Infografik

Befragung von Schulleitungen : Zu wenig Unterstützung durch Sozialarbeit und Schulpsychologie

Die Corona-Pandemie hat gravierende Folgen für die psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler. Hinzu kommen die Herausforderungen durch geflüchtete Kinder und Jugendliche. Reichen die Unterstützungsangebote an den Schulen aus? Eine Befragung der Schulleitungen vom November 2022 im Rahmen des Deutschen Schulbarometers zeigt, dass der Bedarf an Schulsozialarbeit und Schulpsychologie häufig nicht gedeckt werden kann.

Im November 2022 hatte der von der Bundesregierung eingesetzte Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme kritisiert, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit und auf die politische Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen unterschätzt wurden. Deshalb bräuchten sie gerade jetzt Schulpsychologinnen und -psychologen sowie professionelle Beratung. Fast gleichzeitig befragte das Institut Forsa im Auftrag der Robert Bosch Stiftung Schulleitungen in ganz Deutschland, wie es um Unterstützungsangebote durch Schulsozialarbeit und Schulpsychologie an Schulen steht. Die Ergebnisse, die nun vorliegen, zeigen einen erheblichen Mangel – selbst an Schulen, wo es Angebote gibt, reichen diese oft nicht aus.  

Insgesamt 69 Prozent der Schulleitungen sagen laut Schulbarometer, dass es an ihrer Schule ein Angebot der Schulsozialarbeit gibt. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Schularten. Am größten ist die Versorgung der Haupt-, Real- und Gesamtschulen und der Berufsschulen. Hier können fast 90 Prozent der Schulen auf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zurückgreifen. An gut 40 Prozent der Grundschulen und Gymnasien gibt es ein solches Angebot hingegen nicht.  

Wenige Angebote der Schulpsychologie an Grundschulen

Noch geringer ist die Versorgung der Schulen mit Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Insgesamt geben nur 35 Prozent der Schulleitungen an, dass an ihrer Schule ein Angebot der Schulpsychologie existiert. Am schlechtesten sieht es auch hier – mit 31 Prozent – an den Grundschulen aus, etwas besser betreut sind die Gymnasien. Hier sagen 48 Prozent der Schulleitungen, dass die Schulpsychologie für die Schule ein Angebot bereithält. 

Aber selbst an den Schulen, die auf Angebote der Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie zurückgreifen können, sagt jede zweite Schulleitung, dass der Bedarf der Schülerinnen und Schüler damit nicht ausreichend gedeckt werden kann.  

Bereits bei der Umfrage für das Deutsche Schulbarometer im September 2021 kurz vor dem zweiten Lockdown Ende 2020 im Rahmen des Schulbarometers hatten die Lehrkräfte massive Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern und Jugendlichen festgestellt. 68 Prozent berichteten damals über eine Zunahme von Motivationsproblemen, 39 Prozent über eine Zunahme von auffälliger Zurückgezogenheit und 23 Prozent beobachteten ein verstärkt aggressives Verhalten bei ihren Schülerinnen und Schülern.   

Mental Health Coaches sollen ab dem Schuljahr 2023/24 kommen

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) sagt dazu: „Viele Kinder und Jugendliche stehen angesichts der Pandemie, von Krieg und Krisen unter anhaltendem Stress. Psychische Auffälligkeiten, Ängstlichkeit und depressive Symptome kommen noch immer deutlich häufiger vor als vor der Pandemie” Wenn Kinder und Jugendliche in eine psychische Krise geraten, bräuchten sie schnelle und gut erreichbare Hilfe, um zu verhindern, dass aus Krisen Krankheiten werden, so die Ministerin weiter. Hier setze das Modellprogramm Mental Health Coaches an. Speziell in mentaler Gesundheit geschulte sozialpädagogische Fachkräfte sollen altersgerechte Gruppenpräventionsangebote zum Thema Mental Health machen und andererseits als Ansprechpersonen für Schülerinnen und Schüler in akuten Krisensituationen zur Verfügung stehen und diese bei Bedarf in weitere Unterstützungsangebote vor Ort vermitteln. Die Coaches sollen laut Bundesfamilienministerin zum Schuljahr 2023/24 starten. 

