FAQ Lebens­versicherung rück­abwickeln Antworten auf Ihre Fragen

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Der Bundes­gerichts­hof hat kürzlich die Rück­abwick­lung von Kapital­lebens­versicherungen und Renten­versicherungen zugelassen. Das gilt selbst für gekündigte Verträge. Doch viele Versicherer blocken Wider­sprüche der Verbraucher weiterhin ab. Die Verbraucherzentralen (VZ) warnen vor dubiosen Dienst­leistern, die jetzt ein gutes Geschäft wittern. Ein VZ-Online-Rechner hilft Kunden einzuschätzen, ob die Rück­abwick­lung sich für sie lohnt. Alle wichtigen Infos zum Thema finden Sie hier.

Ihre Fragen, unsere Antworten

Welche Verträge sind von den neuen Urteilen betroffen?

Es geht um Kapital­lebens­versicherungen und Renten­versicherungen aus den Jahren 1994 bis 2007 nach dem sogenannten Policenmodell. Dabei bekamen Sie als Kunde zum Vertrags­abschluss nicht alle Vertrags­unterlagen ausgehändigt, sondern erst später zusammen mit dem Versicherungs­schein. Der Versicherungs­vertrag galt dann als abge­schlossen, wenn Sie nicht inner­halb von 14 Tagen (nach 2004 inner­halb von 30 Tagen) wider­sprochen haben.

Worum ging es in den Verfahren vor dem Bundes­gerichts­hof?

Ausgangs­punkt sind fehler­hafte Wider­spruchs­belehrungen bei vielen dieser Verträge. Ist die Belehrung fehler­haft, hat die Wider­spruchs­frist nie begonnen und Sie können Ihrem Vertrag nach vielen Jahren heute noch wider­sprechen. In den Fällen vor dem BGH hatten zwei Kunden im Jahr 2003 bei der AachenMünchner eine fonds­gebundene Lebens­versicherung abge­schlossen. Im Jahr 2012 kündigten sie die Verträge vorzeitig und bekamen den Rück­kaufs­wert der Versicherung. 2013 wiesen sie auf die fehler­haften Wider­spruchs­belehrungen hin und verlangten, dass die Verträge rück­abgewickelt werden. Der BGH gab den Klägern recht (Az. IV ZR 384/14, IV ZR 448/14, u.a.).

Was bean­standeten die Richter des Bundes­gericht­hofes?

Die Wider­spruchs­belehrung in diesen Fällen lautete: „Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungs­antrag bekannt ist, können Sie inner­halb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungs­scheins dem Versicherungs­vertrag wider­sprechen. Zur Wahrung der Frist genügt eine recht­zeitige Absendung des Wider­spruchs.“ Die Richter entschieden: Es fehle der notwendige Hinweis darauf, dass der Wider­spruch in Text­form zu erheben sei. Außerdem müsse die Belehrung optisch deutlich hervorgehoben sein.

Warum sollte ich dem Vertrag wider­sprechen statt zu kündigen?

Weil Sie die Chance auf mehr Geld haben. Je nachdem, wie viel Sie einge­zahlt haben, können Sie bei einer Rück­abwick­lung schnell einige tausend Euro mehr bekommen als bei einer Kündigung. Der Vorteil bei Wider­spruch und Rück­abwick­lung statt Kündigung: Haben Sie erfolg­reich wider­sprochen, muss der Versicherer Ihnen bei einer klassischen Lebens­versicherung alle Ihre einge­zahlten Beiträge plus Zinsen zurück­zahlen. Abziehen darf er nur die Kosten für den „genossenen Versicherungs­schutz“, zum Beispiel die Risiko­beiträge für den Todes­fall­schutz, nicht jedoch Abschluss- und Verwaltungs­kosten. Bei fonds­gebundenen Lebens­versicherungen ist das Verfahren etwas komplizierter.

Ich habe eine fonds­gebundene Lebens­versicherung. Was muss ich beachten?

