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Entscheidung 12 U 179/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 26.08.2021
Aktenzeichen 12 U 179/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0826.12U179.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.07.2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 11 O 329/17, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.700,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.000 € vom 15.06.2017 bis zum 16.10.2017, sowie aus 1.000 € vom 17.10.2017 bis zum 27.02.2018, sowie aus 2.781,17 € vom 28.02.2018 bis zum 27.08.2018, sowie aus 3.700,54 € seit dem 28.08.2018 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 50 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihr in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 09.03.2017 in … Kreuzung … entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Inanspruchnahme in Höhe von 564,66 € freizustellen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt,

4. an den Beklagten zu 1) 871,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2017 zu zahlen

5. den Beklagten zu 1) in Bezug auf die Rechnung seines Prozessbevollmächtigten vom 31.08.2017 in Höhe eines Betrages von 147,56 € freizustellen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagten zu 35 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagten zu 20 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 13.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien machen wechselseitig Ansprüche aus einem Verkehrsunfall am 09.03.2017 gegen 9 Uhr in … im Bereich der Kreuzung ... geltend. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufungen der Parteien sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten hat im Umfang des tenorierten Ausspruchs teilweise Erfolg, während die Berufung der Klägerin unbegründet bleibt.

1.

Die Beklagten haften aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs für den unfallbedingten Schaden gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, 115 Abs. 1 VVG, 1 PflVG. Die Haftungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 StVG sind zwanglos erfüllt. Der Unfall ereignete sich bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2 versicherten und vom Beklagten zu 1 gehaltenen und geführten Kraftfahrzeugs. Höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG lag nicht vor.

1.1. Darüber hinaus ist dem Beklagten zu 1 keine Vorfahrtspflichtverletzung gemäß § 8 Abs. 1 StVO zur Last zu legen. Zwar hatte der Beklagte zu 1 unter Berücksichtigung von § 8 Abs. 1 StVO aufgrund des Verkehrszeichens 206 (Stopp-Schild) die Vorfahrt des berechtigten Verkehrs auf der ... zu gewähren. Vorfahrt ist das Recht, den Straßenraum einer Kreuzung oder Einmündung vor Anderen zu benutzen. Die Klägerin nahm jedoch an diesem Vorfahrtsrecht nicht (mehr) teil.

a) Zugunsten der Klägerin wird davon ausgegangen, dass der von ihr benutzte Gehweg auch in ihre Richtung für die Nutzung von Fahrradfahrern freigegeben war. Es handelte sich mithin um einen kombinierten Geh- und Radweg ohne Benutzungspflicht. Radwege folgen dabei in der Bestimmung des Vorfahrtsrechts der Straße, der sie zugehören, nachdem er sich auch dem äußerlichen Erscheinungsbild, auf das es maßgebend ankommt, als Teil der Straße darstellt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23. 1. 2004 - 24 U 118/03 -, NJOZ 2004, 1668, beck-online; OLG Karlsruhe Urt. v. 24.2.2000 – 9 U 78/99, BeckRS 2000, 10730). Der gemeinsame Geh- und Radweg endet jedoch an den Absperrgeländern. Der Verkehrsraum ist derart gestaltet, dass die Absperrgeländer die freie Durchfahrt verhindern sollen. Dies liegt auf der Hand und ist für jeden Verkehrsteilnehmer beiläufig erkennbar. Damit korrespondiert eine nachfolgend durchgehende weiße Pflasterfläche, durch Noppenpflaster hervorgehoben, unmittelbar angrenzend zur kreuzenden Straße, die ebenfalls zur Beachtung des Straßenverkehrs anhalten soll. Vor den Geländern befindet sich eine durchgehende weiße Linie, die den linksseitig, mithin entgegen der Fahrtrichtung laufenden Radverkehr über die ... leitet. Verbunden ist die Linie mit einem an der Straßenlaterne angebrachten Schild, der die Radfahrer ebenfalls über die Hauptstraße auf die andere Straßenseite lenkt, die dort rechtsseitig, d.h. in korrekter Fahrtrichtung, die Fahrt fortsetzen können. Damit korrespondieren das auf dem oberen Foto (Anlage K3 Bl. 46) erkennbare Zusatzzeichen, nachdem der dortige Gehweg für den Radverkehr freigegeben wird, wie auch das Fehlen eines entsprechenden Verkehrsschildes in Fahrtrichtung der Klägerin. Auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Fahrtrichtung der Klägerin befinden sich Absperrgeländer, die eine Durchfahrt für Fahrradfahrer verhindern sollen. Wie die Klägerin selbst eingeräumt hat, fehlt es auf der anderen Straßenseite an einem Verkehrsschild, das die Radnutzung ermöglicht. Auch auf den Fotos ist dies erkennbar. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dieser Verkehrsleitung steht das Zeichen 206 für den Beklagten zu 1. Denn das Zeichen weist kein Zusatzzeichen für Radfahrer, die einen Radweg in beide Fahrtrichtungen benutzen dürften, auf. Ein solches Zusatzzeichen wäre jedoch nach § 43 StVO vorzusehen.

