EXKLUSIV! Griechenlands Premier Samaras über Schulden, Sparen und den Ausstieg aus dem Euro: „Die Drachme wäre eine Katastrophe für uns“

Von: Von P. RONZHEIMER

Am Freitag kommt der griechische Premier Samaras nach Berlin, besucht Kanzlerin Merkel.

BILD traf ihn vorher in Athen.

BILD: Herr Ministerpräsident, Sie hatten eine schwere Augenoperation kurz nach Ihrer Wahl. Wie geht es Ihnen heute?

Antonis Samaras: „Es geht jeden Tag besser, danke. In einem Monat bin ich wieder ganz der Alte. Und ich sage Ihnen: Ich bin mehr denn je entschlossen zu handeln. Die Opfer der Griechen sollen nicht umsonst sein. Und alle unsere Partner sollen wissen: Wir Griechen strengen uns wirklich an und ich bin sicher, wir werden es schaffen. Ebenso sicher bin ich, dass die europäischen Partner an unserer Seite sind und der griechische Erfolg Europa stärken wird.“

BILD: Wie ist es, ein Land zu regieren, das fast täglich den Bankrott fürchten muss?

Samaras: „Das ist nicht so. Wir müssen heraus aus dieser Negativ-Psychologie, die wie ein tiefes schwarzes Loch ist. Die Griechen haben eine neue Regierung gewählt, um das Land auf neuen Kurs zu bringen. Wir kommen bei Strukturreformen und Privatisierungen voran. Und es ist nicht fair, wenn uns manche in Europa trotzdem in dieses Loch zurückstoßen wollen. Griechen und Deutsche haben viel gemeinsam. Auch wir können eine Tragödie in eine Erfolgsgeschichte verwandeln.“

BILD: Aber es heißt, im September seien die griechischen Staatskassen leer.

Samaras: „Wir haben kurzfristig Probleme, aber dank der Vereinbarungen steht unsere Finanzierung für die nächsten drei Jahre. Das Entscheidende ist, dass die Wirtschaft rasch wieder wächst, die Steuereinnahmen verbessert werden und die Strukturreformen greifen.“

BILD: Will Ihr Land Aufschub bei den Reform- und Spar-Auflagen?

Samaras: „Lassen Sie mich sehr deutlich sein: Wir fordern kein zusätzliches Geld. Wir stehen zu unseren Verpflichtungen und zur Erfüllung aller Vorgaben. Aber wir müssen das Wachstum ankurbeln, weil das die Finanzlücken verkleinert. Alles, was wir wollen, ist ein wenig ,Luft zum Atmen’, um die Wirtschaft in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen. Mehr Zeit bedeutet nicht automatisch mehr Geld.“

BILD: Braucht Griechenland einen weiteren Schuldenerlass?

Samaras: „Darüber wurde nie diskutiert.“

BILD: Tut Griechenland genug?

Samaras: „Viel ist falsch gelaufen, in Griechenland und außerhalb von Griechenland. Jetzt packen wir alle nötigen Reformen an.“

BILD: Wirklich?

Samaras: „Ja. Griechenland blutet. In den letzten drei Jahren ist unsere Wirtschaft um ein Fünftel geschrumpft, der Lebensstandard ist um ein Drittel gesunken, die Rentner haben ein Fünftel ihrer Einkommen verloren, die Hälfte unserer Jungen ist arbeitslos. Wir tun alles, das Land zusammenzuhalten, während wir die Reformen durchsetzen. Und vergessen Sie nicht, wir müssen den Geist der Europäischen Union bewahren. Ließe man Griechenland jetzt fallen, würden die Unsicherheit und Verwundbarkeit der anderen Euro-Staaten wachsen. Von den dramatischen Folgen auf den Finanzmärkten ganz zu schweigen...“

BILD: Die Staatswirtschaft mit den enorm vielen Beschäftigten ist ein großes Problem, aber es ist fast nichts geschehen.

Samaras: „Ich habe entschieden, dass wir für zehn pensionierte Beamte nur einen neuen einstellen. Wir kommen voran, werden bald einen kleineren, gesünderen und deutlich leistungsfähigeren öffentlichen Dienst haben. Dazu senken wir die Gesamtzahl der öffentlichen Angestellten.“

BILD: Oder wäre es doch besser für Ihr Land, zur Drachme zurückzukehren?

Samaras: „Um Gottes willen, nein. Die Folgen wären eine Katastrophe für Griechenland. Es würde mindestens fünf weitere Jahre Rezession bedeuten und die Arbeitslosigkeit über 40 Prozent steigen lassen. Ein Albtraum für Griechenland: wirtschaftlicher Kollaps, soziale Unruhen und eine nie dagewesene Krise der Demokratie. Der griechische Lebensstandard ist in den letzten drei Jahren um ca. 35 % gesunken. Eine Rückkehr zur Drachme würde ihn sofort um mindestens weitere 70 % senken. Welche Gesellschaft, welche Demokratie könnte das überleben? Am Ende wäre es wie in der Weimarer Republik.“

Morgen lesen Sie – Teil 2: Wie Griechenland die Schulden zurückzahlen will

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