Bei fonds­gebundenen Lebens­versicherungen gibt es seit einem Urteil des BGH vom 11. November 2015 (Az. IV ZR 513/14) eine entscheidende Änderung: Bei einer Rück­abwick­lung muss sich der Kunde auch Verluste seiner Fonds anrechnen lassen. Damit wird die Rück­abwick­lung deutlich weniger attraktiv, wenn der Sparer eine Fonds­police hat, die sich schlecht entwickelt hat. In der Begründung des Urteils heißt es: „Bei der fonds­gebundenen Lebens­versicherung entscheidet sich der Versicherungs­nehmer für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungs­leistung – abge­sehen von der Todes­fall­leistung – nicht von vorneherein betrags­mäßig fest­gelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fonds­guthabens abhängt. Die – mit Gewinn­chancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete – Kapital­anlage ist für den Versicherungs­nehmer neben der Risiko­absicherung ein wesentlicher Gesichts­punkt, wenn er sich für eine fonds­gebundene Lebens­versicherung entscheidet. Dies recht­fertigt es grund­sätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzu­weisen, wenn der Versicherungs­vertrag nicht wirk­sam zustande kommt und rück­abgewickelt werden muss.“

Was ist, wenn ich meinen Vertrag bereits gekündigt habe?

Dann kann sich für Sie eine Über­prüfung wirk­lich lohnen, denn auch bereits gekündigte Verträge können Sie noch rück­abwickeln. So können Sie sich vielleicht noch ordentliche Nach­zahlungen sichern. Denn Sie erhalten dann nach­träglich die Differenz aus dem Rück­kaufs­wert und den Ansprüchen aus der Rück­abwick­lung.

Wie kann ich prüfen, ob eine Rück­abwick­lung infrage kommt?

Da sich die Formulierungen der Wider­spruchs­belehrungen von Vertrag zu Vertrag unterscheiden, sollten Sie Ihren Vertrag von einem Experten prüfen lassen. Wenn Sie nicht rechts­schutz­versichert sind, können Sie die Belehrung in Ihrem Vertrag für 85 Euro von der VZ Hamburg prüfen lassen. Für weitere 85 Euro können Sie sich ausrechnen lassen, was Ihr Versicherer Ihnen zahlen muss. Diesen Betrag können Sie mit einem Muster­brief der VZ einfordern. Akzeptiert der Versicherer Ihren Wider­spruch nicht, können Sie sich kostenlos an den Ombuds­mann wenden. Entscheidet er für Sie, zahlt der Versicherer meist. Wenn Sie Rechts­schutz haben, können Sie sich im Internet einen auf den Wider­spruch von Lebens­versicherungen spezialisierten Anwalt suchen. Rechts­schutz­versicherer decken meist die Kosten. Sind Sie rechts­schutz­versichert, wollen sich aber um nichts kümmern, finden Sie im Internet Firmen, die Ihr Wider­spruchs­verfahren begleiten. Wählen Sie keine Firmen, die ein Vorabhonorar oder mehr als 20 Prozent Ihres finanziellen Vorteils verlangen. Weitere Informationen finden Sie im Special Widerspruch kann Tausende Euro bringen.

Ich möchte meinen Vertrag rück­abwickeln, wie gehe ich vor?

Die Rück­abwick­lung eines Lebens­versicherungs­vertrages kann sich lohnen, geht aber meist nicht schnell und einfach vonstatten. Generell blocken jedoch viele Versicherer zunächst einmal ab. Andere Versicherer zahlen weniger zurück, als dem Kunden eigentlich zugestanden hätte. Es ist deswegen ratsam, sich an die Verbraucherzentrale Hamburg, einen Anwalt oder einen Finanz­dienst­leister zu wenden, die auf den Wider­spruch von Lebens- und Renten­versicherungs­verträgen spezialisiert sind.

Wie berechne ich die erwirt­schafteten Zinsen auf meine Beiträge?