Damit ist eine Gehwegbenutzung durch Radfahrer in dem Kreuzungsbereich verboten. Die Straßenmarkierungen auf der ... stellen lediglich eine Fußgängerfurt dar, nicht jedoch eine Fortsetzung eines Radweges. Die Klägerin nahm mithin kein Vorfahrtsrecht für sich in Anspruch, das der Beklagte zu 1 hätte beachten müssen. Vielmehr bestand ein Vorrecht des Fahrzeugverkehrs, das in § 25 Abs. 3 StVO seinen Ausdruck findet (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 25 Rn. 10). Denn Vorfahrt gibt es begrifflich nur zwischen Fahrzeugen und diesen begrifflich gleichgestellten Verkehrsteilnehmern, d.h. nicht im Verhältnis von Fahrzeugen zu Fußgängern, auch wenn diese ein Fahrrad schieben. Ihnen gegenüber hat der Fahrverkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich Vorrang (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, a.a.O., StVO § 8 Rn. 3).

b) Auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 S. 3 StVO liegt nicht vor. Denn diese Vorschrift begründet Vorrang nur für Fußgänger, die in der bisherigen Längsrichtung die Fahrbahn überqueren (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, a.a.O, StVO § 9 Rn. 39; Geigel Haftpflichtprozess/Freymann, 28. Aufl. 2020, Kap. 27 Rn. 288).

1.2. Dass der Beklagte zu 1. die Klägerin nicht beachtet hat, begründet allerdings neben der Betriebsgefahr einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO. Denn, dass er die Klägerin nicht bemerken konnte, ist fernliegend. Wie sich aus den vorgelegten Fotos ergibt, war bei einem Halt an der Haltelinie der Bereich der Absperrgeländer einsehbar. Die Hecke beeinträchtigt die Sicht nur geringfügig. Hinzu tritt die Wegstrecke, die die Klägerin vom Absperrgitter bis zur Kollisionsstelle – wenn auch fahrend – zurückgelegt hat. Warum er nach seinen Darstellungen die Klägerin nicht gesehen hat, vermochte er auch in seiner persönlichen Anhörung nicht zu erklären. Jedenfalls musste der Beklagte zu 1 selbst bei einem Durchfahren der Absperrung durch die Klägerin diese bemerken und sein Fahrverhalten auch auf das ggf. rechtswidrige Verhalten der Klägerin einstellen. Dies gilt erst recht mit Blick auf die Fußgängerfurt, die dem Straßenverkehr besondere Obacht abverlangt.

1.3. Die Sachbehandlung der Polizeibeamten am Unfallort lässt hingegen keinen Rückschluss auf die zivilrechtliche Haftung zu. Dies betrifft sowohl die Einordnung des Beklagten zu 1 als Unfallverursacher wie auch dessen Akzeptanz eines Verwarngeldes.

2.

