Ordensverleihung an die Ministerpräsidentin Malu Dreyer sowie die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Dietmar Woidke, Stephan Weil, Reiner Haseloff und Bodo Ramelow sowie an den Ministerpräsidenten a. D. und Bundesminister a. D. Horst Seehofer

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 24. November 2023

Der Bundespräsident hat am 24. November bei der Ordensverleihung an Ministerpräsidentin Dreyer und die Ministerpräsidenten Haseloff, Kretschmann, Ramelow, Weil, Woidke sowie den Ministerpräsidenten a.D. Seehofer in Schloss Bellevue eine Rede gehalten: "Demokratie ist ein Miteinander der Verschiedenen, sie lebt vom Dialog, vom Respekt voreinander. Und Demokratie lebt von Politikerinnen und Politikern wie Ihnen, die Verantwortung zu übernehmen bereit sind und diesen Dialog führen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht am Rednerpult vor der Standarte im Großen Saal in Schloss Bellevue und hält eine Laudatio auf die Geehrten, im Vordergrund sind seine Gäste zu erkennen

Metallflugzeugbauer, Hauswirtschaftsleiterin, Lastwagenfahrer, Volkswirtin, Schlosser, Erzieherin, Lehrer – wer Eltern mit diesen Berufen hat, der ist nicht per se in die Politik hineingeboren. Diese so unterschiedlichen Berufe, das waren die Berufe Ihrer Eltern. Und mein Vater war Tischler.

Ich finde, das sagt viel aus über unsere Demokratie: Es zeigt, dass der Weg in höchste politische Führungsämter bei uns eben nicht allein vom Elternhaus vorgezeichnet ist, dass er niemandem in die Wiege gelegt ist. Und es zeigt, bei allen regionalen und politischen Unterschieden, dass Sie alle aus der Mitte der Gesellschaft stammen.

Und das prägt, glaube ich, Ihre Art, Politik zu machen: im Dialog, ansprechbar für die Menschen. Sie hören zu und erklären, Sie nehmen Ideen von anderen auf. Sie sind nah bei den Menschen und haben dennoch oder gerade deshalb auch das große Ganze im Blick – die Zukunft unseres Bildungssystems, die Modernisierung der Infrastruktur, den Umbau der Wirtschaft, die Völkerverständigung mit unseren Nachbarländern. Und oft genug sind Sie zugleich akute Krisenmanager, wenn es etwa um die Unterbringung von Geflüchteten, die Bewältigung der Corona-Pandemie und vieles andere mehr geht. Dass Sie alle, sowohl bei den großen Zukunftsfragen als auch bei den akuten Krisen, erfolgreiche Politik machen, das hängt eben, so meine ich, viel mit Ihrem sehr persönlich geprägten Politikstil, mit Ihrer fortwährenden Gesprächsbereitschaft und Ihrem großen Engagement für Ihr Bundesland und seine Menschen zusammen.

Sie haben über viele Jahre als Ministerpräsidentin und als Ministerpräsidenten Deutschland und ganz besonders natürlich Ihren jeweiligen Bundesländern gedient, und fast alle von Ihnen tun es auch heute noch. Die Menschen haben Ihnen mehrfach in Wahlen das Vertrauen geschenkt. Und Sie alle haben schon einmal den Bundespräsidenten vertreten, während Sie die Bundesratspräsidentschaft innehatten – auch dafür möchte ich Ihnen herzlich danken.

Der Orden, den ich Ihnen heute verleihen darf, bringt zum Ausdruck, dass unser Land Ihnen dafür dankt, mit welch großer Ausdauer und welchem Einsatz Sie höchste politische Verantwortung in unserer Demokratie übernommen haben. Denn Sie alle zeigen: Politik ist ein Dienst am Gemeinwohl. Sie setzen sich mit Ihrer Persönlichkeit und Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit für diese unsere Demokratie ein. Demokratie ist, wem sage ich das, ein Miteinander der Verschiedenen, sie lebt vom Dialog, vom Respekt voreinander. Und Demokratie lebt von Politikerinnen und Politikern wie Ihnen, die Verantwortung zu übernehmen bereit sind und diesen Dialog führen.

Ihnen und Ihren Gästen ein herzliches Willkommen hier in Schloss Bellevue. Ich freue mich, Sie nun – in alphabetischer Reihenfolge – mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland auszeichnen zu dürfen.