Es ist leider nicht einfach, neben den einge­zahlten Beiträgen auch die erwirt­schafteten Zinsen des Versicherers zu fordern, juristisch spricht man vom „gezogenen Nutzen“. Der BGH stellt klar: Sie können als Kunde nicht einfach „ohne Bezug zur Ertrags­lage“ des Versicherers irgend­einen Prozent­satz fordern. Einzelne Rechts­anwalts­kanzleien lassen sich dafür versicherungs­mathematische Gutachten erstellen. Für einen ersten Anhalts­punkt, was bei einem Wider­spruch heraus­kommen könnte, stellt die Verbraucherzentrale Hamburg oder verschiedene Anwälte kostenlose Online-Rechner zur Verfügung. Die Rechner rechnen häufig nicht mit den genauen Daten des Versicherers, sondern mit Durch­schnitts­werten. Das Ergebnis kann daher höher oder nied­riger ausfallen als bei einer genaueren Berechnung mit individuell ermittelten Zins- und Kostensätzen. Die Rechner funk­tionieren aber nur gut, wenn Sie die Police vorliegen haben und Sie wissen, wie viel in den Vertrag geflossen ist.

Zahlt eine Rechts­schutz­versicherung die Anwalts­kosten?

Ja, eine Rechts­schutz­versicherung deckt in der Regel die anwalt­liche Unterstüt­zung ab. Haben Sie keine Rechts­schutz­versicherung, klären Sie vorab mit dem Anwalt, was der Versuch kosten würde, eine außerge­richt­liche Einigung herbei­zuführen. Zum aktuellen Test von Rechtsschutzversicherungen.

Mein Versicherer hat mir eine neue Wider­spruchs­belehrung geschickt. Was muss ich jetzt tun?

Sie müssen nun schnell über­legen, ob Sie Ihrem Vertrag wider­sprechen wollen. Es ist zwar noch nicht eindeutig gericht­lich geklärt, ob eine nach­trägliche Wider­spruchs­belehrung bindend ist, aber gehen Sie hier besser kein Risiko ein: Wenn Sie Ihren Vertrag rück­abwickeln wollen, sollten Sie dem Vertrag inner­halb der neu gesetzten Frist wider­sprechen.

Sollte ich meinen Vertrag jetzt auf jeden Fall rück­abwickeln?

Nein. Wenn Sie das Geld nicht dringend brauchen, sollten Sie Ihre Lebens­versicherung nicht unbe­dingt rück­abwickeln. Denn häufig haben die alten Verträge Vorteile, die Sie heute nicht mehr bekommen würden. Ein großes Plus einer Lebens­versicherung, die Sie vor 2005 abge­schlossen haben: Sie können die Beiträge groß­teils als Sonder­ausgaben steuerlich absetzen. Lassen Sie sich das Kapital später auf einen Schlag auszahlen, müssen Sie die Erträge nicht versteuern – wenn bestimmte Voraus­setzungen erfüllt sind. So müssen Sie fünf Jahre lang Beiträge gezahlt haben, der Vertrag muss seit mindestens zwölf Jahren laufen und die Todes­fall­summe muss mindestens 60 Prozent der Beiträge betragen. Für einen Vertrag aus früheren Jahren bekommen Sie außerdem deutlich höhere Garan­tiezinsen als heute: Von 1994 bis 2000 lagen die Garan­tiezinsen bei 4 Prozent, und bis 2004 bei 3,25 Prozent, auch wenn damit nur der Teil Ihres Beitrags verzinst wird, der bleibt, wenn der Versicherer seine Kosten abge­zogen hat. Vergleich­bar sichere und hohe Zinsen sind heute bei Geld­anlagen nicht zu haben, zumal der Haupt­teil der Kosten bezahlt ist. Eine alte Lebens­versicherung kann ein guter Baustein der Alters­vorsorge sein. Ist die Versicherung mit einer Berufs­unfähigkeits­versicherung verbunden, sollten Sie den Vertrag behalten. Eine neuer Vertrag erfordert eine erneute Gesund­heits­prüfung.