Neue Bedarfe durch geflüchtete Kinder aus der Ukraine

An den meisten Schulen wurden seit März geflüchtete Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine mit teilweise traumatischen Kriegserfahrungen aufgenommen, auch dadurch entstehen zusätzliche Bedarfe an Hilfsangeboten. „Unsere Erfahrung zeigt, dass wir für diese Kinder und Jugendlichen eine besondere Unterstützung benötigen“, sagt Stefan Brömel, Leiter des DaZ-Zentrums der Fridtjof-Nansen-Schule in Flensburg und Projektleiter der Werkstatt „Willkommen, Ankommen, Weiterkommen“ der Robert Bosch Stiftung. 

Die Schülerinnen und Schüler seien meist gegen ihren Willen nach Deutschland geflüchtet und wünschten sich, so schnell wie möglich wieder zurückkehren zu können, so Brömel. Die Motivation, Deutsch zu lernen und hier im Bildungssystem Fuß zu fassen, sei daher häufig gering. Vielen sei es wichtiger, weiter dem ukrainischen Online-Unterricht ihrer Herkunftsschule zu folgen. Gleichzeitig lebten viele in ständiger Angst um Familienmitglieder in ihrer Heimat. Vor allem Jugendliche litten unter der unklaren Zukunftsperspektive, weil sie nicht wissen, ob es nach der Schule in Deutschland oder in der Ukraine für sie weitergeht. Auf diese besonderen Umstände müssten Schulen nun reagieren. 

Das Deutsche Schulbarometer auf einen Blick

  • Für das aktuelle Deutsche Schulbarometer hat Forsa im Auftrag der Robert Bosch Stiftung Schulleitungen befragt. Im Fokus der Befragung standen die aktuellen Herausforderungen, vor denen Schulleiterinnen und Schulleiter in diesem Schuljahr stehen: die Lernrückstände der Schülerinnen und Schüler, die Versorgung durch Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sowie die Aufnahme und das Unterrichten geflüchteter Kinder und Jugendlicher.
  • Die repräsentative bundesweite Befragung von Schulleitungen fand vom 31. Oktober bis 16. November 2022 statt. Insgesamt wurden 1.055 Schulleitungen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen befragt.
  • Die ermittelten Ergebnisse sind unter Berücksichtigung der bei allen Stichprobenerhebungen möglichen Fehlertoleranzen (im vorliegenden Fall +/-3 Prozentpunkte) repräsentativ für die Gesamtheit der Schulleitungen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland.
  • Zum aktuellen Deutschen Schulbarometer hat die Robert Bosch Stiftung auch ein Factsheet veröffentlicht. Es steht hier zum Download bereit:
  • Die Robert Bosch Stiftung lässt seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen, die als „Deutsches Schulbarometer“ veröffentlicht werden. Einen Überblick über alle bislang veröffentlichten Befragungen sind hier zu finden:

Forschungsprojekt „Monitor Bildung und psychische Gesundheit“ (BiPsy)

  • An dem Kooperationsprojekt „Monitor Bildung und psychische Gesundheit (BiPsy-Monitor)“ sind die Universität Leipzig, die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und die Robert Bosch Stiftung beteiligt.
  • Ziel des Projekts ist der Aufbau eines bundesweiten Monitors, der die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen in ambulanten psychotherapeutischen Versorgungsstrukturen und an Schulen entlang der Zeitachse von vier Jahren abbildet. Im Rahmen der Studie werden zudem Zusammenhänge zwischen Unterricht – einschließlich Prüfungskultur – und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen untersucht. Ein weiterer Fokus des „Monitor Bildung und psychische Gesundheit“  ist die Frage, welche Informationen Kinder, Jugendliche und Familien benötigen, damit sie psychosoziale Hilfsangebote in Anspruch nehmen.
  • Mehr zum Projekt gibt es hier.