Undav im BILD-Interview: „Ich hatte mit dem Fußball schon abgeschlossen“

Er hat's allen gezeigt: Deniz Undav (27/Foto) vom VfB ist aktuell der treffsicherste, deutsche Stürmer der Liga.

Er hat's allen gezeigt: Deniz Undav (27/Foto) vom VfB ist aktuell der treffsicherste, deutsche Stürmer der Liga.

Foto: IMAGO/Moritz Müller
Von: felix arnold

BILD: Herr Undav, wie haben Sie das Auswärtsspiel der DFB-Elf in Berlin gegen die Türkei verfolgt?

Deniz Undav: Ich habe mit beiden Mannschaften mitgefiebert. Beide Nationen sind eng miteinander verbunden, weil viele Türken in Deutschland leben.

BILD: Ihre Eltern kommen aus der Türkei. Haben Sie sich bereits entschieden, für welches Land Sie spielen würden?

Undav: Nein, da bin ich offen. Zuerst muss ich konstant meine Leistung bringen und mir mögliche Einladungen verdienen. Bis zur EM im Sommer kann noch viel passieren. Mein Traum ist es, am Turnier teilnehmen. Bis zur EM stelle ich mein Handy nicht mehr auf lautlos (lacht).

BILD: Ilkay Gündogan wurde von den türkischen Fans ausgepfiffen, weil er für Deutschland spielt. Befürchten Sie, dass Ihnen das auch passieren könnte?

Undav: Ich finde es sehr gut, dass es in der deutschen Nationalmannschaft auch Spieler mit Migrationshintergrund gibt. Auch die Türkei hat Spieler, die für Deutschland spielen könnten. Ich freue mich für die Jungs, wenn sie gute Leistungen zeigen. Egal, für welches Land.

BILD: Sehen Sie sich in der Zukunft eher in Deutschland oder in der Türkei?

Undav: Ich spreche wenig türkisch, verstehe auch nur ein bisschen. Ich bin hier aufgewachsen, deshalb tendiere ich im Moment eher zu Deutschland. Auch, wenn mein Vater das etwas anders sieht (lacht).

BILD: Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie parallel dazu eine Ausbildung zum Maschinenführer gemacht. Heißt das, Sie könnten auch den VfB-Bus fahren?

Undav: Nein, lieber nicht (lacht). Während meiner Ausbildung hatte ich mit Lasermaschinen zu tun, auf die ich Programme aufgespielt habe, damit das Material richtig geschnitten wird.

BILD: Zu der Zeit war der Profifußball für Sie ganz weit weg. Wissen Sie ihr Leben heute viel mehr zu schätzen?

Undav: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß, was es heißt, hart zu arbeiten, musste zwei Jahre lang jeden Tag um 4 Uhr aufstehen. Heute bin ich froh, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.

Stürmer Deniz Undav (27/r.) nahm sich über eine Stunde Zeit für das Gespräch mit BILD-Reporter Felix Arnold.

Stürmer Deniz Undav (27/r.) nahm sich über eine Stunde Zeit für das Gespräch mit BILD-Reporter Felix Arnold.

Foto: Pressefoto Rudel

BILD: Dabei wollten Sie Ihre Karriere zwischenzeitlich schon beenden. Wie hat Ihre Familie Sie überzeugt, weiterzumachen?

Undav: Ich habe mit meinem Vater und meinem Onkel gesprochen und zu ihnen gesagt ‘Ich glaube, es wird nix mit dem Fußball‘. Zu dem Zeitpunkt hatte ich selbst schon mit dem Fußball-Thema abgeschlossen, wollte stattdessen lieber arbeiten und mein eigenes Geld verdienen. Aber sie haben mich davon überzeugt, dass ich mein Talent nicht einfach wegwerfen, sondern es allen beweisen soll. Am Ende habe ich Ihnen zuliebe weitergemacht.

BILD: In der Jugend von Werder Bremen wurde Ihnen nach zwei Jahren gesagt, sie seien zu klein und zu dick, um Profi zu werden. Wie hart war das für Sie?

Undav: Das war damals sehr schlimm, weil ich mit dem Ziel zu Werder gegangen bin, dort Profi zu werden. Der Verein lag direkt vor der Haustür, meine ganze Familie hat das von mir erwartet. Und dann aussortiert zu werden, war schon hart. In dem Moment war ich am Boden zerstört. Wenn ich jetzt noch den Schritt zum Nationalspieler schaffe würde, könnte man sagen: ‚Deniz, du hast am Ende noch das Beste herausgeholt‘.

BILD: Über Drittligist Meppen und den belgischen Klub Union Saint-Gilloise haben sie 2022 den Sprung zu Brighton in die Premier League geschafft. Was war das für ein Gefühl?

Undav: In Belgien habe ich sofort meine Tore gemacht, nach der Hinrunde kamen schon die ersten Angebote aus Italien. Als mein Berater mir am Telefon jedoch erzählte, dass Brighton mich haben möchte, war für mich sofort klar, dass ich das machen will. Die Premier League ist die beste Liga mit dem besten Fußball. Ich wollte die Chance unbedingt ergreifen, mich dort zu beweisen. Am Ende bin ich überglücklich, diese Erfahrung gemacht zu haben. Auch, weil ich in Brighton unglaublich viel gelernt habe.

BILD: Trainer in Brighton ist Roberto de Zerbi, bei dem Sebastian Hoeneß hospitiert hat. Wie ähnlich sind sich die beiden und wie viel de Zerbi Fußball steckt im VfB?

