen Vertragspartner in Wien geben - eine Einigung ist bislang nicht in Sicht.

Iran will um jeden Preis Stärke demonstrieren

Hinzu kommt: Die jüngste Eskalation im Konflikt zwischen Iran und den USA dürfte den Stellvertreterkrieg im Nahen Osten weiter anheizen. Das Regime in Teheran unterstützt oder steuert zahlreiche schiitische Milizen, die immer aggressiver auftreten, die Gegner Irans in der Region attackieren - oder mutmaßlich Anschläge verüben:

  • Am Mittwoch wurde eine Büro- und Wohnanlage des US-Konzerns ExxonMobil im Südirak mit einer Rakete beschossen. In den Gebäuden lebten ausländische Ölarbeiter, in der Umgebung sind schiitische Milizen aktiv.
  • Die israelische Tageszeitung "Haaretz" berichtet unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass Iran die libanesische Hisbollah-Miliz anweisen könnte, Israel mit Raketen zu beschießen, um die Lage in der Grenzregion weiter zu destabilisieren.
  • Auch Angriffe auf die verbliebenen US-Soldaten im kurdisch dominierten Teil Syriens könnten dieser Logik zufolge eine Option sein.

Das Ziel Irans hinter dieser Strategie: US-Präsident Trump zu verdeutlichen, dass sein Wirtschaftskrieg kein Erfolg hat und ihn so zum Einlenken im Atomstreit zu zwingen. Doch ob sich Trump und sein Beraterstab um den Nationalen Sicherheitsberater John Bolton dadurch in die Enge treiben lassen, ist fraglich.

Die "New York Times" beschreibt bereits  ein weitaus bedrohlicheres Szenario. Der US-Kongress wurde demnach von verschiedenen hochrangigen Regierungsmitgliedern - darunter Außenminister Mike Pompeo - darüber informiert, das schiitische Regime in Iran unterhalte Kontakte zu der sunnitischen Terrorgruppe al-Qaida und den afghanischen Taliban.

Stichhaltige Belege dafür gibt es nicht. Auch deshalb sind viele Demokraten und Republikaner alarmiert. Der Grund: Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 genehmigte der Kongress den Einsatz des US-Militärs im Kampf gegen al-Qaida und dessen weitverzweigtes Terrornetzwerk. Bis heute ist dieses Gesetz in Kraft. Deshalb gibt es die Befürchtung, die Regierung könnte unter dem Vorwand, Iran kooperiere mit al-Qaida, formal legale Militäraktionen gegen Teheran einleiten - ohne vorher die Zustimmung des Kongresses einzuholen.


Zusammengefasst: Die USA und Iran bestätigen einen neuen Zwischenfall in der Golfregion. Iranische Revolutionswächter haben eine amerikanische Spionagedrohne abgeschossen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Zusammenstößen. Der Abschuss verdeutlicht, dass Iran Donald Trumps Forderungen nach neuen Atomverhandlungen weiter ablehnt und sich dem Druck der Wirtschaftssanktionen nicht beugen will. So lange keine Seite einlenkt, wächst die Gefahr weiterer Eskalationen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels war von einer US-Spionagedrohne des Typs RQ-170 "Sentinel" die Rede. Tatsächlich handelt es sich um eine RQ-170. Wir haben die Angaben korrigiert.