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Geheimdokumente NSA überwacht 500 Millionen Verbindungen in Deutschland

Deutschland wird noch umfangreicher von der NSA ausgespäht als angenommen: Nach SPIEGEL-Informationen überwacht der US-Geheimdienst jeden Monat rund eine halbe Milliarde Telefonate, Mails und SMS. In Geheimdokumenten bezeichnet die NSA die Bundesrepublik als Angriffsziel.
Von Laura Poitras, Marcel Rosenbach und Holger Stark
Frühere NSA-Anlage im bayerischen Bad Aibling: Erste Zahlen über Ausmaß der Überwachung in Deutschland

Frühere NSA-Anlage im bayerischen Bad Aibling: Erste Zahlen über Ausmaß der Überwachung in Deutschland

Foto: MICHAELA REHLE/ REUTERS

Hamburg - Die NSA überwacht Deutschland offenbar noch intensiver als bisher bekannt. Geheime Dokumente des US-Geheimdienstes, die der SPIEGEL einsehen konnte, offenbaren, dass die NSA systematisch einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert.

Laut einer internen Statistik werden in der Bundesrepublik monatlich rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen überwacht. Darunter versteht die NSA sowohl Telefonate als auch Mails, SMS oder Chatbeiträge. Gespeichert werden in Fort Meade, dem Hauptquartier der Behörde nahe Washington, die Metadaten - also die Informationen, wann welcher Anschluss mit welchem Anschluss verbunden war.

Damit sind erstmals Zahlen zum Ausmaß der amerikanischen Überwachung in Deutschland bekannt. Bislang war lediglich klar, dass die Bundesrepublik zu den wichtigsten Zielen der NSA gehört. Eine Karte des britischen "Guardian"  hatte in Schattierungen gezeigt, dass Deutschland ähnlich stark überwacht wird wie China, Irak oder Saudi-Arabien. Seit Wochen tauchen Details über das NSA-Programm Prism und das britische Tempora auf, die der Whistleblower Edward Snowden zusammengetragen hat.

Die Statistik, die der SPIEGEL eingesehen hat, weist für normale Tage bis zu 20 Millionen Telefonverbindungen und um die 10 Millionen Internetdatensätze aus Deutschland aus. An Heiligabend 2012 überprüften und speicherten die Amerikaner rund 13 Millionen Telefonverbindungen und halb so viele Daten von Internetverbindungen. An Spitzentagen wie dem 7. Januar 2013 spioniert der Geheimdienst bei rund 60 Millionen Telefonverbindungen.

Deutschland ist "Partner dritter Klasse"

Damit ist die NSA in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Zum Vergleich: Für Frankreich verzeichneten die Amerikaner im gleichen Zeitraum täglich im Durchschnitt gut zwei Millionen Verbindungsdaten. Aus den geheimen NSA-Unterlagen geht auch hervor, dass sich der Dienst vor allem für Knotenpunkte in Süd- und Westdeutschland interessiert. Frankfurt nimmt im weltumspannenden Netz eine wichtige Rolle ein, die Stadt ist als Basis in Deutschland aufgeführt.

Aus einer vertraulichen Klassifizierung geht hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, zugleich aber auch als Angriffsziel betrachtet. Demnach gehört Deutschland zu den sogenannten Partnern dritter Klasse. Ausdrücklich ausgenommen von Spionageattacken sind nur Kanada, Australien, Großbritannien und Neuseeland, die als zweite Kategorie geführt werden. "Wir können die Signale der meisten ausländischen Partner dritter Klasse angreifen - und tun dies auch", heißt es in einer Präsentation.

Der SPIEGEL berichtet in seiner aktuellen Ausgabe ebenfalls, dass die NSA auch gezielt die EU-Vertretungen in Washington und New York mit Wanzen abhorcht und deren Computersysteme infiltriert hat.