Museum Ulm
Das Museum ist wegen Umbau geschlossen!
SonderausstellungenWir müssen reden!
19. Februar 2022—19. Juni 2022

Wir müssen reden!: Die Münster-Krippe im Meinungsstreit

Im Herbst 2020 entbrannte eine nationale Debatte um die Darstellung einer schwarzen Königsfigur aus der Weihnachtskrippe, die seit 1992 alljährlich im Ulmer Münster aufgestellt wird. Geschnitzt Mitte der 1920er Jahre vom Ulmer Bildhauer Martin Scheible (1873-1954) im privaten Auftrag für eine Ulmer Familie, bedient die Figur rassistische Klischees und diskriminierende Stereotypen. Mit der Entfernung der Figur und der Entscheidung der Münstergemeinde, die Krippe ohne die drei Weisen aus dem Morgenland aufzustellen, entfaltete sich ein hitziger Schlagabtausch kontroverser Meinungen in der Öffentlichkeit. Die heftigen Reaktionen bieten den Anlass für ein Ausstellungsprojekt, das die Diskussion versachlichen, Erklärungsansätze aufzuzeigen und einen Beitrag zur postkolonialen kulturellen Vermittlung in unserer Gesellschaft leisten möchte.

Mit dem emotionalisierten Meinungsstreit um den Schwarzen König in der Münster-Krippe entwickelten sich unterschiedliche Fragestellungen, die das Ausstellungsprojekt aufgreifen und ergänzen möchte, um den Diskurs zu erweitern. Wer war der Künstler Martin Scheible? Welche Kunstwerke hat er geschaffen? Welchen künstlerischen Stil vertrat er? Wie werden die drei Weisen aus dem Morgenland in der Kunstgeschichte dargestellt? Gibt es eine Erklärung, warum Martin Scheible dem schwarzen König seine Gestalt gegeben hat? Hat er vergleichbare Figuren geschaffen? Welche Merkmale des Schwarzen Königs entsprechen kolonialrassistischen Stereotypen? Wann und warum entwickeln sich stereotypisierte Zerrbilder Schwarzer Menschen? Welche kolonialen Spuren hat uns unser kunst- und kulturhistorisches Erbe als Spiegel seiner Zeit hinterlassen? Wie wirken koloniale Strukturen bis heute nach? Warum konnte es zu dieser Debatte kommen?

Diese und weitere Fragen möchte das Ausstellungsprojekt beleuchten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht einerseits die kunstwissenschaftliche Einordnung der Münster-Krippenfiguren in das Werk Martin Scheibles als einem Künstler des 20. Jahrhunderts, die Betrachtung der Dreikönigstradition und ihrer bildlichen Umsetzung durch die Jahrhunderte sowie die Bewertung der schwarzen Königsfigur im Kontext ihrer Zeit. Andererseits dient die Kontextualisierung als Anknüpfungspunkt, um über die Ausprägungen des Alltagsrassismus zu Lebzeiten Martin Scheibles sowie über Ursprung, Entwicklung, Begrifflichkeiten von Rassismus allgemein und seine Auswirkungen bis heute aufzuklären.

Die Fülle der divergierenden globalen Bewegungen und Haltungen, die sich in Begriffen wie „Black Lives Matter„, „Cancel Culture“ oder „Racial Profiling„, Leitkultur, Autoritarismus oder Hasskriminalität äußern, werfen nur ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass wir Jahrzehnte nach dem Ende von Sklaverei, Imperialismus und Kolonialismus erst am Beginn einer Aufarbeitung der Wirkungsgeschichte des damit verbundenen Rassismus stehen. Rassistische Klischees bilden sich auch heute noch in unserem Alltag, in Sprache, Literatur, Musik, Kunst und Brauchtum ab.

Wir müssen reden! bietet den Auftakt zu einem Prozess, in dem das Museum Ulm in einen gesellschaftsrelevanten und institutionskritischen Diskurs mit Fachwissenschaftler*innen, Künstler*innen und anderen betroffenen Bevölkerungsgruppen einsteigen will. Denn die kritische Aufarbeitung der global verflochtenen Kolonialgeschichte und ihrer Folgen gehört zu den wichtigsten erinnerungspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Als Ort kultureller Bildung und Begegnung möchte das Museum Ulm hierzu einen Beitrag leisten und zu mehr Sensibilität im Umgang miteinander in einer diversen Gesellschaft aufrufen.

„Die Ausstellung „Wir müssen reden!“ des Museums Ulm setzt ein wichtiges Zeichen im Engagement gegen Rassismus, rassistische Klischees, Ausgrenzung und Diskriminierung. Wir brauchen eine Debatte über rassistische Stereotype und rassistische Ressentiments in unserer Gesellschaft, es gilt Probleme sichtbar zu machen, zu sensibilisieren und aufzuklären. Nur so kann gesellschaftliche Veränderung auf dem Wertefundament unserer Verfassung beginnen und gelingen. Die Kulturpolitik des Bundes steht für Anerkennung der Vielfalt, Austausch und Teilhabe, für ein demokratisches und weltoffenes Deutschland. Dazu brauchen wir Partner, wie das Museum Ulm. Ich bin sehr dankbar für dieses Engagement.“

Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt

Zur Ausstellung wird eine Begleitpublikation erscheinen.

Sehen Sie hier die Eröffnungsreden zur Ausstellung:

Es sprechen:

Iris Mann, Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales der Stadt Ulm

Ernst-Wilhelm Gohl, Dekan Evangelischer Kirchenbezirk Ulm

Dr. Stefanie Dathe, Direktorin Museum Ulm

Sehen Sie den Beitrag der 3sat Kulturzeit vom 21.02.2022 ab 15.20 min:

Einen Beitrag des ZDF heute journal update vom 22.03.2022 sehen Sie hier.

Hier finden Sie zudem die Begleitveranstaltungen zur Ausstellungen.

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