Die Verschuldenshaftung kann ebenso wie die Gefährdungshaftung im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen oder reduziert werden, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein verkehrswidriges Verhalten des nicht motorisierten Geschädigten darstellt. Die Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB setzt dabei stets die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben. Für die Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist mithin nur das Verhalten der Geschädigten maßgebend, das sich erwiesenermaßen als Gefahrenmoment in dem Unfall ursächlich niedergeschlagen hat. Die Beweislast für ein Mitverschulden der Klägerin gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB liegt bei den Beklagten (BGH, Urteil vom 24.09.2013 - VI ZR 255/12 -, Rn. 7; Beschluss vom 19.08.2014 – VI ZR 308/13 –, Rn. 9, juris).

Wie sich in der Anhörung der Parteien noch einmal klar herausgestellt hat, hat die Klägerin das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 1 missachtet. Sie durfte – wie ausgeführt – zwar zunächst den Fußweg benutzen, weil dieser für Fahrradfahrer mit einem Zusatzschild freigegeben war, § 2 Abs. 4 Satz 3 StVO. Mit dem Ende des Radweges galten für sie jedoch wieder die allgemeinen Vorschriften für Fußgänger, so dass sie das Vorrecht des Fahrzeugverkehrs zu beachten hatte, § 25 Abs. 3 StVO. Sie hat den Pkw des Beklagten zu 1 auch gesehen und sich, ohne mit dem Fahrer Blickkontakt hergestellt zu haben, entschlossen, die Fahrbahn trotz des Vorrechts des Fahrzeugverkehrs zu überqueren. Für die Annahme, der Beklagte zu 1 werde ihr Vorrang einräumen, hatte sie keinen Anhalt. Hinzu kommt, dass sie verbotswidrig die Straße fahrend gequert hat und damit gefahrerhöhend agierte.

3.

Die Unfallbeiträge der Parteien rechtfertigen eine Schadensteilung.

Fährt der Radfahrer vom Geh- bzw. Radweg auf die Fahrbahn, haftet regelmäßig der Radfahrer überwiegend. Dabei ist der Haftungsanteil des Fahrzeugführers umso höher zu bemessen, je eher der Radfahrer erkennbar und mit dessen Überqueren der Fahrbahn zu rechnen war. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Fahrzeugführer auf diese Situation nicht entsprechend einstellt (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 2 Rn. 123; Grüneberg Haftungsquoten, E. Unfälle zwischen Kfz und Radfahrer Rn. 379, beck-online). Vorliegend hat sich zwar die Klägerin in einem erheblichen Maße verkehrswidrig verhalten. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs war aber schon wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO erhöht. Hinzu tritt die besondere Kreuzungssituation, die dem Beklagten zu 1 eine besondere Obacht abverlangte. So war durch die Fahrbahnmarkierungen verdeutlicht, dass es neben dem Fahrzeugverkehr auf der ... querenden Verkehr geben kann. Die Kreuzung war nicht einfach einsehbar und deshalb durch das „Stoppschild“ beschildert. Ferner hat der Beklagte zu 1 in seiner Anhörung selbst eingeräumt, dass es an dieser Kreuzung „üblich“ sei, dass Radfahrer die Absperrung und die nachfolgende Straße „überfahren“, er mithin mit einem entsprechenden Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen musste.

4.

Bei Annahme der Haftungsverteilung bleibt der Einwand der Klägerin unerheblich, dass das  vorgerichtlichen Regulierungsschreiben der Beklagten zu 2. ein Schuldanerkenntnis darstelle.

5.

5.1. Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld von weiteren 1.000 € (4.000 € abzgl. Zahlung von 3.000 €) zu.

