Fragen und Antworten zum Entwurf des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes

Typ: Häufig nachgefragt

Geordnete-Rückkehr-Gesetz: Warum brauchen wir schon wieder gesetzliche Regelungen und legen den Fokus nicht auf eine Optimierung des praktischen Vollzugs?

Richtig ist: Mindestens genauso wichtig wie gesetzliche Neuerungen ist eine intensivierte Umsetzung operativer Maßnahmen im Bereich Rückkehr. Hier verfolgt das BMI eine Vielzahl von Ansätzen. Hierzu gehört etwa die weitergehende Übernahme der Passersatzpapierbeschaffung durch den Bund (BAMF) für die Länder und Verbesserungen bei der Bereitstellung von Personenbegleitern Luft (PBL) der Bundespolizei. Wir stellen dazu heute einen Aktionsplan vor, der in Konkretisierung und Umsetzung des Masterplans Migration weitere Verbesserungen im Bereich des Vollzugs vorsieht.

Wir brauchen aber beides: die Stärkung des Vollzugs und praktikable Gesetze. Dies sieht auch der Koalitionsvertrag so vor.

Fest steht, dass die gesetzliche Pflicht zur freiwilligen Ausreise mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit befolgt wird, wenn der Ausreisepflichtige alternativ die zwangs-weise Durchsetzung zu erwarten hat. Dabei sind gesetzliche Erleichterungen not-wendig, um Ausländerbehörden von ausufernden Vorgaben zu entlasten und somit auch auf der operativen Ebene Fortschritte zu ermöglichen. Denn personelle Ressourcen bei den mit der Rückkehr betrauten Behörden und Gerichten lassen sich nicht beliebig steigern. Daher müssen Gesetze insbesondere im Hinblick auf die Handhabbarkeit in der Praxis verbessert werden.

Wäre es nicht besser gewesen, zunächst die Wirksamkeit des letzten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, das ja erst 2017 in Kraft getreten ist, zu evaluieren und dann mit Augenmaß Anpassungen vorzunehmen?

In den vergangenen Jahren wurden bereits viele Regelungen neu gefasst. Dies bietet aber keine Komplettlösung für alle Probleme. Es behauptet auch niemand, dass dies nun mit dem neuen Gesetz endgültig gelingt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Entwicklung stets im Auge zu behalten und Gesetze immer wieder anzupassen; dies kennen wir auch aus anderen Bereichen.

Und die Uhren drehen sich auch im Bereich der Migrationssteuerung weiter - in der Praxis, aber auch in der Politik. Manche der in den vergangenen Jahren geschaffenen Regelungen haben in der Praxis nicht immer den gewünschten Erfolg bewirkt. Beispiel Ausreisegewahrsam: Ziel war es, eine unbürokratische und zugleich rechtsstaatlich faire Möglichkeit zu schaffen, dafür zu sorgen, dass Abzuschiebende am Tag der Rückführung tatsächlich am Flughafen präsent sind, kurz: ein Untertauchen oder einen Abbruch der Abschiebung wegen Verzögerungen zu verhindern. Dies ist aber nicht gelungen, da einige Gerichte die gesetzlichen Voraussetzungen enger interpretiert haben als vorgesehen und einige Formulierungen in der Praxis mehr Fragen aufwarfen, als sie Antworten boten. Überhaupt werden von den Ausländerbehörden die rechtlichen Voraussetzungen für Beantragung und Anordnung von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam teilweise als schwer handhabbar und unsystematisch empfunden: Jeder auch noch so kleine formale Verstoß gegen eine Formvorschrift macht derzeit eine Haftanordnung unheilbar rechtswidrig.

Die Regelungen sind also Ergebnis eines Evaluierungsprozesses, der zum Zeitpunkt der letzten gesetzgeberischen Maßnahmen noch nicht weit genug fortgeschritten war und auch nicht so rasch beendet sein wird. Durch das BMI und die Ministerien der Länder werden die bestehenden Regelungen des Aufenthaltsgesetzes fortlaufend auf den Prüfstand gestellt, alte wie neuere. Der Sachverstand von Praktikern aus Verwaltung und Justiz fließt hierbei mit ein. Dabei wurden insbesondere die Lücken, die einer effektiven Durchsetzung der Ausreisepflicht von Straftätern und Identitätstäuschern entgegenstanden, genau betrachtet. Die wesentlichen Lücken, die in diesem Beobachtungsprozess ausgemacht wurden, sollen nun geschlossen werden.

Auffällig geworden sind auch Unklarheiten und Missverständnisse. Verbreitet besteht etwa die Auffassung, es sei Aufgabe der Behörden, die Identität von Ausreisepflichtigen oder allgemein von Ausländern zu klären und für sie Papiere zu beschaffen. Dies war niemals so, es stand nur nicht völlig klar und sofort erkennbar im Gesetz. Auch solche Missverständnisse räumen wir nun aus.

Was will der Gesetzentwurf bewirken?