Ich starte in Rheinland-Pfalz, mit Ihnen, liebe Malu Dreyer. Als Sie vor über zehn Jahren in der Staatskanzlei in Mainz Ihr Amt aufnahmen, da waren Sie die erste Ministerpräsidentin Ihres Bundeslandes. Auch heute sind Sie die einzige Frau hier in unserer Runde unter den Ausgezeichneten. Aber dennoch, denke ich, kann man sagen: Ohne dass das vielleicht bei Ihnen der entscheidende Antrieb für Ihren Weg in die Politik war, Sie sind doch zum Vorbild für viele junge Frauen in unserem Land geworden. Sie leben, was die von Ihnen bewunderte Ruth Bader Ginsburg forderte: Frauen gehören in alle Posten, in denen Entscheidungen getroffen werden. Frauen dürfen nicht die Ausnahme sein.

In Rheinland-Pfalz sind Sie bekannt als Malu, darin schwingt große Nähe und Sympathie mit. Die Menschen sehen Sie als eine von uns. Vielleicht hat das damit zu tun, dass Sie die direkte Begegnung mit Menschen besonders lieben, nicht zuletzt Politik mit erkennbarer Leidenschaft machen. Das spürt man, das spüren die Menschen. Königin der Herzen sind Sie mehr als einmal in den Medien genannt worden.

Aber auch jenseits von Herzenswärme: Sie genießen großen Respekt. Denn Sie wissen: Es reicht nicht immer, nur freundlich zu sein – man braucht im entscheidenden Moment auch Bestimmtheit und Durchsetzungsvermögen. Das haben Sie schon als Bürgermeisterin in Bad Kreuznach, als Dezernentin in Mainz und als Sozialministerin im Kabinett Ihres Vorgängers Kurt Beck bewiesen, wo Sie unter anderem schon früh einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durchgesetzt haben. Mit Ihrem Durchsetzungsvermögen haben Sie immer, in all Ihren Ämtern, für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit gekämpft. Und als Ministerpräsidentin hatten und haben Sie enorme Herausforderungen zu meistern: Ich denke natürlich an die Flutkatastrophe im Ahrtal, wo Sie sich weiterhin konsequent dafür einsetzen, die Folgen zu überwinden und künftige Hochwassersituationen besser managen zu können.

Liebe Frau Dreyer, ich danke Ihnen für Ihren langjährigen Einsatz als Ministerpräsidentin für Rheinland-Pfalz. Ich freue mich, Ihnen nun das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen zu dürfen.

Alphabetisch – deswegen geht es jetzt von Mainz weiter nach Magdeburg: Lieber Reiner Haseloff, Sie sind derzeit, ich darf das sagen, der dienstälteste deutsche Ministerpräsident, seit über zwölf Jahren im Amt. Dabei galt Ihre Aufmerksamkeit zunächst nicht so sehr der Politik – seit der Mondlandung interessierten Sie sich, wie ich gehört habe, für Naturwissenschaften und wurden konsequenterweise Physiker. Im wiedervereinigten Deutschland nutzten Sie die Chance frühzeitig, sich politisch einzubringen. Und Sie haben den Wandel hin zu einer freiheitlichen Demokratie im wiedervereinigten Deutschland mitgeprägt und mitgestaltet. Sie gehen mit den letzten dreißig Jahren in der Ihnen eigenen pragmatischen Art um, wenn Sie sagen: Ich weiß um die enormen Erfolge, die wir hatten, und ich weiß auch um die Defizite, die wir noch haben.

Pragmatisch und nüchtern die Dinge zu betrachten, das haben Sie aus Ihrer naturwissenschaftlichen Prägung vielleicht in die Politik mitgebracht. Authentisch, das ist eine Eigenschaft, die Ihnen immer wieder attestiert wird, und Sie selbst sagen, dass Sie bleiben wollen, wie Sie sind. Ihr Pragmatismus geht einher mit der hohen Kunst zum Kompromiss, die Sie in wechselnden und sicher nicht immer einfachen Koalitionen als Ministerpräsident bewiesen haben. Und Sie achten darauf, so hört man, dass Sie sich mit Menschen umgeben, die keine Scheu haben, Ihnen auch zu widersprechen und eine andere Meinung zu vertreten.