Ist wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheit Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden (§ 253 Abs. 2 BGB, § 11 S. 2 StVG). Das Schmerzensgeld verfolgt dabei vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden zu gewähren und ihm zugleich Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben (BGH, NJW 1993, 1531; NZV 2017, 179, beck-online). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände sind u.a. maßgebend die Art und Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGH, NJW 1998, 2741, beck-online). Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Verlangt die Klägerin für erlittene Körperverletzungen - wie im Streitfall - uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden auch alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15 –, Rn. 6, juris). Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten sich an den von der Rechtsprechung sonst bei der Bemessung des Schmerzensgeldes angewandten Maßstäben zu orientieren (BGH, Urteil vom 18. November 1969 – VI ZR 81/68 –, Rn. 33, juris).  Schließlich ist bei der Höhe des Schmerzensgeldes auch das mitwirkende Verschulden des Verletzten zu berücksichtigen. Das Mitverschulden stellt bei der Bemessung des Schmerzensgeldes lediglich einen Bemessungsfaktor dar. Es ist derjenige Schmerzensgeldbetrag zuzusprechen, der unter Berücksichtigung des Mithaftungsanteils angemessen erscheint. Der Mithaftungsanteil ist also nur ein Bemessungsfaktor unter vielen in Bezug auf die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes (BGH Urteil vom 12. März 1991, VI ZR 173/90, beck-online; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 13. Auflage, 2020, Rn. 283).

Ausgangspunkt der Bemessung sind die festgestellten Gesundheitsschäden, die die Klägerin erlitten hat, hier also neben Prellungen und Blutergüssen eine Trümmerfraktur des körperfernen Ellenknochens mit Gelenkbeteiligung (Olecranonfraktur), die mit einer Schrauben- und Plattenosteosynthese operativ versorgt werden musste. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 16.03.2017. Anschließend wurde der linke Arm durch eine Schiene bis zum 25.04.2017 sowie – nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen – für weitere 3 Wochen ruhig gestellt. In dieser Zeit erfolgte eine intensive Behandlung durch Lymphdrainage und bis zum 22.05.2017 Physiotherapie. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 23.07.2017, wobei jedoch bereits ab dem 22.05.2017 eine Wiedereingliederung im Rahmen des Hamburger Modells mit 4 Arbeitsstunden täglich möglich war. Vom 27. bis 28.02.2018 erfolgte die operative Entfernung des Implantats verbunden mit einem stationären Aufenthalt. Dass diese Versorgung auch ambulant hätte durchgeführt werden können, geht nicht zu Lasten der Klägerin. Denn ihr steht es frei, die – zulässige und wohl wegen der fehlenden häuslichen Pflege auch indizierte – stationäre Behandlung in Anspruch zu nehmen. Die erneute Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 20.03.2018.

Neben dem komplikationslosen, jedoch langwierigen Heilungsverlauf ist die Streck- und Beugefähigkeit des Ellenbogengelenks auf Dauer mit einer MdE von 10 % eingeschränkt. Dies steht fest aufgrund der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die mit der Berufung von keiner Partei mehr angegriffen werden. Nachvollziehbar ausgeführt hat der Sachverständige, dass derartige Frakturen auch bei bestmöglichem Heilungsverlauf erfahrungsgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer posttraumatischen Arthrose führen können. Verblieben ist eine Narbe von 10 bis 15 cm.

Die Klägerin schildert weiter nachvollziehbar Schmerzen, Schlafstörungen und während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle. Eine entsprechende Behandlung fand, außer einer zweimaligen Vorstellung (November 2017 und August 2018) bei einer Allgemeinmedizinerin, die zugleich Psychotherapeutin ist, allerdings nicht statt.

Der Senat hält danach einschließlich des Mitverschuldens der Klägerin von 50 % ein Schmerzensgeld von 4.000 € für angemessen. Dabei hat der Senat folgende, einen Rahmen bildenden Entscheidungen in der Rechtsprechung berücksichtigt: LG Itzehoe, Urteil vom 09.02.2004 - 2 O 145/02 -, beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 3758; OLG Dresden, Urt. v. 10.12.2004, 1 U 1399/04, beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 3842; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 04.12.1986 - 16 U 45/86, beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 5939; OLG Saarbrücken, 18.10.2011 -4 U 400/10-119-, NJW-RR 2012, 152; LG Münster, Urteil vom 24.02.2011 - 12 O 381/08, beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 4409.