Der Gesetzentwurf geht eine Reihe von erkannten Schwachstellen an. Er beinhaltet die folgenden Kernelemente:

1. Der häufigste Grund dafür, dass die Ausreisepflicht nicht vollzogen werden kann, ist das Fehlen gültiger Reisedokumente. Die Pflicht zur Beschaffung der Reisedokumente wird von den Betroffenen häufig nicht befolgt. Sie erhalten eine Duldung, und damit die dieselben Berechtigungen wie diejenigen Personen, die aus guten Gründen nicht abgeschoben werden können, etwa weil sie krank sind. Die Gleichbehandlung beider Personengruppen ist nicht sachgerecht.

Die bereits bestehende Pflicht von Ausländern, selbst notwendige Handlungen zur Erlangung eines Passes oder Passersatzes vorzunehmen, wird daher im Aufenthaltsgesetz klarer definiert. Es erfolgt auch eine bessere Unterscheidung der Ausreisepflichtigen danach, ob das Ausreisehindernis unverschuldet oder vom Ausländer zu vertreten ist. Dazu wird für Personen, die ihre Passbeschaffungspflicht nicht erfüllen, eine Duldungskategorie "für Personen mit ungeklärter Identität" geschaffen. Dies entspricht der Zielsetzung im Koalitionsvertrag (Rdnr. 5036 ff.), eine rechtliche Unterscheidung zwischen beiden Gruppen herbeizuführen. Wenn Ausreisepflichtige zu dieser Kategorie zählen, hat dies auch Konsequenzen. Denn es greifen Sanktionen:

  • die betreffenden Personen dürfen keine Erwerbstätigkeit aufnehmen,
  • es kann eine Wohnsitzauflage ausgesprochen werden,
  • die Zeiten eines Besitzes der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität gelten nicht als "Vorduldungszeiten", die zum Beispiel für den Erwerb einer Beschäftigungsduldung oder von humanitären Aufenthaltstiteln erheblich sind und
  • Verstöße gegen die Passbeschaffungspflicht sind eine Ordnungswidrigkeit, d.h. mit einem Bußgeld bis zu 5.000 bewehrt.

2. 2018 scheiterten 7.849 Rückführungen daran, dass eine Zuführung am Flugtag misslang, weil die Betroffenen untergetaucht waren oder es zu zeitlichen Verzögerungen kam, die einen Abbruch der Rückführung nach sich zogen. Die formalen Vorgaben für einen Haftantrag sind sehr streng und überfordern die Behörden zum Teil.

Die materiellen und formalen Voraussetzungen für Sicherungshaft werden daher abgesenkt (für alle Haftsachen s. KoaV 5052 ff.), um ein Untertauchen zu verhindern und Verwaltungsaufwand bei den Ausländerbehörden zu senken. Die Antragstellung für die Haft wird vereinfacht, ohne dass der Kern der materiellen Haftvoraussetzungen angetastet wird.

3. Gefährder können erst in Haft genommen werden, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG bereits vorliegt oder wenn die Voraussetzungen der Sicherungshaft vorliegen. Das Interesse an einer sofortigen Inhaftnahme ist hier aber besonders hoch. Die Vorbereitungshaft wird daher ausgeweitet auf Gefährder bzw. Terrorverdächtige.

4. Viele Ausländer erscheinen nicht bei Anhörungen des Herkunftsstaats zur Identitätsfeststellung. Es soll daher das Rechtsinstitut der Mitwirkungshaft geschaffen werden. Die Betreffenden können dann aus der Haft heraus zur Identifizierung vorgeführt werden.

5. Der Ausreisegewahrsam wurde erst kürzlich mit Blick auf das praktische Bedürfnis, ohne bürokratischen Aufwand eine Präsenz des Abzuschiebenden am Flughafen zu gewährleisten, eingeführt. Damit sollte ein Untertauchen oder ein Abbruch der Maßnahme, z.B. durch Widerstandshandlungen, weitestgehend verhindert werden. Einige Haftrichter lesen in die Voraussetzungen des Ausreisegewahrsams jedoch Elemente einer Fluchtgefahr hinein. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers und behindert die Praxis.

Der Ausreisegewahrsam (§ 62b AufenthG) wird daher praxisgerecht fortentwickelt, es erfolgt ein Verzicht auf Fluchtgefahr oder fluchtgefahrähnliche Kriterien.

6. Es gibt bundesweit zu wenige Abschiebungshaftplätze. Zwischen 400 und 500 Haftplätze bei 240.477 (Stand: Ende Feb. 2019) vollziehbar Ausreisepflichtigen ist definitiv nicht genug. Trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen können zahlreiche Haftanträge nicht gestellt werden.