Tief geprägt sind Sie von Ihrem christlichen Glauben, den Sie auch zu DDR-Zeiten gelebt haben. 2017 haben Sie in Ihrer Heimatstadt Wittenberg auch als Katholik das Lutherjubiläum und 500 Jahre Reformation sichtbar gerne gefeiert, wie ich bezeugen kann. Den Kampf gegen den Rechtsextremismus führen Sie aus christlicher und demokratischer Überzeugung: Den rechtsextremen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle haben Sie als den dunkelsten Tag Ihrer Amtszeit bezeichnet. Und mit Ihrer unerschütterlichen Haltung in der Auseinandersetzung mit denen, die Hass und Hetze verbreiten, sind Sie in diesen Tagen wirklich ein Vorbild für viele.

Lieber Herr Haseloff, Sie haben sich in herausragender Weise verdient gemacht um unser Land, und so darf ich Ihnen nun das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen.

Wir ziehen weiter in den Südwesten unserer Republik, wo Sie, lieber Winfried Kretschmann, seit 2011 überwiegend von der Villa Reitzenstein aus Baden-Württemberg regieren. Ihre Eltern waren Vertriebene aus Ostpreußen. Sie selbst, obgleich natürlich nach dem Krieg geboren, erinnern sich gut an die Härten des Flüchtlingsdaseins.

Sie haben einmal gesagt, Sie könnten als Heimwerker eigentlich alles außer Schweißen – aber selbst das, so habe ich vernommen, haben Sie mittlerweile gelernt. Eines können Sie jedenfalls hervorragend: im übertragenen Sinne Menschen zusammenschweißen. Als Sie zum ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands gewählt wurden, war das politisch eine kleine Sensation. Wir erinnern uns: Damals waren die Meinungen etwa zum Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs gerade noch unerbittlich aufeinandergeprallt. Vor Ihrer Wahl waren Sie als Kritiker des Projekts beteiligt an den langen Schlichtungsbemühungen, im Amt setzten Sie eine Volksabstimmung und schlussendlich, nach der Volksabstimmung, auch den Bau von Stuttgart 21 um. Sie haben in diesem schwierigen und heiklen Prozess immer wieder Menschen zusammengebracht, sie beteiligt, ihnen zugehört – vielleicht gar nicht wegen dieses besonderen Projekts, sondern weil das der Kern Ihres Politikstils ist.

Viele Ihrer politischen Entscheidungen begründen auch Sie mit dem christlichen Menschenbild; mit Ihrem Glauben, den Sie, so sagen Sie, immer wieder erringen müssen. Und zugleich sind Sie inspiriert von der Philosophie von Hannah Arendt. All das macht Sie unabhängig und unbestechlich im Denken und im Handeln. Und darauf beruhte auch eine humanitäre Geste, die viel Beachtung fand: 2015 setzten Sie sich dafür ein, jesidische Frauen und Mädchen aufzunehmen, die in IS-Gefangenschaft im Irak schwer gelitten hatten. So kam damals auch Nadia Murad nach Baden-Württemberg, die drei Jahre später den Friedensnobelpreis erhielt.

Lieber Herr Kretschmann, für Ihr langjähriges politisches Wirken als Ministerpräsident darf ich Sie nun mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland auszeichnen.

Von Stuttgart geht es nach Erfurt – zu Ihnen, lieber Bodo Ramelow. Auch Ihr Weg in höchste politische Ämter war nicht unbedingt vorgezeichnet. Die Schule, so erzählen Sie, fiel Ihnen alles andere als leicht; Sie waren der Klassenclown, und die Lehrerinnen und Lehrer wussten nicht, warum eigentlich. Heute können wir zum Glück besser damit umgehen – denn heute wissen wir, was Legasthenie ist und wie wir Kinder unterstützen können, denen Schreiben und Lesen schwerfällt. Dass Sie darüber heute als Politiker offen sprechen, das ermutigt viele Menschen.

Sie sagen, dass die schulischen Erfahrungen Sie gelehrt haben, ausdauernd zu sein und nicht aufzugeben. Und so gingen Sie Ihren Weg, vom Einzelhandelskaufmann zum Filialleiter, zum Gewerkschaftssekretär und von Hessen nach Thüringen. In gewisser Weise vollenden Sie so auch die gesamtdeutsche Biographie Ihrer Familie, denn Ihr früh verstorbener Vater stammte aus Sachsen-Anhalt. 1990 kamen Sie nach Erfurt, 2014 wurden Sie dort der bundesweit erste Ministerpräsident der Partei Die Linke. Das sind Sie bis heute. Und Sie haben daher vielleicht allein parteipolitisch betrachtet keine natürlichen Verbündeten in den anderen Bundesländern; aber durch Ihre pragmatische Art und Ihre Dialogbereitschaft kommen Sie immer wieder gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kolleginnen nicht nur zu engem Austausch, sondern zu guten Ergebnissen.

