An einem Donnerstagmorgen im Oktober sitzt die kanadische Schriftstellerin Sheila Heti im Salon ihres schwedischen Verlagshauses kerzengerade auf einem Brokatsessel und gibt Interviews. In ihrer eleganten Schluppenbluse aus schwarzer Seide und der klassischen schwarzen Stoffhose wirkt die 41-jährige Heti überraschend unscheinbar – als wolle sie äußerlich so wenig wie möglich preisgeben von sich, als gebe es ihren autobiografischen Romanen nichts weiter hinzuzufügen.

Womöglich ist diese Unscheinbarkeit das notwendige Gegengewicht zu ihrer inneren Wandlungsfähigkeit. Als Kind wollte Heti Schauspielerin werden, hat Werbespots gedreht und ist in TV-Shows aufgetreten. In den Rollen aufgegangen sei sie damals aber nie: "Beim Schauspielen war ich gehemmt. Im Schreiben dagegen habe ich mich vollkommen verloren." Also ist sie Schriftstellerin geworden – ohne den Bezug zur Schauspielerei je ganz zu verlieren: Vergleichbar mit einem method actor, nimmt sie mit jedem neuen Buch eine andere Gestalt an. Im Roman Ticknor aus dem Jahr 2006 hat sie sich beispielsweise als Mann erfunden, der sich als Totalversager sieht. In Wie sollten wir sein?, 2014 erschienen, schreibt sie aus der Sicht einer Künstlerin, die in einer Lebenskrise steckt. Die Identifikation mit ihren Protagonisten ist so ungewöhnlich stark, dass sie vorübergehend vergisst, jemand anderen aus sich gemacht zu haben: "Ich denke ein paar Jahre lang so wie die Person."