Dem Mangel an Abschiebungshaftplätzen wird durch vorübergehendes Aussetzen des Trennungsgebots von Abschiebungs- und Strafgefangenen begegnet. Diese Möglichkeit ist europarechtlich ausdrücklich in Art. 18 Rückführungs-RL vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Haft für diesen Zeitraum grundsätzlich auch in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden kann. Abschiebungshäftlinge und Strafgefangene sollen aber in jedem Fall getrennt untergebracht werden. Es geht hier nur um die vorübergehende Nutzung der Infrastruktur, also Baulichkeiten und Personal. Physisch werden die Insassen in allen Tagesabläufen getrennt sein. Auch die bislang geltenden Anforderungen an eine getrennte Unterbringung von mehreren inhaftierten Familienangehörigen von den übrigen Abschiebungshaftgefangenen sind zu beachten. Es muss auch im Einzelfall geprüft werden, inwiefern bei vulnerablen Personen besondere Anforderungen an eine Unterbringung zu stellen sind. Die Landesjustizbehörden sollen - zusätzlich zu den bestehenden Abschiebungshaftplätzen - ca. 500 neue Haftplätze schaffen.

7. Die Ausweisung von Straftätern wurde, auch in jüngerer Vergangenheit, immer weiter erleichtert, etwa infolge der Ereignisse der Kölner Silvesternacht. Die Ab-senkung der Schwellen hilft aber nicht weiter, wenn die Betroffenen einen besonderen Ausweisungsschutz genießen, etwa weil sie Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte sind. Dieser Schutz ist europa- bzw. völkerrechtlich vorgegeben, allerdings ist das zulässige Maß einer Absenkung noch nicht ausgeschöpft.

Der Ausweisungsschutz für Straftäter mit Schutzstatus wird daher auf das europa-/völkerrechtliche Minimum abgesenkt und eine Aufenthaltsverfestigung von Straftätern in Deutschland verhindert. Es ist aber weiterhin gewährleistet, dass niemand in ein Gebiet abgeschoben wird, in dem ihm eine unmenschliche Behandlung droht. Das non-refoulement-Gebot gilt uneingeschränkt.

8. Für ausgewiesene Intensivstraftäter, deren Abschiebung nicht möglich ist, gibt es kaum Überwachungsmöglichkeiten - anders als bei Personen mit extremistischem Hintergrund.

Wir wollen hier gleichziehen. Der Gesetzentwurf schafft die Möglichkeit, verstärkte Maßnahmen auch gegen Intensivstraftäter, die nicht abgeschoben werden können, anzuordnen: räumliche Beschränkung, Meldepflichten, Kommunikationsbeschränkungen.

Der Entwurf trifft auch Regelungen zum Umgang mit straffälligen Ausländern bzw. Asylbewerbern wie in den Fällen von Freiburg und Amberg.

Die Regelungen sollen den Behörden die Ausweisung und Abschiebung von Intensivstraftätern erleichtern. Soweit dies völker- und europarechtlich zulässig ist, soll auch eine Anerkennung als Flüchtling hiervor nicht schützen. Wir senden damit ein Signal in zwei Richtungen:

Einmal in Richtung der betreffenden Ausländer. Wenn jemand eine Mitteilung mit der Aufforderung erhält, dass er oder sie ausreisen muss, soll deutlich sein, dass die Behörden gewillt und in der Lage sind, negative Sanktionen bis hin zum Zwang anzuwenden, um deutsches Recht durchzusetzen. Tricks und Kniffe sollen keine Wirkung entfalten können, und auf Straftaten gibt es auch aufenthaltsrechtliche Reaktionen.

In die Richtung der rechtstreuen Bevölkerung - und zwar auch ausdrücklich der vielen Migrantinnen und Migranten, die sich legal bei uns aufhalten - soll verdeutlicht werden, dass wir deutliche Konsequenzen ziehen, wenn der Boden des Rechts verlassen wird. Wenn Regeln gebrochen werden, ist der Staat nicht nur handlungsbereit, sondern auch handlungsfähig.

Zur Rechtsstellung "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität"

a) Steht der Mehrwert im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand, der hiermit zusätzlich geschaffen wird?

Der Verwaltungsaufwand wird an vielen Stellen reduziert. Durch die Einführung einer "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" werden Ausreisepflichtige, die die Unmöglichkeit der Durchsetzung der Ausreisepflicht zu vertreten haben, einfacher von denjenigen abgegrenzt, die das Land aus guten Gründen, etwa aus gesundheitlichen Gründen, nicht verlassen können. Das vereinfacht die Verhängung von Sanktionen. Durch die Neufassung der Regelungen zur Passbeschaffungspflicht werden die Behörden rechtsklar davon entlastet, umfangreiche Maßnahmen zur Identifizierung vornehmen zu müssen. Es wird klargestellt , dass die Passbeschaffung zuvörderst Sache der- oder desjenigen ist, die oder der keinen Pass besitzt. Es handelt sich nicht nur um eine "Mitwirkungspflicht", sondern um eine "Bringschuld".

b) Die gesetzlichen Pflichten sind ja sehr detailliert. Warum verlangen wir hier so viel von den Betroffenen?