Undav: de Zerbi achtet auf jedes Detail, er ist ein Perfektionist, bei dem jeder Spielzug perfekt sein muss. Im Training wurde bei einem schlechten Pass die Übung unterbrochen, man musste von vorne anfangen. Auf diese Weise bringt er eine Energie rein, die dich als Spieler entweder mitreist oder einschüchtert. Sebastian Hoeneß ist im Umgang mit uns etwas ruhiger, hat aber genause eine klare Spielidee, die er auf den Platz bringen will. Beide sind sehr ehrliche Trainer, die dir klar sagen, woran du bist.

BILD: Im Sommer kam de Zerbi auf Sie zu und erklärte Ihnen, dass Sie keine guten Aussichten auf Spielzeit haben. Warum dann der Schritt zum VfB?

Undav: Ich kannte Sebastian Hoeneß von früher und wusste, welchen Fußball er spielen möchte. Wenn man auf die Anzahl der Torchancen blickt, stand der VfB im letzten Jahr viel weiter oben als in der Tabelle als nach Punkten. Für mich als Stürmer war deshalb klar, dass ich hier meine Tore machen kann. Auch die Gespräche mit Fabian Wohlgemuth haben mir ein gutes Gefühl gegeben.

Keine Konkurrenten, sondern Kollegen: Deniz Undav (27/l.) und Serhou Guirassy (27/r.) harmonieren perfekt.

Keine Konkurrenten, sondern Kollegen: Deniz Undav (27/l.) und Serhou Guirassy (27/r.) harmonieren perfekt.

Foto: Pressefoto Rudel

BILD: Unter Top-Stürmern herrscht häufig Konkurrenzkampf. Warum funktioniert es zwischen Ihnen und Serhou Guirassy so gut?

Undav: Serhou und ich gönnen uns gegenseitig den Erfolg. Auch, weil wir beide wissen, dass wir nur als gesamte Mannschaft gut aussehen können. Wir haben beide hohe Erwartungen an uns selbst. Serhou hat Spaß am Fußball und trifft aktuell, wie er will. Er ist ein lustiger und fröhlicher Typ, macht viele Späße. Bei mir ist es ähnlich (lacht).

BILD: Sie sind nach kurzer Zeit bereits sehr beliebt im Team. Wie kommt das?

Undav: Der VfB hat in den letzten Jahren gegen den Abstieg gespielt, da war die Stimmung in der Kabine zeitweise natürlich gedrückt. Wenn ich mit meiner lockeren, kommunikativen Art zu einer positiven Atmosphäre beitragen kann, freut mich das. Das Team hat mich gut aufgenommen.

BILD: Sind Sie auch der Kabinen-DJ im Team?

Undav: Nein, weil ich nur Deutschrap höre. Daxo (Dan-Axel Zagadou/Anm. d. Red.) ist bei uns für die Musik zuständig, spielt viele französische Lieder. Ich sage ihm nach jedem Spiel, dass seine Playlist eine Katastrophe ist. Dann sagt er immer, dass ich meine anmachen soll. Aber das mache ich lieber nicht. Und solange wir die Spiele gewinnen, ist alles gut.

BILD: Ende November steht der VfB in der Bundesliga sensationell auf Platz drei, ist auf Kurs Champions League. Wurde in der Kabine schonmal die Hymne gespielt?

Undav: Nein, nein (lacht). Das Ziel ist es, das Selbstvertrauen mitzunehmen und trotzdem auf dem Boden zu bleiben. Wenn man sieht, dass der VfB zwei Jahre Abstiegskampf hinter sich hat, müssen wir doch froh sein, wenn wir eine ruhige Saison spielen.

Daumen hoch! Auf Tabellenplatz drei läuft es aktuell für Stürmer Deniz Undav (27/Foto) und den VfB Stuttgart.

Daumen hoch! Auf Tabellenplatz drei läuft es aktuell für Stürmer Deniz Undav (27/Foto) und den VfB Stuttgart.

Foto: Pressefoto Rudel

BILD: Mit dem Wechsel zum VfB haben Sie sich den Traum von der Bundesliga erfüllt. Haben Sie diesen Schritt auch gemacht, um stärker im Fokus des Bundestrainers zu sein?

Undav: In England habe ich in den letzten acht Spielen fünf Tore gemacht, war bei den Minuten pro Tor auf Platz fünf im Ranking der Premier League. Ich weiß nicht, ob der Bundestrainer mich wirklich auf dem Schirm hat (lacht). Klar ist: Die Anerkennung, die ich seit meinem Wechsel nach Deutschland erfahre, ist eine ganz andere. Ich werde öfter erkannt, nach Fotos gefragt.

BILD: Sie sind aktuell nur ausgeliehen, der VfB hat im Sommer eine Kaufoption im niedrigen, zweistelligen Millionenbereich. Würden Sie gerne in Stuttgart bleiben?

Undav: Ich bin offen für alles, aber es ist zu früh, sich darüber Gedanken zu machen. Wenn ich die nächsten 20 Partien schlecht spiele und nur zwei Tore mache, will mich der VfB vielleicht nicht haben. Ich liebe den Verein, die Fans und die Stadt und kann mir vorstellen, lange hier zu bleiben. Aber wir müssen abwarten, was im Sommer passiert.

BILD: Wie tickt der Torjäger Undav privat?

Undav: Ich gucke viel Basketball, gehe mit den Teamkollegen raus oder mit meiner Frau essen. Außerdem bin ich jede Woche einmal beim Frisör (lacht). Jetzt in der kalten Jahreszeit schaue ich gerne Serien, bleibe eher zuhause und versuche, über das Telefon mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben.

BILD: Wie gefällt Ihnen Stuttgart?

Undav: Ich kannte die Stadt vorher nicht, bin nur einmal mit dem Zug daran vorbeigefahren. Die Leute sprechen gefühlt eine andere Sprache, aber auch das gefällt mir (lacht). Und dazu kommen die unglaublichen Fans, die einen fast vergöttern, wenn es gut läuft.

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