Man sagt, Sie seien ausdauernd und bisweilen zäh in den Verhandlungen. Aber Sie genießen großen Respekt für Ihre ausgleichende Art als Regierungschef. So gelingt es Ihnen, nicht nur Ihre Koalitionen zusammenzuhalten, sondern als Ministerpräsident einer Minderheitsregierung handlungsfähig zu bleiben. Aber Sie sind auch streitbar und unerschrocken, wenn Sie in harten Debatten gegen Rechtsextremismus und Geschichtsrevisionismus Position beziehen und klare Haltung zeigen. Sie lassen sich nicht zum Schweigen bringen und kämpfen leidenschaftlich für unsere Demokratie.

Ihre Freude an der Diskussion, Ihre Lust auf Dialog zeigen sich auch immer wieder auf Ihren Social-Media-Kanälen. Streitbar und meinungsstark, so nimmt man Sie nicht nur in Ihrer Partei, sondern im ganzen Land wahr.

Lieber Herr Ramelow, ich danke Ihnen für Ihr engagiertes langjähriges Wirken als Ministerpräsident und darf Ihnen nun das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen.

Von Thüringen gehen wir nur kurz über die Landesgrenze nach Bayern und zu Ihnen, lieber Horst Seehofer. Sie sind heute im Kreis der Auszuzeichnenden der einzige, der nicht mehr in der aktiven Politik ist. Wenn man den Medienberichten nach Ihrem Abschied als Bundesminister Glauben schenkt, dann genießen Sie sogar die Zeit nach der Politik in Ihrer Heimat Bayern.

Bayern, wir erinnern uns, das sei die Vorstufe zum Paradies, haben Sie, lieber Horst Seehofer, immer wieder gesagt. Zehn Jahre lang waren Sie dort Ministerpräsident, und dafür ehren wir Sie heute. Über vierzig Jahre lang haben Sie die Politik in Bayern und Deutschland mitgestaltet und dabei immer auch für die Interessen Bayerns gekämpft in der Ihnen eigenen, ich darf sagen, markanten Art. Dabei hatten Sie den ländlichen Raum im Bayerischen Wald genauso im Blick wie die boomende Industrie rund um die größeren Städte Bayerns oder den Mittelstand im ganzen Land.

Verachtet mir die kleinen Leute nicht, das haben Sie einmal gesagt, und daran haben Sie all die Jahre immer wieder erinnert. Auch Ihnen waren die politischen Spitzenämter in Bund und Land nicht gerade in die Wiege gelegt. Ihr Vater hatte Arbeit auf dem Bau, wenn es Arbeit gab; daheim teilten Sie sich alle zusammen lange Zeit ein Zimmer. Schon als Jugendlicher gingen Sie in die Politik, mit einer ordentlichen Portion Ehrgeiz, wie man sagt, ausgestattet.

Sie arbeiteten sich beruflich schnell zum Verwaltungswirt hoch. 1980 zogen Sie in den Bundestag ein und machten sich rasch einen Namen als streitbarer Sozialpolitiker, der sich für die einsetzte, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Unerschütterlich traten Sie dafür ein, dass der soziale Zusammenhalt gewahrt bleiben müsse und ein starker Sozialstaat unabdingbar sei.

Sie haben nicht nur in Bayern, sondern auch auf der Bundesebene höchste Verantwortung getragen: als Gesundheitsminister, als Landwirtschaftsminister und zuletzt als Innenminister. Wir beide haben zur gleichen Zeit im Bundeskabinett gedient und erinnern uns an lange Nächte mit Koalitionsausschüssen. Und auch hier in Bellevue erinnern sich noch einige Mitarbeiter an Sie, als Sie 2012 vor dem Amtsantritt von Bundespräsident Gauck, sozusagen während der Vakanz, für einen Monat als Bundesratspräsident die Geschäfte hier im Hause geführt haben.

Sie haben sich in herausragender Weise verdient gemacht um unser Land. Ich bitte Sie nun nach vorn, um Ihnen das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen.

Jetzt kommen wir in eine Staatskanzlei, die ich auch ganz gut kenne – nach Hannover, zu Ihnen, lieber Stephan Weil. Seit über zehn Jahren sind Sie Ministerpräsident von Niedersachsen. Aber auch Ihr voriger Arbeitsplatz war nur ein paar hundert Meter davon entfernt; es war das Hannoversche Rathaus, wo Sie erst als Kämmerer, dann als Oberbürgermeister tätig waren.

