Gert Rosenthal im Gespräch :
Jede Art von Spiel machte meinem Vater Spaß

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Dass Gert Rosenthal einen berühmten Vater hat, werden viele erkennen. Der irrte sich nur einmal: Man werde ihn nach seinem Tod schnell vergessen
Von 1971 bis 1986 lief im ZDF die Kult-Show „Dall Dalli“ mit Hans Rosenthal. Nun erlebt sie unter dem Titel „Das ist Spitze!“ im Ersten eine Renaissance. Auch darüber sprechen wir mit dem Sohn des legendären Showmasters.
Ihr Vater, Hans Rosenthal, war einer der bekanntesten Unterhalter im deutschen Fernsehen. In einem hat er sich verschätzt: dass sich niemand an ihn erinnern werde. Siebenundzwanzig Jahre nach seinem Tod kommt seine Sendung wieder.

Er hat, als er schon krank war, zu mir gesagt, ich soll nicht traurig sein, aber man werde ihn nach seinem Tod schnell vergessen. Denn er habe aktuelle Sendungen gemacht, die von den Kandidaten leben. Es war eine Situationskomik und die kann man nicht wiederholen. Quizsendungen könne man nicht wiederholen. Und deshalb werde man ihn schnell vergessen. Umso mehr freue ich mich natürlich, dass man immer noch an ihn denkt, auch unabhängig von „Dalli Dalli“.

Werden Sie wiedererkannt?

Es kommt vor, wenn man meinen Namen hört. Aber nur bis zu einem bestimmten Alter. Bei den unter Fünfundzwanzig-, Dreißigjährigen kennt meinen Vater eher keiner.

Ihren Vater kannte jeder, wie wirkte sich seine Popularität auf die Familie aus?

Stimmt, mein Vater war damals bekannter als Helmut Kohl.

Was der ausnutzte, als er im Wahlkampf einmal Ihren Vater im Urlaub besuchte.

Und Helmut Kohl wollte, dass ihn mein Vater einmal fürs Fernsehen interviewte. Mein Vater sah seine Prominenz nicht problematisch. Er sagte: Ich bin eben viel bei den Menschen im Wohnzimmer. Er wollte sich nie verstecken und meinte, ich habe doch nicht jahrelang gearbeitet, um bekannt zu werden, und verstecke mich dann hinter einer Sonnenbrille und einem Bart. Für mich hieß das: Ich solle mich nie zu sehr danebenbenehmen, weil das die Presse aufgreifen könnte: Wenn du einen Kaugummi klaust, stehst du morgen sooo groß in der “Bild“-Zeitung. Als Kind hatte ich einen relativ überschaubaren Freundeskreis. Lernte ich weitere Kinder kennen, war Prominenz zehn, fünfzehn Minuten lang interessant, und dann war das Thema durch.

War Ihr Vater als Privatmensch genauso umtriebig wie im Fernsehen?

Er war sicherlich ruhiger und nachdenklicher und ein sehr ernsthafter Arbeiter, was man in den Sendungen so nicht erkennen kann. Das sollte man ja auch nicht erkennen. Er hat sich auf viele Situationen, die entstehen können - der Ton fällt aus, die Kamera, das Licht -, vorbereitet. Die Spiele für „Dalli Dalli“ hat er zuerst mit der Familie geprobt. Er hat dann Strohkandidaten gehabt, ich weiß gar nicht, ob es den Begriff noch gibt. Das waren Studenten bei den Aufnahmen in München. So wurden Fragen, die keine witzigen Antworten ergaben, rausgeschmissen. Er erdachte sich die Spiele, die Fragen und schrieb seine Texte selbst und war deshalb mit einer „Dalli Dalli“-Sendung schon sehr lange beschäftigt.

„Das war spitze!“ hieß es bei Hans Rosenthal im ZDF
„Das war spitze!“ hieß es bei Hans Rosenthal im ZDFdapd
Die Menschen haben Ihren Vater gemocht. Das ist eine zwiespältige Angelegenheit: wenn alle meinen, man habe jemanden gewissermaßen zum guten Nachbarn, zum Freund. Und dabei vergessen, dass Ihr Vater als Verfolgter im Holocaust das Gegenteil erlebt hat.