Tipp: Fragen Sie sich, ob Sie Ihre Police fortführen, kündigen oder still­legen sollen? Der Restlaufzeit-Rendite-Rechner der Stiftung Warentest kann Ihnen bei der Entscheidung helfen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 04.07.2019 um 10:38 Uhr
    Rückabwicklung e. bereits gekündigten LV

    @LV-Forumsteilnehmer: Bitte schauen Sie sich unsere vorherige Antwort (9.10.2018) an. (dda)

  • LV-Formumsteilnehmer am 03.07.2019 um 12:53 Uhr
    Rückabwicklung e. bereits gekündigten LV

    Bei mir war 2010 ein 'Vermögensberater', der meine Kapital-LV aus 1999 gekündigt hat. Er hat wohl auch den Versicherungsschein mitgenommen. Somit wird eine mögliche eventuelle Rückabwicklung schwierig bis unmöglich, oder?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 09.10.2018 um 12:50 Uhr
    Rückabwicklung abgelehnt

    @jusch10: Dies ist nicht der Ort, um zu prüfen, ob Sie ein Recht auf Rückabwicklung des Vertrages haben. Die Rückabwicklung geht meist nicht einfach vonstatten. Blockt der Versicherer den Anspruch beim ersten Versucht ab, ist ratsam, sich an die Verbraucherzentrale Hamburg, einen Anwalt oder einen Finanzdienstleister zu wenden, die auf den Wider­spruch von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen spezialisiert sind. (maa)

  • jusch10 am 07.10.2018 um 12:46 Uhr
    Rückabwicklung e. bereits gekündigten LV abgelehnt

    Ich habe d. Rückabwicklung einer 1998 abgeschlossenen, später gekündigten Kapital-LV beantragt, Text:
    Zum 01.1998 hatte ich eine Kapital­LV­ xxx abgeschlossen.
    Zum Abschluss bekam ich nicht alle Vertragsunterlagen ausgehändigt, sondern erst später zusammen mit dem VS-Schein. Der VV galt als abge­schlossen, wenn ich nicht inner­halb v. 14 Tagen wider­sprach.
    In den Unterlagen fehlte der notwendige Hinweis darauf, dass der Wider­spruch in Text­form zu erheben sei, außerdem war die Widerspruchsbelehrung nicht optisch deutlich hervorgehoben (Az. IV ZR 384/14, IV ZR 448/14, u.a.).
    Diese LV hatte ich vorzeitig gekündigt + erhielt 03/08 den Rück­kaufs­wert.
    Da der Versicherungs­vertrag aufgr. der fehlerhaften Widerspruchsbelehrung jedoch nicht wirk­sam zustande gekommen ist, beantrage bzw. verlange ich hiermit die Rück­abwicklung...".
    Antr wurde abgelehnt, da m. Zusendung d. VS-Scheins gem 5a VVG über d. Wider­spruchsrecht belehrt wurde, nun wäre es nicht mehr mgl. Habe ich n. Chancen?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 17.04.2018 um 16:25 Uhr
    Widerruf + Abtretung Lebensversicherung

    @Pogorello: Ob in Ihrem Fall die Abtretung dazu geführt hat, dass ein Widerruf des Vertrages als unzulässige Rechtsausübung zu betrachten ist, können wir nicht sagen. Das ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung durch Ihren Anwalt / das Gericht zu prüfen.
    Grundsätzlich bleibt das Widerrufsrecht auch bei einer Abtretung bestehen. Zum einen kann es sein, dass der Darlehensgeber, zu dessen Sicherung die Lebensversicherung besteht, beteiligt werden muss. Zum anderen kann das Gericht von einem widersprüchlichen Verhalten ausgehen, wenn der Kunde den Vertrag widerruft, obwohl er ihn jahrelang als Sicherungsmittel nutzt. Ein Beispiel dafür finden Sie im folgenden Urteil des OLG Coburg:
    www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-coburg-urteil-14-o-629-15-widerrufsbelehrung-unzulaessige-rechtsausuebung-widerspruechliches-verhalten
    Das Gericht führte aber auch in diesem Urteil an, dass es stets einer Einzelfallprüfung bedürfe, um die Verwirkung des Rechts zu bejahen. (maa)