Attributionsforschung

Attribution

Mit so genannten "Attributionsstudien" lässt sich grundsätzlich abschätzen, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten individueller Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist. Für derartige statistische Analysen werden Klimasimulationen mit speziell gewählten Randbedingungen verwendet, da die Beobachtungszeitreihen häufig noch nicht ausreichend lang zur Verfügung stehen.

In Verbindung mit den infolge des menschlichen Handelns weltweit steigenden Temperaturen erwarten Klimawissenschaftler auch eine Veränderung der Eintrittswahrscheinlichkeit meteorologischer sowie klimatologischer Extremereignisse. So kann beispielsweise die Luft einem einfachen physikalischen Prinzip zufolge z. B. umso mehr Wasserdampf aufnehmen, desto wärmer sie ist. Damit nimmt auch das Potenzial für Starkniederschläge grundsätzlich zu. Allerdings sind auch immer andere Faktoren für das tatsächliche Auftreten von Starkniederschlägen mit verantwortlich, so dass es trotz dieser Voraussetzungen nicht zwingend auch zu einer Zunahme der Häufigkeit solcher Ereignisse kommen muss. Vielmehr sind regionale Unterschiede zu erwarten, sowohl auf der globalen Skala als auch auf der nationalen Skala in Deutschland. Das gleiche Prinzip gilt im Wesentlichen auch für andere Extremereignisse wie z. B. Stürme oder Hitzewellen. Auch hier entscheiden weitere Faktoren, wie z. B. eine möglicherweise veränderte globale Zirkulation, mit darüber, inwieweit eine bestimmte Region real von derartigen Veränderungen betroffen ist. Dementsprechend besteht ein wachsendes Interesse am tatsächlichen Ausmaß des Klimawandeleinflusses auf Extremereignisse. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob und ggf. inwieweit die fortschreitende Erderwärmung die Häufigkeit und Eigenschaften extremer Wetterereignisse bereits verändert hat. Darüber hinaus benötigen Politik und Gesellschaft möglichst auch eine Abschätzung über die zukünftige Entwicklung.

Diagramm zum Thema Attribution (Quelle DWD)

Abb. 1: Extreme sind per Definition selten

Zoom

Eine Auswertung von in der Vergangenheit gemessener meteorologischer Daten ist theoretisch leicht möglich. Jedoch stoßen die Klimawissenschaftler in der Praxis hier schnell auf Schwierigkeiten. Zunächst sind Extremereignisse schon per Definition selten.


Darstellung auf Deutschlandkarte (Quelle DWD)

Abb. 2: Extreme sind schwer zu erfassen

Zoom

Außerdem lassen sie sich aufgrund ihrer oft sehr geringen räumlichen Ausdehnung, wie u. a. im Falle von Gewittern, nur schwer erfassen, wodurch zumindest ein unbekannter Teil möglicher Extremereignisse überhaupt nicht verzeichnet wird.


Einfluss der natürlichen Klimavariabilität auf die Statistik (Quelle DWD)

Abb. 3: Einfluss der natürlichen Klimavariabilität auf die Statistik

Zoom

Letztlich unterliegt das Klima immer auch natürlichen Schwankungen. Diese so genannte „natürliche (oder auch interne) klimatische Variabilität“ überlagert den anthropogenen Anteil, was eine eindeutige Zuordnung mühsam macht. Insgesamt werden daher für einen erfolgreichen Nachweis veränderter Häufigkeiten mittels extremwertstatistischer Methoden sehr lange Beobachtungszeitreihen benötigt, die so zumeist noch nicht vorliegen.


Eine Alternative bietet die Wissenschaft der Attribution. Der aus dem lateinischen stammende Begriff Attribution bezeichnet hierbei die Zuordnung von Eigenschaften. Dabei wird von einer tatsächlich vorhandenen Ursache-Wirkungs-Beziehung ausgegangen. Im Bereich der Klimawissenschaften wird konkret untersucht, ob der bereits voranschreitende Klimawandel schon zu einer geänderten Häufigkeit von Extremereignissen geführt hat. Dieses Forschungsfeld ist noch sehr jung. Weltweit besteht ein sehr hohes Interesse an dieser Thematik. Das gilt umso mehr, da die Methodik auch dafür verwendet werden kann, Aussagen für die Zukunft abzuleiten.


Auswertung mehrerer Tausend Jahre an Klimamodellsimulationen

Es werden sehr lange Datenreihen benötigt, um eine robuste statistische Basis für die Abschätzung sich ändernder Wahrscheinlichkeiten seltener Ereignisse zu erhalten. Die hierfür notwendigen Zeitreihen sind als Beobachtungen bislang jedoch nur sehr selten vorhanden. Daher werden stattdessen Klimamodellsimulationen verwendet. Um die Bandbreite der natürlichen Variabilität von Extremereignissen abschätzen zu können, wird dabei eine Vielzahl von Simulationen mit gleichen klimatischen Rahmenbedingungen benötigt. Auf der Basis von mehreren tausend Jahren an Klimasimulationen lässt sich die fehlende Datengrundlage für belastbare Aussagen synthetisch erzeugen.