Als grundlegende Voraussetzung gilt: Die Behörden müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sonst besteht keine Aussicht auf eine Abschiebung. Wenn es um die Beschaffung von Dokumenten und die Identifizierung geht, müssen die vollziehbar Ausreisepflichtigen deutlicher in die Pflicht genommen werden. Deshalb normiert der Gesetzentwurf die Pflicht eines jeden Ausländers, sich selbst um seine Passdokumente zu kümmern - und das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Jeder, der schon mal im Ausland seinen Pass verloren hat, weiß, dass er selbst zu seiner Botschaft gehen muss, um ein Ersatzdokument zu beantragen. Das gilt zwar bereits auch jetzt in Deutschland, ist jedoch zu unklar geregelt und wird kaum sanktioniert.

Die Regelung dessen, was zur Erlangung eines Dokuments zumutbar ist, war im Übrigen auch bisher weitgehend gleichlautend in der Aufenthaltsverordnung enthalten.

c) War es nicht schon nach bisheriger Rechtslage so, dass die Nichterfüllung zumut-barer Pflichten auch schon sanktioniert wurde und es quasi unmöglich war, in diesen Fällen ins Bleiberecht hineinzuwachsen?

Das ist im Grundsatz richtig. Der Gesetzentwurf hat jedoch auch das Ziel, Regelungen zu vereinfachen und eine klarere Abgrenzung des Personenkreises, der Abschiebungshindernisse zu vertreten hat, von "berechtigten Duldungsfällen" zu ermöglichen - mit dem klaren Signal: dann greifen Sanktionen. Wir gehen davon aus, dass ein gleichlautender Wille bei den vollziehenden Ländern ebenfalls vorhanden ist.

d) Ist es sinnvoll, diesen Personenkreis von jeglicher Erwerbs- und Ausbildungsmöglichkeit auszuschließen?

Zunächst muss betont werden, dass diese Personen kein Aufenthaltsrecht und keine Aufenthaltsperspektive in Deutschland haben und sich in strafrechtlich relevanter Weise (vgl. § 95 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz) in Deutschland aufhalten. Die Feststellung der bestehenden Ausreisepflicht ergibt sich nicht am Anfang, sondern am Ende eines rechtsstaatlichen Prozesses, in dessen Zusammenhang den Betroffenen auch die im Gesetz vorgesehenen Rechtsmittel zur Verfügung standen. Bei dem Personenkreis tritt hinzu, dass ihnen auf besondere Weise aufenthaltsrechtliche Verstöße anzulasten sind.

Eine Sanktionierung von Ausreisepflichtigen, die grundlegende Mitwirkungspflichten nicht erfüllen, ist vor diesem Hintergrund sachgerecht. Staatliche Teilhabemöglichkeiten bzw. eine Verfestigung des Aufenthaltsrechts dürfen nur denjenigen offenstehen, die sich an geltende Regeln und Gesetze halten.

Darüber hinaus ist durch die Übergangsregelung in § 105 AufenthG der Personen-kreis, der für die ebenfalls vom Kabinett beschlossene Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Betracht kommt, weitgehend vom Anwendungsbereich der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität ausgeschlossen.

e) Greifen denn die Sanktionen nicht ins Leere - die Betreffenden dürfen nicht arbeiten, leben also von Steuergeldern

Die Sanktionen werden voraussichtlich Wirkung zeigen. Viele Zielstaaten setzen darauf, dass ihre eigenen Staatsangehörigen, die - wenn auch illegal - im Ausland leben, harte Euro als Devisen zur Unterstützung von Verwandten in ihr Heimatland überweisen. Für einige Staaten ist dies sogar eine Haupteinnahmequelle. Daher ist von diesen Staaten bei Rückführungen keine Unterstützung zu erwarten. Diese Einnahmequelle wird bei einem Arbeitsverbot, das natürlich auch im Rahmen der Schwarzarbeitsbekämpfung kontrolliert werden muss, ausgetrocknet. Wir machen damit mangelnde Kooperation nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für ihre Herkunftsstaaten unattraktiver.

f) Ist es angemessen, dass in Mischfällen in jedem Fall die schlechtere Rechtsstellung durchgreift? Was ist mit dem kranken Ausländer, warum fällt er aus der Duldung, wenn er nicht ausreichend mitwirkt? Spielen humanitäre Gesichtspunkte jetzt gar keine Rolle mehr?

Ja. Denn Duldungsgründe können auch wieder wegfallen, und es ist auch Sinn der Regelung, dass bei Wegfall des unverschuldeten Duldungsgrundes sämtliche notwendigen Unterlagen vorliegen. Es ist aber geregelt, dass die Beschaffung von Heimreisedokumenten beim "Verfolgerstaat" für Personen im Asylverfahren nicht zumutbar ist. Gleiches gilt für Personen, denen im Zielstaat Folter, unmenschliche Behandlung oder eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohen.