Hierauf hat die Beklagte zu 2 bereits vorgerichtlich 2.000 € und während des Rechtsstreits am 16.10.2017 weitere 1.000 € gezahlt, so dass ein offener Zahlbetrag von 1.000 € verbleibt.

5.2. Ein über den unangefochten vom Landgericht zugesprochenen Haushaltsführungsschaden von 919,37 € hinausgehender Anspruch besteht nicht.

Für die Zeiten, in denen die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bzw. dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Dr. … eine Minderung der Haushaltstätigkeit von bis zu 10 % beanspruchen könnte, kommt eine Geldentschädigung nicht in Betracht. Geldersatz erhält nur, wer in Folge der Minderung der Leistungsfähigkeit oder wegen Verlustes der Leistungskraft an nachhaltiger Tätigkeit gehindert ist. Nur die spürbare Hinderung an der werthaltigen Arbeit im Haushalt für sich oder andere Personen vermag einen Ausgleichsanspruch zu begründen. Meist wird eine Beeinträchtigung von bis zu 10 % MdH – wenn auch im Einzelfall widerlegbar - als schadensrechtlich unwesentliche, keinen Vermögensausgleich nach §§ 842, 843 BGB fordernde Belastung eingestuft (Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 4 Personenschaden Rn. 221ff, beck-online). Eine solche spürbare Beeinträchtigung hat die Klägerin schon nicht dargetan. Soweit sie auf die abstrakte Minderung der Erwerbstätigkeit abstellt, lässt diese keinen Schluss auf die Haushaltstätigkeit zu (Geigel a.a.O.). Der Verweis auf die Beuge- und Streckbeeinträchtigung hilft ebenfalls nicht weiter. Die Klägerin nahm in der Zeit ab dem 31.07.2017 bis zum 26.02.2018, sowie ab dem 27.03.2018 am Berufsleben teil. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hatten ihren Schwerpunkt im linken Arm. Die Klägerin ist jedoch Rechtshänderin, so dass nicht annähernd deutlich wird, worin ihre Beeinträchtigung im Haushalt oder auch in der Gartenarbeit bestehen soll. Allein ein etwas höherer Zeitaufwand zur Bewältigung der Aufgaben rechtfertigt keine Geldentschädigung.

Darüber hinaus ist der Haushaltsführungsschaden nicht schlüssig dargelegt. So fehlt die Darstellung der konkreten Lebenssituation der Klägerin vor und nach dem Unfall und die substantiierte Darstellung, welche Beeinträchtigungen sie daran hindern, diese bestimmten Haushaltstätigkeiten auszuführen und in welchem Umfang bislang tatsächlich ausgeführte Arbeiten im Haushalt unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr in dem Umfang möglich oder zumutbar und auch nicht durch den Einsatz von Haushaltstechnik oder Umorganisation kompensierbar sind. Denn zunächst müsste sie im Einzelnen vortragen, welche Tätigkeiten sie im Haushalt vor dem Unfall verrichtet hat, infolge des Unfalls aber überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben und nicht anderweitig (zumutbar) ausgleichen kann (Senat, Urt. v. 17.6.2019 – 12 U 179/18, BeckRS 2019, 11793 Rn. 35, beck-online; BHHJ/Jahnke, 26. Aufl. 2020, BGB § 842 Rn. Randnummer 113a; NJOZ 2016, 16; Pardey: Der Haushaltsführungsschaden bei Verletzung (Teil 3) in SVR 2018, 165, 169; Münchener Kommentar zum StVR/Almeroth, 1. Aufl. 2017, BGB § 252 Rn. 40ff; OLG Frankfurt, Urteil v. 18.10.2018 - 22 U 97/16 - NJW 2019, 442, beck-online; OLG Celle, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 14 U 73/06 -, Rn. 28, juris OLG Hamm, Urteil vom 05. Mai 2020 – 9 U 1/20 –, Rn. 21, juris; MüKoStVR/Almeroth, 1. Aufl. 2017, BGB § 252  Rn. 40). Dabei entspricht die MdE nicht der MdH. Insoweit gehört es schon zur Schlüssigkeit des Vortrags eine Entwicklung vom Krankenhausaufenthalt hin zur Erwerbsfähigkeit anzunehmen. Bereits eine solche Differenzierung nimmt die Klägerin nicht mit der gebotenen Sorgfalt vor. Denn aufgrund der Verletzung links bedarf es konkreten Vortrags zu den Haushaltstätigkeiten der Rechtshänderin. Zudem bleibt der Vortrag auch unter Berücksichtigung der Ausführungen u.a. in den Schriftsätzen vom 21.08.2018, 25.04.2019 und 15.05.2019 zu pauschal, qualifizierte Angaben zur Ausstattung des Haushalts, zu Art und Umfang der im Einzelnen ausgeführten Haushaltstätigkeiten und dem konkreten Zeitaufwand fehlen. Auch die pauschale Angabe von Zeiträumen und Einschränkungen der Haushaltstätigkeit lässt eine Schadensschätzung auch unter den reduzierten Anforderungen des § 287 ZPO nicht zu.

Selbst wenn man jedoch zugunsten der Klägerin von einem wöchentlichen Haushaltsaufwand von 4 Wochenstunden und der vom Sachverständigen ermittelten Minderung der Haushaltstätigkeit ausgeht, verbleibt kein über den landgerichtlichen Ausspruch hinausgehender Haushaltsführungsschaden.

Nach dem Sachverständigengutachten wäre folgende Minderung zu berücksichtigen, wobei die Klägerin einen Haushaltsführungsschaden erst für die Zeit nach Abschluss der Unterstützung durch eine Haushaltshilfe, vermittelt durch die Berufsgenossenschaft, mithin ab dem 24.04.2017 geltend macht:

09.03. bis 25.04.2017  70 %

26.04. bis 30.07.2017  30 %

31.07. bis 08.03.2018  10 %

09.03. bis 26.03.2018  70 %.

Die Zeiten nach der zweiten Operation, die am 27./28.02.2018 stattfand, berücksichtigt der Sachverständigen offensichtlich fehlerhaft. Die festgestellte Beeinträchtigung von 70 % kann nicht erst ab dem 09.03.2018, sondern bereits ab dem 01.03.2018 maßgebend werden.

        

Tage   

MdH     

Stundenanzahl/Tag

Gesamtstunden

Summe a 9,50 €

24./25.04.2017

2       

70    

2,8     

5,6     

53,20 €

26.04.-30.07.2017

96    

30    

1,2     

115,2 

1.094,40 €

01.03.-26.03.2018

26    

70    

2,8     

72,8   

691,60 €

Summe 

                                

1.839,20 €

Allerdings macht die Klägerin für die Zeit ab 11.03.2018 eine geringere Beeinträchtigung geltend, als vom Gutachter ausgewiesen. Der Haushaltsführungsschaden reduziert sich damit weiter. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 50 % verbleibt dann kein über den vom Landgericht bereits tenorierten Ausspruch von 919,37 € hinausgehender Haushaltsführungsschaden.

5.3. Die Höhe des erlittenen Verdienstausfalls von 3.562,35 € steht zwischen den Parteien nicht im Streit und ermittelt sich nach der Haftungsquote mit 1.781,17 €.

5.4. Ein etwaig bestehender Schadensersatzanspruch für das beschädigte Fahrrad ist mit der vorgerichtlichen Zahlung der Beklagten von 100 € bereits ausgeglichen. Gleiches gilt für die Unkostenpauschale, auf die bereits 15 € geleistet wurde.

5.5. Der Feststellungsantrag ist – unter Beachtung der Haftungsquote – begründet. Bei der Ermittlung des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) darf nicht eng und förmlich vorgegangen werden. Daher darf auch die Forderung nach der Wahrscheinlichkeit eines späteren Schadenseintrittes nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit verstanden werden, denn das würde eventuelle spätere Ansprüche unbilligerweise der Verjährung preisgeben. Es genügt vielmehr, dass spätere Schadensfolgen immerhin ernstlich in Betracht kommen können (BGH, Urteil vom 16. November 1971 – VI ZR 76/70 –, Rn. 26, juris). Dies ist hier schon deshalb anzunehmen, weil nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. … derartige Frakturen auch bei bestmöglichem Heilungsverlauf erfahrungsgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer posttraumatischen Arthrose führen können und deshalb die Schadensentwicklung noch nicht feststeht. Mithin besteht zugleich ein Feststellungsinteresse.

Den weiteren erstinstanzlichen Feststellungsantrag auf Feststellung einer Ersatzpflicht für einen Haushaltsführungsschaden von 10 % verfolgt die Klägerin mit der Berufung nicht weiter.

6.

Die Klage hat mithin im Umfang von 3.700,54 €, sowie hinsichtlich des Feststellungsantrages mit einem Haftungsanteil von 50 % Erfolg.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten ermitteln sich nach einem Gegenstandswert von bis zu 5.000 € und einem Gebührensatz von 1,5 mit 564,66 € (303 € x 1,5 + 20 € + 19 % MWSt.). Ein höherer Gegenstandswert ist nicht anzusetzen. Zwar hat die Klägerin diese Schadenspositionen nochmals vorgerichtlich geltend gemacht. Es bestand jedoch bereits ein Klageauftrag, wie er sich in der bereits rechtshängigen Klage manifestiert, so dass eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr für bloße Vorbereitungshandlungen für eine Klageerweiterung, wie sie hier gegeben sind, nicht mehr entsteht (vgl. nur OLG Dresden, Urteil vom 04. November 2020 – 1 U 995/20 –, Rn. 47, juris). Zinsen sind hierauf nicht zu gewähren, da lediglich Freistellung beansprucht wird.

7.

Der Beklagte zu 1 hat nach dem Vorgenannten gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich seiner materiellen Schäden in Höhe von 871,64 € aus § 823 Abs. 1 BGB.

Dass er Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs ist, ergibt sich bereits aus der Vermutung des § 1006 BGB, da er zum Unfallzeitpunkt Eigenbesitzer war. Zudem hat er die Kaufrechnung und die Zulassung in Kopie vorgelegt.

Die Höhe des Schadens von 1.266,63 €, den er auf Gutachtenbasis abrechnet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Bestreiten der Klägerin ist lediglich pauschal und nicht fahrzeugbezogen. Auch die geltend gemachten Kostenpauschale von 20 € entspricht der Senatsrechtsprechung. Damit ergibt sich ein Ersatzanspruch von 643,31 €.

Ersatzfähig sind grundsätzlich auch die Sachverständigenkosten von 456,66 €. Dass der Beklagte zu 1 nach dem Bestreiten der Klägerin den Nachweis der Zahlung nicht geführt hat, bleibt unerheblich. Denn in dem Verhalten der Klägerin liegt eine ernsthafte und endgültige Weigerung der Zahlung, so dass sich der Freistellungsanspruch auch ohne Nachfristsetzung in einen Zahlungsanspruch umwandelt (vgl. BGH NJW-RR 2016, 155; NJW 2004, 1868). Der Zinsanspruch folgt aus Verzug.

Ebenfalls erstattungsfähig sind vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei einem Gegenstandswert von bis zu 1.000 €, mithin (80 € x 1,3 + 20 x 19%) = 147,56 €.

8.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 91a, 708 Nr. 10, 711, 713. Hierbei hat der Senat die nach Rechtshängigkeit von den Beklagten gezahlten 1.000 € zu deren Lasten berücksichtigt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren von bis zu 13.000 € ermittelt sich gemäß §§ 48, 49 GKG aus der Berufung der Beklagten 4.050,00 € (3.050 € + 1.000 € Feststeller) und der Berufung der Klägerin 8.366,54 €.