Will man das weitverzweigte Netzwerk zwischen Politik und Wirtschaft in Niedersachsen verstehen, beginnt man am besten beim Nord-Süd-Dialog. Der Eventmanager Manfred Schmidt organisierte diese Lobby-Veranstaltungsreihe von 2007 bis 2009 für niedersächsische und baden-württembergische Unternehmer, um sie mit Vertretern der Politik in beiden Ländern zusammenzubringen – im Quasi-Auftrag der Landesregierung in Hannover : Es sei eine "interessante Idee" gewesen, die Organisation dieser Lobby-Treffen "outzusourcen", bestätigte der jetzige niedersächsische Regierungssprecher Rainer Ernste.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich an der Sponsorensuche und Teilnehmerauswahl sowie der Organisation nicht nur Wulffs damaliger Sprecher und Staatssekretär Olaf Glaeseker, sondern auch der Chef der Staatskanzlei und heutige Leiter des Bundespräsidialamtes, Lothar Hagebölling beteiligt – und der Ministerpräsident selbst, der Schirmherr war und 2009 im Vorfeld an einem Sponsoren-Stehempfang in Räumen der Norddeutschen Landesbank teilnahm.

Die Nord/LB gehört zu über 50 Prozent dem Land Niedersachen, unterliegt also der Kontrolle der Landesregierung. Sie beteiligt sich, wie sie ZEIT ONLINE bestätigte, ebenfalls finanziell und direkt an der Dialogreihe.

685.000 Euro kamen so nach Informationen des Spiegel allein 2009 an Sponsorengeld zusammen. Die Veranstaltung kostete dagegen demnach nur etwa 300.000 Euro. Ein ordentlicher Gewinn – wenn ihn denn Schmidt allein eingesteckt hat, was kaum im Sinne der Sponsoren gewesen sein kann. Oder ist ein Teil des Überschusses in andere Kanäle geflossen? Auch dies eine der vielen unbeantworteten Fragen der Opposition im Landtag.

Beteiligung des Landes

Geklärt scheint hingegen inzwischen, dass sich das Land selbst auch direkt an der Dialogreihe und deren Finanzierung beteiligt hat: 44 Studenten der Medizinischen Hochschule Hannover waren 2009 als Servicekräfte im Einsatz; für ein Kochbuch, das die Teilnehmer 2009 zum Abschied erhielten, mit Rezepten des Kochs der Nord/LB, von Glaesekers Frau Vera, der Leiterin eines CDU-Anzeigenblattes, verfasst und mit einem Vorwort Wulffs versehen, steuerte das Landwirtschaftsministerium knapp 3.500 Euro bei. Den Rest der Druckkosten von 12.000 Euro besorgte wiederum Wulffs Sprecher Glaeseker über Sponsoren. Einen Teil der Auflage übernahm die Nord/LB.

Und der Gästekoch der Landesbank kochte auch selbst auf für die rund 700 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Showbusiness, wie die Nord/LB auf Anfrage von ZEIT ONLINE bestätigte.

Diese Rechnung belegt die Beteiligung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums an dem Kochbuch. Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung.Quelle: HAZ

Die Landesregierung prüft nun, ob noch weitere Ministerien Beihilfe für den Privatveranstalter Schmidt leisteten. Der SPD-Landtagsabgeordnete und frühere Innenminister Heiner Bartling will deswegen gegen Wulff vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof, dem Verfassungsgericht des Landes, klagen. Denn die Landesregierung hatte noch in der vergangenen Woche eine Beteiligung am Nord-Süd-Dialog im Landtag vehement bestritten – obwohl Finanzminister Hartmut Möllring zuvor eigens nach Berlin gefahren war, um mit Wulff in dieser Frage Rücksprache zu halten. 

Möllring, der schon unter Wulff amtierte, versucht jedoch, jede Verantwortung von sich, der Landesregierung und Wulff wegzuschieben. Er fühle sich von Glaeseker "beschissen", sagte er im Landtag, verantwortlich für die Fehlinformation sei allein der frühere Regierungssprecher. Die Opposition hingegen hat den Eindruck, Glaesker werde zum "Bauenopfer" gemacht, um Wulff und die jetzige Landesregierung zu entlasten. "Die Landesverfassung verlangt Antworten nach bestem Wissen – nicht nach erstbestem Wissen", kritisiert SPD-Fraktionschef Stefan Schostok.

Schmidt zeigte sich für die vielfältige Unterstützung jedenfalls erkenntlich: Glaeseker soll er drei Mal mit Frau in seine Ferienvillen in Spanien und Südfrankreich eingeladen und ihm seine VIP-Karte für Freiflüge ausgehändigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deswegen gegen beide wegen Bestechung und Bestechlichkeit.

Für Glaesekers Chef richtete Schmidt am Abend der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten am 30. Juni 2010 in seiner Penthouse-Residenz am Brandenburger Tor eine illustre Party aus. Die Staatskanzlei in Hannover durfte nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung dafür 80 Teilnehmer benennen, teils aus Wulffs engsten Umfeld.