Wird ein Ausreisepflichtiger aber wegen Krankheit geduldet, entbindet ihn das nicht von der Pflicht, seine korrekte Identität nachzuweisen. Ist ihm die Beschaffung eines Passes wegen seiner Krankheit z.B. nicht zumutbar, fällt er nicht in die "schlechtere" Rechtsstellung. Insofern ist ein angemessener Ausgleich der Belange gewährleistet.

Zur Wiedereinreisesperre

a) Ist es verhältnismäßig, ein lebenslanges Wiedereinreiseverbot bei Intensivstraftätern zu verhängen?

Ja. Es handelt sich um einen Ermessenstatbestand ("kann"), der eine umfassende Prüfung der Eignung im Einzelfall voraussetzt. Zudem sieht § 11 Absatz 5b Satz 3 AufenthG die Möglichkeit der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots vor, so dass es sich nicht zwingend um eine lebenslange Sperre handelt.

b) Kommen Gefährder oder Intensivstraftäter nach Ablauf einer Wiedereinreisesperre etwa wieder nach Deutschland?

Das Konzept der Wiedereinreisesperren sieht nicht vor, dass nach ihrem Ablauf automatisch ein Aufenthaltsrecht entsteht. Vorangegangene Straftaten und eine noch anhaltende Gefährdung spielen bei der Entscheidung über die Gewährung eines neuen Aufenthaltsrechts auch nach Ablauf der Sperre eine Rolle. Zudem muss auch, wie bei jeder Neueinreise, ein gesetzlich anerkannter Aufenthaltszweck gegeben sein.

Zum Komplex "Ausweisung"

a) Welche Verbesserungen versprechen Sie sich durch punktuelle Verschärfungen der Ausweisungsvorschriften generell - am Ende rutschen die Betroffenen im Zweifel nur in die Duldung bzw. eine Stufe darunter und eine Rückführung gelingt aufgrund von Abschiebungshindernissen oder Vollzugsdefiziten doch nicht?

Die Ausweisung, selbst wenn sie nicht durchgesetzt werden kann, verhindert die Verfestigung des Aufenthalts in Deutschland. Zum Beispiel ist dann kein Familiennachzug zum Straftäter mehr möglich. Sie ist ein starkes Signal, weil ab diesem Zeitpunkt kein Aufenthaltsrecht mehr in Deutschland besteht.

b) Ist die Ausweisung mehrfach straffälliger Ausländer die richtige Antwort - oder sind da nicht eigentlich die Strafverfolgungsbehörden gefragt?

Wir brauchen beides. Wer sein Aufenthaltsrecht dazu missbraucht, um erhebliche Straftaten zu begehen, muss unser Land verlassen.

Das Strafrecht wirft den Blick auf vorangegangenes Tun. Im Gegensatz hierzu dient das Aufenthaltsrecht dazu, den Eintritt von Gefahren zu verhindern, die von dem Aufenthalt einzelner Personen künftig ausgehen. Dabei erlaubt ein "Blick in den Rückspiegel" auch eine Prognose, wie sich eine Person künftig verhalten wird. Bei besonders gravierenden Taten wird mit einer Ausweisung auch gezeigt, dass es sich um ein Verhalten gehandelt hat, das ein weiteres Beisein in unserer Gemeinschaft ausschließt.

Zum Komplex "Haft"

a) Zur Mitwirkungshaft:

Handelt es sich hier nicht um eine Art Beugehaft und ist dieses Instrumentarium dem Ausländerrecht nicht fremd?

Die neu eingeführte Mitwirkungshaft ist in der Rückführungs-Richtlinie als Variante der Abschiebungshaft ausdrücklich vorgesehen (Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b der Rückführungs-Richtlinie). Die Vorschrift betrifft den Zeitabschnitt vor einer möglichen Sicherungshaft nach § 62 Absatz 3 AufenthG.

Während die Sicherungshaft in erster Linie der Sicherung der durchführbaren Ab-schiebung dient - die Person ist physisch präsent -, ist primärer Zweck der Mitwirkungshaft, die Abschiebung erst zu ermöglichen. Sie ist für besonders hartnäckige Identitätstäuscher und Mitwirkungsverweigerer gedacht. In solchen Fällen muss es wirksame Mittel geben, um die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen. Die Mitwirkungshaft als Abschiebungshaft ist nur zulässig, um die Rückkehr vorzubereiten oder die Abschiebung durchzuführen (entsprechend Artikel 15 Absatz 1 der Rückführungs-Richtlinie). Der Gesetzentwurf sieht die Mitwirkungshaft als Option vor, wenn Identifizierungstermine des Herkunftsstaats anstehen und zu erwarten ist, dass der Betreffende dazu nicht erscheint. In der Praxis waren die Nichterscheinensquoten hier sehr hoch. Mit der Neuregelung wird in solchen Fällen eine Vorführung aus der Haft heraus möglich. Eine Inhaftnahme aus anderen Zwecken, beispielsweise als Sanktion, ist nicht zulässig. Stellt sich heraus, dass keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht, ist die Mitwirkungshaft unzulässig, da dann der Zweck der Haft nicht mehr erreicht werden kann.
Das Instrument gibt es auch in anderen an die Rückführungs-Richtlinie gebundenen Staaten, wie etwa den Niederlanden und der Schweiz.

b) Zur Sicherungshaft:

Neu ist hier die Einführung einer widerleglichen Vermutung für eine Fluchtgefahr in bestimmten Fällen. Wie ist hier die Beweislast und ist es wirklich realistisch, dass es dem Ausländer gelingt, Entschuldigungsgründe darzulegen?