Für den notwendigen Vergleich zwischen dem Klima der Vergangenheit, den aktuellen klimatischen Verhältnissen sowie jenen der Zukunft wird darüber hinaus ein weiterer wissenschaftlicher Kunstgriff vollzogen. Sämtliche Simulationen des vergangenen Klimas werden gleich zweimal durchgeführt: einmal unter Verwendung aller bekannten Klimaantriebe; ein zweites Mal jedoch ausschließlich mit den natürlichen Klimaantrieben (z.B. Vulkanausbrüche, Änderung der solaren Einstrahlung), aber ohne Berücksichtigung der vom Menschen veränderte Antriebe, wie z.B. den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2. Hierdurch lässt sich eine nicht-reale, kontrafaktische Welt mit klimatischen Verhältnissen schaffen, wie sie sich ohne den Einfluss des Menschen entwickelt hätte. Durch den direkten Vergleich der statistischen Analysen beider Klimata lassen sich etwaige Unterschiede bezüglich der Häufigkeit des Auftretens von Wetter- oder Witterungsextremen quasi 1:1 dem menschlichen Handeln zuschreiben. Für konkrete Attributionsstudien müssen dabei im Allgemeinen Ereignisklassen definiert werden, die in den unterschiedlichen Modellläufen verglichen werden können, da z. B. kein Wirbelsturm exakt genauso ist, wie ein anderer. Die Auswertungen der Klimasimulationen erfolgt dann in der Regel in Form einer Auszählung aller dem aktuell aufgetretenen Wetterphänomen sehr ähnlichen Ereignisse. Für eine Einordnung der zukünftig zu erwartenden Verhältnisse werden zudem häufig die bereits etablierten Klimaprojektionen unter Vorgabe der weiteren Entwicklung der anthropogenen Treibhausgasemissionen herangezogen.

Eine weitere Voraussetzung für die Ableitung belastbarer Aussagen neben einer ausreichenden Datenmenge ist die Fähigkeit der eingesetzten Klimamodelle, die zu untersuchenden Extremereignisse realitätsgetreu abzubilden. Hierzu gehört sowohl die korrekte Simulation der zugrundeliegenden physikalischen Prozesse als auch die Reproduktion der Ereignisstatistik. Diese durchaus stringenten Anforderungen limitieren die Möglichkeiten der Attribution derzeit zum Teil noch. Insbesondere in Bezug auf die Simulation kleinräumiger Phänomene, wie z. B. von Gewittern mit Starkregen, ist erst die neueste Generation der so genannten konvektionserlaubenden regionalen Klimamodelle in der Lage, diese realistisch abzubilden. Derartige Modellrechnungen sind aber rechentechnisch extrem aufwendig, und erfordern somit die entsprechende Hardwareausstattung sowie viel Zeit. Aber auch bei der Bewertung großräumiger Extreme wie Hitzewellen ist Akribie gefordert. Auch hier gilt es zunächst genau zu prüfen, inwieweit die untersuchten Klimamodelle die das jeweilige Ereignis auslösenden großräumigen atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse realitätsnah abzubilden vermögen.

Attribution einzelner Extremereignisse

Sind alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Analyse erfüllt, so können Eintrittswahrscheinlichkeiten für ausgewählte Extremereignisse ausgewertet und dem anthropogenen Klimawandel zugeordnet werden. Dabei kategorisiert man die einzelnen Ereignisse mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit, die anschaulich wiederspiegelt, wie häufig mit dem Eintritt eines Extremereignisses für eine bestimmte Region gerechnet werden muss. Eine Hitzewelle wie die Ende Juli 2019 in Frankreich tritt aktuell, je nach Region,  alle 50 bis 150 Jahre auf. Der Klimawandel hat solche Hitzewellen um mindestens den Faktor 10 wahrscheinlicher gemacht. Ohne Klimawandel wäre so ein Ereignis seltener als alle 1000 Jahre aufgetreten. (link zur Studie)

So veränderte sich z. B. die Wiederkehrperiode einer Hitzewelle wie der Ende Juli 2019 in Frankreich, das ohne Klimawandel im Mittel nur alle 100 Jahre auftreten sollte, zu einem Ereignis werden, dass unter heutigen Bedingungen alle 10 Jahre zu erwarten ist, und in Zukunft wahrscheinlich sogar alle 3 Jahre auftreten wird. Dementsprechend können dann heutige und zukünftige Anpassungsstrategien angepasst werden, um als Gesellschaft bestmöglich auf den schon nicht mehr vermeidbaren Klimawandel vorbereitet zu sein.