Corona-Impfkampagne :
Zahl der anerkannten Impfschäden seit Herbst stark gestiegen

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Corona-Impfung in Niedersachsen (Archivbild)
Der Gesundheitsminister verlangt, dass für Impfgeschädigte mehr getan werden müsse. Eine Recherche der F.A.Z. zeigt, dass sich die Zahl der anerkannten Corona-Impfschäden in vielen Ländern seit Herbst fast verdoppelt hat.

Mehr als zwei Jahre ist der Beginn der Corona-Impfkampagne in Deutschland  her –  seitdem haben Impfzentren, Arztpraxen und mobile Impfteams bundesweit fast 64 Millionen Menschen mindestens einmal gegen Sars-CoV-2 im­munisiert und insgesamt gut 192 Mil­lionen Spritzen  verabreicht.  In einzelnen Fällen hat die Corona-Impfung dau­erhafte Schäden hinterlassen, und Be­troffene klagen seit Monaten darüber, dass die Medizin ihnen kaum helfen könne und die politisch Verantwortlichen sie übersähen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich nun dafür ausgesprochen, dass Impfschäden schneller anerkannt werden müssten. Zudem sollten sich die Hersteller der Impfstoffe an den staatlichen Entschädigungszahlungen für Betroffene beteiligen, forderte Lauterbach am Sonntagabend im ZDF. Der Minister sagte, es sei  „wertvoll“, wenn Firmen sich an den Folgen der Impfkampagne be­teiligten. „Denn die Gewinne sind ja exorbitant gewesen. Und somit also wä­re das tatsächlich mehr als eine gute Ges­te, sondern das könnte man er­warten.“

Nach Recherchen der F.A.Z. ist die Zahl der anerkannten Corona-Impfschäden zuletzt abermals deutlich angestiegen, wenn auch auf insgesamt niedrigem Niveau. Bis Montagnachmittag antworteten 13 der 16 Bundesländer auf eine entsprechende Anfrage. Keine Daten lagen bis zum späten Nachmittag nur aus Brandenburg, Bremen und Sachsen-Anhalt vor. In den übrigen Ländern sind bis Mitte März insgesamt 6600 Anträge auf Versorgungsleistungen nach einem möglichen Corona-Impfschaden eingegangen.

Ein Schaden auf knapp 214.000 Geimpfte

Das sind  gut ein Drittel mehr als noch im Oktober, als die F.A.Z. die Zahlen zuletzt erhoben hat. Die Zahl der von den Versorgungsämtern anerkannten Corona-Impfschäden hat sich in den genannten Ländern fast verdoppelt, sie stieg von 153 auf 284. In den 13 Ländern  kommt ein anerkannter Corona-Impfschaden auf knapp 214.000 geimpfte Bürger. 

Ein Sprecher des Sozialministeriums in Nordrhein-Westfalen sagte, der Grund für viele noch offene Prüfungen liege darin, dass „ in der medizinischen Wissenschaft noch zu wenige belastbare Erkenntnisse zu Zusammenhangsfragen zwischen einer Covid-19-Impfung und geltend gemachten Erkrankungen“ vorlägen. Darüber hinaus sei „die Verfügbarkeit hinreichend ausgebildeter medizinischer Sachverständiger für die durchführungsverantwortlichen Behörden sehr begrenzt“.

Die Daten der Bundesländer zeigen auch, dass die Versorgungsämter sich vor allem mit mutmaßlichen Impfschäden im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung befassen. In zehn Ländern, die aktuelle Daten bereitgestellt haben, wird die Zahl der Anträge und po­sitiven Bescheide nach dem jewei­ligen Impfstoff differenziert. Den 4576 Anträgen,  die dort seit 2021 nach einer Corona-Impfung gestellt wurden, stehen nur 273 Anträge gegenüber, die nach anderen Impfungen eingegangen sind. Kaum einer von ihnen wurde bewilligt.

Baden-Württemberg  weist hingegen die Gesamtzahl der Personen aus, die nach einem Impfschaden zum Jahresende Versorgungsleistungen erhielten, unabhängig vom Jahr des Antrags. Zuletzt waren dies im Südwesten 466 Personen. Neben 18 Geschädigten nach einer Co­rona-Impfung standen unter anderem 271 Betroffene nach einer Pocken-Impfung auf der Liste der Versorgungsbehörden, zudem 49 Betroffene nach einer Polio-Impfung und jeweils 22 Ge­schä­digte, die sich gegen Grippe und Diphtherie immunisieren ließen.

Lauterbach unterstrich am Sonntag seine Forderung, dass Corona-Impfgeschädigten  geholfen werden müsse.  Er werde  ein Programm auflegen, bei dem die Folgen von Long Covid und Post-Vac  untersucht  und die Versorgung  verbessert werde, sagte Lauterbach. „Das ist ein Programm, das ich so schnell wie möglich auflegen möchte. Ich bin quasi in den Haushaltsverhandlungen für dieses Geld.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), kritisierte Lauterbach. „Der Minister hat viel zu lange gezögert und die Augen vor der Realität verschlossen“, sagt Sorge. „Mit seiner fatalen Äußerung, die Impfung sei ‚nebenwirkungsfrei‘, hat er die Sorgen und Ängste der Betroffenen kleingeredet. Jetzt ist er in der Pflicht, die nötigen Mittel zur Unterstützung be­reitzustellen“.