Es werden Tatbestandsmerkmale benannt, bei deren Vorliegen Fluchtgefahr wider-leglich angenommen wird. Der Ausländer hat die Möglichkeit darzulegen, dass trotz Vorliegens der genannten Tatbestandsmerkmale Fluchtgefahr nicht besteht und ist dafür beweisbelastet. Eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter und ermittelbarer Umstände wird durch den anordnenden Richter getroffen. Dies ist nämlich durch den ergänzend mitzulesenden § 62 Absatz 1 Satz 1 AufenthG festgeschrieben. Auch die Rückführungs-Richtlinie sieht die Möglichkeit der Beweislastumkehr vor. Im Gesetzentwurf sind als widerlegliche Vermutung nur nach Art und Gewicht „hochwertige“ Anhaltspunkte für die Prognose enthalten, der Ausländer werde sich der Abschiebung entziehen.

c) Zur Aussetzung des Trennungsgebots:

ca) Ist das mit Europarecht vereinbar? Schließlich hat der EuGH ja schon einmal festgestellt, dass das Trennungsgebot zu beachten ist und keine Unterbringung von Abschiebungshäftlingen zusammen mit Straftätern erfolgen darf?

Mit der Regelung wird nicht das Trennungsgebot als solches in Frage gestellt. Wir setzten dieses lediglich für einen Zeitraum von drei Jahren aus. Hierbei machen wir Gebrauch von einer Möglichkeit, die die Rückführungsrichtlinie, also europäisches Recht, ausdrücklich vorsieht. Wir haben in Deutschland ein spürbares Defizit an Abschiebungshaftplätzen. Dem steht eine Zahl von ca. 240 487 (Stand Ende Feb. 2019) vollziehbar Ausreisepflichtigen gegenüber. Hierbei handelt es sich zwar nicht sämtlich um Personen, die für Abschiebungshaft in Betracht kommen. Selbst wenn man jedoch nur von einem Bruchteil abzuschiebender Personen ausginge, die in Abschiebungshaft genommen werden könnten, verdeutlicht dies die Schieflage, in der wir uns befinden. Auch in der Realität zeigt sich: In der Praxis können trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen zahlreiche Haftanträge nicht gestellt werden. Dieses Defizit rührt auch daher, dass die Länder nach der Flüchtlingskrise ihre Kapazitäten zunächst darauf verwandt haben, die Versorgung der Ankommenden sicherzustellen. Der Ausbau der Haftkapazitäten konnte erst in einem zweiten Schritt angegangen werden und dauert auch derzeit noch an. Dem entsprechend liegt aus hiesiger Sicht eine Notlage im Sinne des Artikel 18 der Richtlinie vor.

cb) Die Landesjustizminister haben sich ja nahezu einhellig gegen die Aussetzung des Trennungsgebots ausgesprochen. Was sagen Sie zu den dort erhobenen Vorwürfen?

Es ist natürlich nachvollziehbar, dass die Aussetzung des Trennungsgebots die Landesjustizbehörden vor Herausforderungen organisatorischer und personeller Art stellt. Wir wissen hierum und sind umso dankbarer, wenn die Justizseite die Innen-behörden bei dieser wirklich wichtigen Aufgabe unterstützt. Wie die Länder diese Möglichkeit im Einzelnen ausschöpfen, bleibt selbstverständlich ihnen überlassen. Es ist vereinbart, dass die Justizbehörden der Länder ungefähr 500 zusätzliche Haftplätze zur Verfügung stellen, so dass zusammen mit dem Ausbau von Abschiebungshaftplätzen eine Zielmarke von ca. 1 000 neuen Plätzen erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass es sich bei der Abschiebungshaft regelmäßig um eine sehr kurze Haft handelt. In über 30% der Fälle dauert die Haft weniger als zwei Wochen, in über 40% der Fälle zwei bis sechs Wochen. Wir sprechen also von einer im Vergleich kurzzeitigen Haft in einer überschaubaren Anzahl von Fällen.

Zum Komplex Strafbarkeit von "vollzugsstörenden“ Handlungen Dritter:

Warum bedarf es einer Regelung wie dem jetzt enthaltenen § 97a AufenthG?