Wir kennen uns vermutlich hier in dieser Runde am längsten: mehr als dreißig Jahre! Als ich 1991 nach Hannover kam, haben Ihnen schon viele eine große politische Karriere vorausgesagt – und die, die das gesagt haben, haben recht behalten. Wenn ich lese, dass Sie nüchtern mit Zahlen und Finanzen umgehen können, dann ist das eine Untertreibung. Alle, die mit Ihnen zusammengearbeitet haben oder zusammenarbeiten, wissen, dass Schnellschüsse ins Blaue nicht Ihre Art sind, dass Sie Probleme gründlich durchdringen und zu Ende denken, bevor Sie Ihre Lösungen präsentieren – und das in aller Regel ohne viel Aufhebens um Ihre eigene Person. Die Kommunalpolitik war Ihre langjährige Schule, wo es immer um konkrete Lösungen für konkrete Probleme geht. Und diese Herangehensweise, so scheint mir, haben Sie sich auch in der Staatskanzlei bewahrt.

Ich will nichts Besonderes sein, aber ich mache eine besondere Aufgabe, und die mache ich gerne, so werden Sie zitiert, und die Medien attestieren Ihnen sowohl eine ruhige Hand als auch einen kühlen Kopf. Sie verkörpern eben, so meine ich, einen gelassenen Norddeutschen.

Auch Sie sind viel im Land unterwegs, als Kümmerer und Krisenmanager, zwischen Küstenschutz und Hafenausbau, zwischen Forschungsexzellenz und Automobilbau. Und Sie sind unterwegs als Politikerklärer: Sie sprechen eine nüchterne Sprache ohne Schnörkel und Floskeln. Wenn es in Berlin oder Hannover um hochkomplexe Zusammenhänge geht, dann können Sie das in griffige Formulierungen und klare Worte übersetzen, die auf jedem Marktplatz in Niedersachsen verstanden werden. Denn es geht Ihnen immer um die Menschen, für die Sie eben möglichst konkrete Politik machen wollen.

Lieber Herr Weil, ich danke Ihnen für Ihren Einsatz für Niedersachsen und freue mich, Ihnen nun das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen zu dürfen.

Unsere letzte Station führt uns heute über die Berliner Landesgrenze, wenn ich das so sagen darf, nach Potsdam – dort regieren Sie, lieber Dietmar Woidke, auch seit über zehn Jahren. Als Sie Ministerpräsident wurden, da hatten Sie bereits zwanzig Jahre die Brandenburger Politik mitgestaltet.

Sie stammen von einem Bauernhof in der Lausitz, seit Generationen in Ihrer Familie, und dort wohnen Sie auch heute noch, jedenfalls in der Nähe. Auch Sie sind Agraringenieur. Als Sie 1994 erstmals direkt in den Landtag gewählt wurden, brachten Sie Ihre Fachkompetenz in den Landwirtschaftsausschuss und später als Landwirtschaftsminister ein. Und in einem Flächenland wie Brandenburg, da ist Landwirtschaft immer noch ein Kernstück auch der Landespolitik! Später wurden Sie Fraktionsvorsitzender, Innenminister und dann Ministerpräsident. Nun haben Sie das ganze Land im Blick, was bei Ihrer Größe kein Wunder ist, von der Landwirtschaft bis zum Flughafen BER und den großen Industrieansiedlungen.

Häufig werden Sie als engagierter Vertreter ostdeutscher Interessen gerühmt – wenn es um die Unterstützung für den Strukturwandel geht, um akute Hilfen bei der Energiewende, aber auch um Ostdeutsche in öffentlichen Führungspositionen. Und das machen Sie, so meine ich, auf ganz brandenburgische Art – eine Art, die ich selbst in meiner Zeit als Brandenburger Bundestagsabgeordneter zu schätzen gelernt habe: unprätentiös, ohne große Worte, stattdessen ruhig, pragmatisch, kompromissbereit. Damit haben Sie sich in Brandenburg, aber eben auch darüber hinaus hohes Ansehen erworben. Und genau mit dieser Art setzen Sie sich auch gegen diejenigen zur Wehr, die auch in Brandenburg versuchen, die Demokratie in Frage zu stellen.

Lieber Herr Woidke, auch an Sie geht, zu guter Letzt, mein Dank für Ihr Engagement als Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Ich darf Ihnen das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen.