Neun Oscar-Nominierungen für Buch-Klassiker: Im Westen nur Müll!

Eine ganz persönliche Abrechnung

Cineastisches Schlachtfeld: Die Fassungslosigkeit ist Felix Kammerer als Paul Bäumer ebenso ins Gesichtgeschrieben wie dem Autor beim Schauen des Films

Cineastisches Schlachtfeld: Die Fassungslosigkeit ist Felix Kammerer als Paul Bäumer ebenso ins Gesicht geschrieben wie dem Autor beim Schauen des Films

Foto: Reiner Bajo/Netflix
Von: Max Boeddeker

Das Anti-Kriegs-Drama „Im Westen nichts Neues“ (englischer Titel: „All Quiet on the Western Front“) von Regisseur Edward Berger schaffte es in die Nominierten-Liste für die Oscars – ist insgesamt neunmal nominiert (Verleihung am 12. März).

Das Werk kommt bei der also Jury sensationell an – und beim Publikum? Hier eine Meinung:

Es gibt gute und schlechte Literaturverfilmungen. Und es gibt „Im Westen nichts Neues“ von Regisseur Edward Berger (52). Seine Version des Klassikers von Erich Maria Remarque (†72) ist eine bodenlose Unverschämtheit.

Es gehört schon eine gehörige Portion Ignoranz, Respektlosigkeit und Oscar-Geilheit dazu, das Meisterwerk derart zu verhunzen, ja inhaltlich und erzählerisch so gnadenlos zu pulverisieren!

Schockte die Erstverfilmung von 1930 ebenso wie die Adaption von 1979 im Sinne von Remarque noch durch die monströse Banalität des Tötens, ist bei der Netflix-Produktion nur noch die Banalität übrig geblieben.

Fehlbesetzung 1: Albrecht Schuch (r.) als Stanislaus „Kat“ Katczinsky

Fehlbesetzung 1: Albrecht Schuch (r.) als Stanislaus „Kat“ Katczinsky

Foto: Reiner Bajo/Netflix

Das Remake schreit in jeder Minute, jeder Szene, in jedem Satz nach dem Oscar. Ohne Rücksicht auf Verluste. Dass man als Regisseur und Drehbuchautor Szenen und Abläufe aus dramaturgischen Gründen modifizieren muss und darf – geschenkt.

Aber Berger hat aus dem Schrecken eines Krieges mit mehr als neun Millionen gefallenen Soldaten die anbiedernde, vegetarische Grütze eines abscheulichen fleischigen Gemetzels gemacht. Muss man erst mal schaffen!

Die Charaktere der Protagonisten Paul Bäumer (Felix Kammerer, 27), Albert Kropp (Aaron Hilmer, 23), Frantz Müller (Moritz Klaus, 23) und Ludwig Behm (Adrian Grünewald, 23) sind derart konturen- und charakterlos gezeichnet, dass es mit der Dauer des Films immer schwieriger wird, die Köpfe auseinanderzuhalten.

Fehlbesetzung 2: Daniel Brühl als Matthias Erzberger

Fehlbesetzung 2: Daniel Brühl (r.) als Matthias Erzberger

Foto: Reiner Bajo/Netflix

Apropos Dauer des Films: Selten habe ich mir das Ende eines Films und den erlösenden Schutzschlaf inbrünstiger herbeigesehnt. Schuld daran dürfte auch der in Teilen grottenschlechte Ton gewesen sein: ein Genuschel und dilettantisches Gemurmel, als hätte Til Schweiger logopädisch Hand angelegt.

Ein einziges Bitten und Betteln um den Oscar. Um sich so klein zu machen, dürfen natürlich auch große Namen nicht fehlen – als Fehlbesetzungen. Allen voran Daniel Brühl (44) als Friedensstifter Matthias Erzberger.

Teaser-Bild

Foto: BILD

Brühls exzellente schauspielerische Fähigkeiten sind unbestritten, aber: Ein angeklebter Bart macht aus einem Bubi noch keinen Charakterkopf. Fehlbesetzt! Das gilt leider auch für Albrecht Schuch (37) als „Kat“.

Fazit: kein psychologisches Fundament, keine morbiden und poetischen Zwischentöne. Nur Müll! Netflix, das war nix!

Für neun Oscar-Nominierungen hat es dennoch gereicht. Die Academy stellte am Dienstag (24. Januar 2023) die Nominierungen der diesjährigen Verleihung vor. Und „Im Westen nur Müll“ kann auf neun Goldjungen hoffen. Darunter auch in der Königs-Kategorie „Bester Film“.

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