Mit der jetzigen Regelung in § 97a AufenthG haben wir klargestellt, dass das "Durchstechen" von Informationen zum Ablauf der Abschiebung, insbesondere von Abschiebungsterminen an Betroffene und Dritte nach der bereits existierenden Norm des § 353b StGB strafbar ist. In erster Linie adressiert die Vorschrift Amtsträger. Aber auch Abzuschiebende und Dritte können sich nach den allgemeinen strafrechtlichen Regelungen wegen Beihilfe oder Anstiftung strafbar machen. Journalisten sind nach der Regelung des § 353b Abs. 3a StGB privilegiert; entsprechende Beihilfehandlungen sind nicht strafbar, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder der geheimhaltungsbedürftigen Nachricht beschränken.

Zum Komplex "Räumliche Beschränkungen/Überwachungsmaßnahmen bei Straftätern"

Kann eine "Verbannung" an einen anderen Ort wirklich helfen, Straftaten zu verhindern?

Es liegt keine "Verbannung" vor. Es geht vielmehr um das Herauslösen von Straftätern aus einem kriminellen Umfeld. Das Umfeld des Straftäters kann ein entscheidender Faktor dafür sein, ob ein Straftäter erneut straffällig wird oder nicht. Die Maßnahme ist - wie jede behördliche Anordnung - nur zulässig, wenn sie geeignet ist, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, es keine milderen Mittel gibt, und sie zudem im Lichte der damit verbundenen Belastungen angemessen ist.

Zum Komplex "Verlängerung der Fristen für die Regelüberprüfung von positiven Asylentscheidungen"

a) Warum werden die Fristen für die Regelüberprüfung für die Jahre 2015, 2016 und 2017 verlängert?

Nach der aktuellen Rechtslage standen im vergangenen Jahr 2018 und stehen im laufenden Jahr 2019 die Regelüberprüfungen der positiven Asylentscheidungen (Asylberechtigung und Flüchtlingsschutz) der Jahre 2015 und 2016 an. Aufgrund der durch das hohe Flüchtlingsaufkommen bedingten hohen Zahl der positiven Asylentscheidungen der Jahre 2015, 2016 und 2017 ist auch die Zahl der durchzuführenden Regelüberprüfungen besonders hoch.

Um eine Überlastung des BAMF mit Prüfverfahren zu verhindern, wird die Frist für die Prüfung der positiven Asylentscheidungen, die in den Jahren 2015, 2016 und 2017 bestandskräftig geworden sind, von drei auf vier bis fünf Jahre verlängert. Im Einzelnen wird die Frist für die Regelüberprüfung der Asylentscheidungen des Jahres 2015 bis zum 31.12.2019, die Frist für die Regelüberprüfung der Asylentscheidungen des Jahres 2016 bis zum 31.12.2020 und die Frist für die Regelüberprüfung der Asylentscheidungen des Jahres 2017 bis zum 31.12.2021 verlängert.

Durch diese Fristverlängerung wird eine umfassende und qualitativ hochwertige Prüfung durch das BAMF sichergestellt. Da viele Asylanträge von Schutzsuchenden, die 2016 eingereist sind, im Jahre 2017 beschieden worden sind, werden auch die Asylentscheidungen des Jahres 2017 in die Fristverlängerung einbezogen. Damit wird dem BAMF eine größere Flexibilität in der Verteilung der zur Verfügung stehenden Arbeitskraft zugestanden.

b) Hat die Fristverlängerung für die Regelüberprüfung Auswirkungen auf die Entscheidungen, die im vereinfachten schriftlichen Verfahren ergangen sind?

Auch die im vereinfachten schriftlichen Verfahren (Fragebogenverfahren) ergangenen positiven Entscheidungen des BAMF aus den Jahren 2015. 2016 und 2017 sind von der Fristverlängerung umfasst. Die schriftlichen Verfahren werden jedoch prioritär durch das BAMF geprüft, da bei diesen Verfahren eine persönliche Anhörung der Asylantragsteller nicht stattgefunden hat.

c) Hat die Fristverlängerung für die Regelüberprüfung Auswirkungen auf die Sicherheit?

Von der Fristverlängerung unbenommen bleibt die Möglichkeit für das BAMF, jeder-zeit von Amts wegen eine entsprechende Prüfung zu veranlassen. Die Fristverlängerung für die Widerrufsprüfung hat daher keine Auswirkungen auf die Sicherheit. Sicherheitsrelevante Verfahren werden durch das BAMF unabhängig von der Fristverlängerung prioritär geprüft.

Zum Komplex "Passersatzpapierbeschaffung"

a) Was heißt Passersatzpapierbeschaffung und welche Bedeutung kommt ihr zu?

Zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung ist ein Reisedokument, d. h. in der Regel ein Passdokument erforderlich. Sofern die Betroffenen kein Reisedokument vorlegen (können), kann grundsätzlich eine freiwillige Rückkehr oder eine Abschiebung in das jeweilige Herkunftsland nicht erfolgen. Daher kommt in solchen Fällen der Passersatzpapierbeschaffung eine besondere Bedeutung zu.

