Angesichts stark steigender Preise für Elektrizität fordern drei norddeutsche Bundesländer nach einem Bericht von WELT AM SONNTAG die Aufteilung Deutschlands in regionale Strompreiszonen. „Eine solche Aufteilung wäre nichts anderes als die logische Konsequenz des energiepolitischen Irrweges von Horst Seehofer, Markus Söder und Co.“, erklärte Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) mit Blick auf Bayerns Energiepolitik.
„Mehr als 15 Jahre lang hat die Bayerische Staatsregierung energiepolitisch Bürgerinitiative gespielt und den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert“, sagte Goldschmidt. Es sei „den Menschen im Norden schlicht nicht mehr zu vermitteln, warum sie die Zeche dafür zahlen müssen.“
Unterstützung bekommt der Politiker von Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschafts- und Energieminister Reinhard Meyer (SPD). „Die Höhe der Stromnetzentgelte belastet die Letztverbraucher und benachteiligt den norddeutschen Wirtschaftsstandort“, kritisiert er. Es könne nicht sein, dass Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein, die einen hohen Anteil am Ausbau der erneuerbaren Energien schultern, die höchsten Strompreise verkraften müssten. „Das ist ungerecht.“
Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) schließt sich der Forderung an. „Ob beim Ausbau der Erneuerbaren, bei den großen Stromtrassen oder beim Aufbau von Green-gas-ready-Importterminals: Der Norden trägt seit vielen Jahren die Hauptlast der Energiewende, es ist daher für mich naheliegend, dass aus dieser Last auch ein Nutzen für die besonders betroffenen Regionen entsteht“, sagte Lies.
„Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein.“
Auch die EU prüft die Gebotszonen, um Hindernisse auf dem gemeinsamen Strommarkt aus dem Weg zu räumen. Regionen, die Netzengpässe bis 2025 nicht beseitigen, sollen zu eigenen Zonen werden. Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte daher einen „Aktionsplan“ zum Ausbau der Netze vorgelegt. Dessen fristgerechte Umsetzung aber gilt als unwahrscheinlich, schon weil sich die Fertigstellung der 700 Kilometer langen Trasse SuedLink von Nord- nach Süddeutschland um Jahre verzögert.
Gelingt es Deutschland nicht rechtzeitig, den Anforderungen nachzukommen, dürfte eine Aufteilung des Marktes eine Folge des EU-Prozesses sein. Die Agentur der europäischen Regulierungsbehörden, ACER, hatte am 8. August Vorschläge zur Diskussion gestellt, nach denen Deutschland sogar in bis zu fünf Zonen geteilt werden könnte. Das Beispiel Schweden zeigt, was das bedeuten kann: Dort sind in den beiden südlichen Gebotszonen die Preise am Spotmarkt fast viermal höher als im Norden.
„Die Uhr tickt. EU-Kommission und Mitgliedstaaten haben sich auf einen klaren Fahrplan zur Überprüfung der Gebotszonen verständigt“, sagte Energieminister Goldschmidt. Deutschland werde seine für 2025 gemachten Zusagen sehr wahrscheinlich nicht einhalten. Er frage sich, ob es überhaupt ein Ziel sein sollte, die Aufteilung Deutschlands in verschiedene Preiszonen aufzuhalten, so Goldschmidt. Denn „aus industriepolitischer Sicht braucht es Kostenwahrheit“.
Verbrauchsstarke Firmen müssten sich dort ansiedeln, wo viel grüner Strom vorhanden sei, noch gebe es dafür zu wenig Anreize, so der Minister: „Das ist nicht nur klimapolitisch ein Irrweg, es verschärft auch Netzengpässe und treibt damit die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter in die Höhe.“ Die Beibehaltung einheitlicher Preiszonen, erklärte der Minister, sei „kein Selbstzweck“.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger reagierte umgehend auf die Initiative aus dem Norden. Der Freie-Wähler-Politiker sagte am Samstag, man brauche jetzt keine „Debatte im Klein-Klein über Netzentgelte und Strompreiszonen“, sondern einen „Preisdeckel für Strom und Gas“