Fitschen, Co-Chef Deutsche Bank, im Interview Reformen in Europa: "Jetzt Kurs halten!"

Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen warnt davor, im europaweiten Kampf gegen Staatsverschuldung nachzulassen. "Kurs halten!" ist seine Forderung im Interview mit der "Deutschen Handwerks Zeitung". Die Europäische Zentralbank sieht er indes als "Opfer des eigenen Erfolgs".

Hajo Friedrich

Deutsche-Bank-Chef Fitschen: "Die EZB läuft Gefahr, zum Opfer des eigenen Erfolgs zu werden." - © Foto: oh

DHZ: Herr Fitschen, die Bankenwelt steckt in einer Vertrauenskrise. Was tun Sie dagegen?

Fitschen: Neues Vertrauen erwächst nur aus der Bereitschaft, Fehler zu korrigieren, und aus dem gelebten Anspruch, die Interessen der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Vieles ist in dieser Richtung bereits passiert. Das Bankensystem ist in Deutschland heute deutlich robuster als 2008, das Eigenkapital wurde signifikant angehoben und die Institute haben ihr Risiko-Management verbessert. Auch die Boni-Systeme wurden umgestellt: Heute wird nur der nachhaltige Erfolg belohnt. Und nicht zuletzt in der Kunde-Bank-Beziehung wird heute manches anders und vor allem besser gemacht als noch vor einigen Jahren. Gleichwohl wissen wir: Verlorengegangenes Vertrauen werden wir nur Schritt für Schritt zurückgewinnen. Deshalb muss der Kulturwandel langfristig angelegt sein.

DHZ: Was raten Sie der Politik in der Schulden- und Bankenkrise? Sollten die Defizit-Regeln des Euroraums weicher ausgelegt werden, indem zum Beispiel Länder mit drohendem übermäßigen Defizit öffentliche Investitionen aus ihrer Schuldenbilanz herausrechnen können?

Fitschen: Kurs halten! Die in den letzten Monaten eingetretene spürbare Beruhigung an den Finanzmärkten darf nicht dazu führen, nach wie vor notwendige Strukturreformen und die Konsolidierung der Staatshaushalte in den Krisenländern aufzugeben. Über zeitliche Anpassungen bei Fiskalzielen kann man dann reden, wenn diese aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche in einigen Ländern unerreichbar oder sogar kontraproduktiv sind. Das Augenmerk sollte sich stattdessen stärker auf die konjunkturell bereinigten Haushaltsdefizite richten. Das ist ökonomisch sinnvoller, allerdings auch schwerer zu vermitteln. Eine noch stärkere Differenzierung zwischen vermeintlich guten und schlechten Schulden, wie es derzeit diskutiert wird, führt uns ökonomisch nicht weiter.

DHZ: Wie bewerten Sie die Politik der EZB? Wann kommt die Stunde der Wahrheit, wenn EZB-Präsident Draghi seine Ankündigung wahrmacht, quasi mittels Notenpresse angeschlagene Länder und Banken zu retten?

Fitschen: Die EZB hat keine leichte Aufgabe. Sie hat der Politik insbesondere durch das heftig umstrittene Ankaufsprogramm für Staatsanleihen mehr Zeit für Reformen verschafft. In gewisser Weise läuft die EZB jetzt aber Gefahr, zum Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden. Ihre Politik hat möglicherweise den Druck der Finanzmärkte auf die Politik so weit verringert, dass die Reformanstrengungen einiger Regierungen nachlassen. Sollte die Krise durch verschleppte Reformen chronisch werden, hat die EZB keinen großen Handlungsspielraum mehr. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt, aber der Ball liegt jetzt bei den Regierungen.

Seite 2: Warum fast alle deutschen Banken mit dem Mittelstand auf Schmusekurs gehen und was sie ihm bieten können. >>>

DHZ: Fast alle deutschen Banken haben plötzlich den Mittelstand entdeckt und preisen sich als "Mittelstandsbank". Auch Ihre Bank hat sich zum Mittelstand bekannt. Ist das ein Schmusekurs zur Imageverbesserung oder ein Kurswechsel im Geschäftsmodell?

Fitschen: Weder Schmusekurs noch Kurswechsel. Die Deutsche Bank hat tiefe und langjährige Kreditbeziehungen zum deutschen Mittelstand. Wir wollen hier weiter zulegen. Bis 2015 möchten wir zusätzlich zehn Milliarden Euro an Krediten ausreichen. Richtig ist aber auch, dass der Mittelstand heute bei der Eigenkapitalausstattung wesentlich besser aufgestellt ist als vor 2008. Hier haben die Unternehmer sehr gut gearbeitet, Gewinne thesauriert und zur Stärkung ihrer Firmen verwendet. Als Folge davon ist die Position der Unternehmer auch bei der Fremdfinanzierung gestärkt. Dennoch bleibt der Kredit ein wichtiger Anker der Geschäftsbeziehung.

DHZ: Andere Banken sprechen offen von verunsicherten Mittelständlern wegen der Krise. Investieren Deutschlands Unternehmen derzeit zu wenig?

Fitschen: Aufgrund der weiter unsicheren konjunkturellen Lage agieren Unternehmen beim Thema Investitionen zurückhaltend. Aber die Unternehmer wissen selbst sehr gut, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen nicht sichern können, wenn sie nicht investieren.

DHZ: Wie relevant sind für die Deutsche Bank denn die Geschäftsbeziehungen mit Klein- und Mittelbetrieben?

Fitschen: In Deutschland vertrauen rund 900.000 mittelständische Kunden auf die Deutsche Bank, die Mehrheit davon sind Freiberufler, Selbstständige und kleine und mittlere Betriebe. Ihre Frage zeigt mir aber, dass wir in den zurückliegenden Jahren diese Verankerung im Mittelstand vielleicht nicht deutlich genug gemacht haben. Hier haben wir ohne Not Terrain preisgegeben, das wir nun zurückgewinnen möchten. „Wir wollen die Beratungs- und Servicequalität für unsere mittelständischen Kunden weiter verbessern.“

DHZ: Was wollen oder können Sie dem Mittelstand – auch in Konkurrenz zu den anderen – anbieten?

Fitschen: Wir als Deutsche Bank bieten dem Mittelstand eine Verbindung aus regionaler Nähe und weltweitem Netzwerk, aus stabiler Kunden/Berater-Beziehung sowie erstklassigem Know-how etwa in der Risikoabsicherung oder dem Zahlungsverkehr. Aber das ist nichts, worauf wir uns ausruhen. Wir wollen die Beratungs- und Servicequalität für unsere mittelständischen Kunden weiter verbessern. Dafür vergrößern wir die Zahl unserer Beratungszentren für den Mittelstand in Deutschland. Und wir stärken die Entscheidungsbefugnisse der Filialen.