Er hat das Gegenteil erlebt. Aber er war vielleicht auch gerade deshalb so glücklich darüber, dass er von allen anerkannt wurde. Wenn man als Kind ausgestoßen ist, ist natürlich der Wunsch groß, das zu ändern. Er hat in seinem Buch „Zwei Leben in Deutschland“ geschrieben und mir mehrfach gesagt: Sein Wunsch, zum Rundfunk zu gehen, hatte damit zu tun, dass er den Menschen sagen wollte: Wir Juden sind nicht so, wie es in der Nazizeit dargestellt wurde. Das war seine erste Überlegung, als er zum Rundfunk ging. Als er dann beim Rundfunk war, ist das völlig gekippt. Da sagte er: Ich will lieber nicht der „Quotenjude“ sein, ich verschweige das lieber. Ich möchte weder abgelehnt werden noch Zuspruch erfahren, weil ich jüdisch bin. Das kippte wieder, als er sehr, sehr beliebt war und sein Buch geschrieben hatte. Von dem Zeitpunkt an hat er über seine Zeit im Versteck im Holocaust berichtet. Da hat er die Menschen mit dem konfrontiert, was er in seinem „ersten Leben“ durchmachen musste.

Man kann sich kaum vorstellen, welche Größe es braucht, im Land der Täter zu bleiben und eine exponierte Rolle gerade in der Unterhaltung zu spielen.

Man darf das nicht nur politisch sehen. Unterhaltung im Radio und im Fernsehen hat meinem Vater einfach irrsinnig viel Spaß gemacht. Jede Art von Spiel machte ihm Spaß, ob es Skat, Fußball - er war mit Leib und Seele Fußballer - oder eine Quizsendung war. Er hat auch während seiner Krankheitszeit gesagt: Das ist mein Leben, „Dalli Dalli“ ist mein Leben. Er hat mir auch gesagt, dass er in einer politischen Redaktion ja nur gewissermaßen fremde Dinge hätte darstellen und kommentieren können. In der Unterhaltung, wie er sie machte, ging es ihm direkt um den Menschen. Er hatte ja auch in Deutschland nur bleiben können, weil es diese beiden Frauen gab, die ihm das Leben gerettet haben. Die ihn jahrelang versteckt haben, was, wenn es aufgeflogen wäre, fatale Konsequenzen für sie gehabt hätte. Mein Vater sagte, er habe „den guten Deutschen“ mit diesen beiden Frauen in der schlimmsten Zeit bei sich gehabt. Wenn es Anfeindungen gab - etwa in der „Deutschen Nationalzeitung“ oder in Briefen -, hat ihn das geärgert und betroffen gemacht, aber er hat es eingeordnet. Das waren für ihn Einzelfälle, die die überwältigende Mehrheit seiner Zuschauer verurteilt hätte. Dabei beobachtete er politische Entwicklungen sehr aufmerksam, und es war ihm immens wichtig, dass gegen rassistische Tendenzen vorgegangen wird.

Sie führen das Erbe Ihres Vaters nun weiter mit der Hans-Rosenthal-Stiftung.

Das ist vielleicht ein bisschen viel gesagt. Bei meinem Vater wurden in den Sendungen Punkte gesammelt, die am Ende in D-Mark-Beträge umgewandelt wurden. Was erspielt wurde, sollten nicht die Prominenten bekommen, sondern Menschen, die unverschuldet in Not geraten waren. Es gab jemanden, der das recherchierte. Vor den Sendungen wurden Vorschläge gemacht, dann setzten sich alle Rate-Teams zusammen und konnten sich gemeinsam für einen Fall entscheiden: Dort und dort soll das Geld hingehen. Dann gab es die ersten Spenden für die Aktion „Dalli Dalli hilft“. Nachdem mein Vater das erste Mal Spender in einer Sendung genannt hatte, gab es ganz viele Spenden, so dass man nach jeder Sendung zwei Familien unterstützen konnte. Als mein Vater schwer krank war, sagte er, diese Aktion solle nicht mit ihm sterben. Nach dem Tod meines Vaters wurde die Stiftung gegründet, angeschoben von dem damaligen ZDF-Intendanten Dieter Stolte.