Passersatzpapiere sind Ausweise, die nicht zwingend alle Funktionen eines Reisepasses erfüllen, aber einen ausreichenden Identitätsnachweis für die Rückkehr oder Abschiebung des Ausländers darstellen. Diese können nur vom Herkunftsland ausgestellt werden. Hierzu muss für das Herkunftsland durch positive Identifizierung feststehen, dass die betroffene Person ein eigener Staatsangehöriger ist.

b) Warum ist eine Übertragung der Aufgabe der Passersatzpapierbeschaffung von der Bundespolizei auf das BAMF sinnvoll?

Durch die Aufgabenübertragung können die im Asylverfahren erlangten Kenntnisse über die Identität und Herkunft eines Ausländers besser genutzt werden. Abschiebungen durch die Ausländerbehörden werden dadurch vereinfacht und beschleunigt.

Die Passersatzpapierbeschaffung ist originäre Aufgabe der Länder. Zu deren Entlastung führt aktuell die Bundespolizei (BPOL) in Amtshilfe Maßnahmen der Passersatzpapierbeschaffung durch. Durch die Verlagerung dieser Aufgabe zum BAMF ist ein deutlicher Effizienzgewinn zu erwarten, weil diese Aufgabe dort gemeinsam durch Personal von Bund und Ländern im Gemeinsamen Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) wahrgenommen werden wird und damit eine verbesserte Abstimmung und Koordination zwischen Bund und Ländern erreicht werden kann.

Durch diese Gesetzesänderung kann das BAMF somit bereits im Asylverfahren in einem deutlich größeren Umfang als bislang die bestehenden Mitwirkungspflichten dazu nutzen, um die wahre Identität und Herkunft eines Ausländers festzustellen.

Zum Komplex "Asylbewerberleistungen"

a) Wieso werden Asylbewerbern, die ohnehin schon wenig haben, noch weitere Leistungen gekürzt?

Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, d.h. insbesondere Asylbewerber, Geduldete und vollziehbar Ausreisepflichtige erhalten verschiedene Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs und des notwendigen persönlichen Bedarfs. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG sind Kürzungen immer nur so weit zulässig, wie eine Deckung des Existenzminimums gewährleistet bleibt. Dies ist auch hier der Fall: Die neuen Kürzungen greifen anlassbezogen dort, wo z.B. Mitwirkungspflichten verletzt werden: Bei verzögerter Asylantragstellung, Verschweigen von Finanzmitteln, Nichtvorlage erforderlicher Dokumente, Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung, Nichtmitwirkung bei der Klärung der Staatsangehörigkeit oder bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Selbst nach entsprechender Kürzung bleibt jedoch immer das physische Existenzminimum erhalten.

b) Ignorieren Leistungskürzungen für Asylbewerber, die in einem anderen MS anerkannt wurden, nicht die teils menschenunwürdigen Verhältnisse dort?

Für Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus erhalten haben, ist nach dem Gesetzesentwurf vorgesehen, diesen nur noch eine einmalige Reisebeihilfe zur Rückkehr in den jeweiligen Mitgliedstaat zu gewähren. In dieser Fallkonstellation werden die Personen nicht schutzlos gestellt, sondern vielmehr der europäische Verteilmechanismus gestärkt, indem anerkannte Schutzsuchende ihren räumlichen Aufenthalt entsprechend der Anerkennung wählen und beibehalten sollen.

Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Härtefallregelung vor, mit der ermöglicht wird, im Einzelfall hiervon abweichende, weitere Leistungen zu gewähren.

c) Durch die Neuregelungen sollen aber auch solchen Personen Leistungen gekürzt werden, die noch keinen Schutzstatus im anderen MS haben, sondern dort nur registriert wurden.

Vom Gesetzesentwurf umfasst werden auch die sog. Dublin-Fälle, d.h. solche, die der Dublin-III-Verordnung unterfallen. Die Verordnung sieht vor, dass Personen in dem Mitgliedstaat ihren Asylantrag stellen, in dem sie erstmalig den EU Boden betreten haben. Reisen diese Personen aber entgegen der Dublin-III-Verordnung nach Deutschland weiter, um sodann ihren Asylantrag hier zu stellen, widerspricht dies der Verordnung. Der Antrag wird vom BAMF als unzulässig abgelehnt. Mit der Leistungskürzung soll daher insbesondere der europäische Verteilmechanismus gestärkt werden. Die Personen werden dadurch auch nicht schutzlos gestellt, da sie jederzeit die Möglichkeit haben, in dem anderen Mitgliedsstaat ihren Asylantrag zu stellen und bei Vorliegen der Voraussetzungen dort als Schutzberechtigte anerkannt zu werden. In dem Land, in dem sie ihr Asylverfahren zu betreiben haben, gibt es dann auch entsprechende Sozialleistungen.