Deswegen ist das ZDF nach wie vor im Vorstand Ihrer Stiftung vertreten.

Das ZDF ist im Vorstand, im Kuratorium und in der Mitgliederversammlung vertreten. Daneben der erste Sender meines Vaters, der Rias Berlin, durch den Intendanten und die Jüdische Gemeinde. Nach dem Tod meines Vaters gingen viele Spenden für die Stiftung ein. Dann gab und gibt es einige Erbschaften - von Fans meines Vaters. Jetzt, da die Sendung bei der ARD im ersten Programm läuft, hoffe ich natürlich, dass wir wieder mehr Spenden einnehmen dürfen, auch dank Kai Pflaume, der die Sendung im dritten Programm des NDR und nun „Das ist Spitze!“ im Ersten moderiert.

„Das ist spitze!“ heißt es nun mit Kai Pflaume. Am 26. September präsentiert er die Show im Ersten, im dritten NDR-Programm hat sich „Dalli Dalli“ schon warmgelaufen
„Das ist spitze!“ heißt es nun mit Kai Pflaume. Am 26. September präsentiert er die Show im Ersten, im dritten NDR-Programm hat sich „Dalli Dalli“ schon warmgelaufenNDR
Kai Pflaume scheint die richtige Besetzung zu sein.

Kai Pflaume ist toll in dem Format angekommen. Er hat sichtbar Spielfreude entwickelt, und es macht meiner Familie und mir Spaß zu sehen, wie sehr er sich in den optischen Runden einbringt.

Wie bestimmen Sie eigentlich, wem Ihre Stiftung Unterstützung zukommen lässt?

Die Informationen kommen aus ganz verschiedenen Quellen. Das können Krankenhäuser sein, Nachbarn, zum Teil die Personen selbst, von Organisationen wie der Caritas. Wir machen einiges zusammen mit der Marianne-Strauss-Stiftung, die in Bayern ein sehr enges Netz von Helfern hat. Wir haben eine hauptberufliche Mitarbeiterin, die die Vorschläge prüft und an den Vorstand gibt. Es geht bei uns um Fälle, in denen es andere Hilfe nicht gibt. Wir wollen nicht staatliche Aufgaben wahrnehmen, wir versuchen einzuspringen, wo niemand anderer hilft.

Hätte nicht das ZDF darauf kommen können, „Dalli Dalli“ zu reaktivieren?

Mein Vater hätte sich riesig gefreut. Er hatte zwar Angst davor, dass er beim ZDF nicht mehr ankommt, abgesetzt wird und jemand anderes die Sendung moderieren könnte. Deshalb hatte er sich insoweit abgesichert. Aber jetzt ist das etwas anderes: Fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod ist sein Sendekonzept offenbar immer noch so gut, dass es quasi unverändert bei der ARD funktioniert. Und das ZDF hat dem zugestimmt. Meine Mutter, die immer sehr kritisch ist, hat mir gerade erst gesagt, dass sie Kai Pflaume schreiben wolle, wie gut ihr das gefällt.

Wenn man sich die Kritiken durchliest, die Ihr Vater vor Jahrzehnten bekommen hat, wundert man sich oder auch nicht. Es ist das ewige Lamento: Das ist niveaulos, wer will das sehen? Dabei ging es bei Ihrem Vater um etwas, um Wettbewerb, man musste etwas wissen und können, fast ein Bildungsauftrag.

Ja, wobei mein Vater eines immer vermieden hat: Er wollte nicht, dass sich jemand blamiert. Das war ihm sehr wichtig, und ich glaube, das ist auch Kai Pflaume wichtig. Ein Kandidat muss immer aufgefangen werden vom Moderator, er muss sich wohl fühlen können. Das merken auch die Zuschauer.