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Bildung krebserregender Stoffe

Alte Sonnencreme besser nicht mehr benutzen

Apotheker wissen es, viele Laien aber nicht: Sonnencreme hat nicht ohne Grund ein Verfallsdatum. Französische Forscher stellten nun bei Produkten mit Octocrylen als UV-Filter fest, dass sich mit der Zeit das krebserregende Benzophenon bildet. Ein gutes Argument, alte Flaschen wegzuwerfen und sich rechtzeitig zum Frühlingsbeginn mit neuem Sonnenschutz auszustatten.
Daniela Hüttemann
22.03.2021  10:30 Uhr

Viele Sonnenschutzpräparate tragen ein Mindesthaltbarkeitsdatum, das in der Regel etwa ein Jahr beträgt. Und viele enthalten den chemischen UV-Filter Octocrylen. Dass man die Cremes dann wirklich entsorgen sollte, bestätigt eine neue Studie aus Frankreich.

Ein Wissenschaftlerteam der Universität Sorbonne und des nationalen Forschungszentrums CNRS untersuchten, ob und in welchem Ausmaß sich Octocrylen in den Flaschen abbaut. Es entsteht dabei durch eine Retro-Aldolkondensation Benzophenon, das von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO 2013 als möglicherweise krebserregend eingestuft wurde und als photomutagen gilt. In Tierstudien löste es Leberkrebs und Lymphome aus und soll das Hautkrebsrisiko erhöhen. Zudem gelten beide Substanzen als endokrine Disruptoren, die in den Hormonhaushalt eingreifen können. Außerdem sollen sie reproduktionstoxisch wirken. Beide Substanzen werden über die Haut absorbiert. Octocrylen schädigt darüber hinaus Korallen. In einigen Gebieten wie den US-amerikanischen Jungfrauen-Inseln, den Marschall-Inseln sowie der Republik Palau ist es aus Umweltschutzgründen verboten. 

Wie sind die Forscherinnen und Forscher vorgegangen? Zunächst einmal sei bekannt, dass bei der Octocrylen-Herstellung Benzophenon-Verunreinigungen vorkommen und nicht vollständig eliminiert werden können. Die Kosmetikindustrie sehe die enthaltenen Benzophenon-Konzentrationen jedoch als vernachlässigbar an, heißt es in einer Pressemitteilung der Sorbonne. Allerdings zerfällt Octocrylen mit der Zeit, wobei auch Benzophenon entsteht.

Die Wissenschaftler konnten nun anhand von Testkäufen nachweisen, dass die Benzophenon-Konzentration in den Sonnenschutzprodukten mit der Zeit zunimmt. Sie untersuchten dazu neun Sonnenschutzprodukte aus der EU (darunter Präparate von Garnier, LaRoche-Posay und Bioderma) sowie acht aus den USA (darunter Neutrogena) mit gleichem Lichtschutzfaktor direkt nach dem Kauf und nach einem Alterungsbeschleunigungsprozess gemäß der US-Arzneimittelbehörde FDA nach sechs Wochen. 16 enthielten Octocrylen, eines (Nivea Sun SPF 50+) war frei von diesem UV-Filter. Die Forscher fanden bereits zu Beginn im Schnitt 39 mg/kg Benzophenon, wobei die Spreizung zwischen 6 und 186 mg/kg lag. Nur in dem Octocrylen-freien Präparat war kein Benzophenon nachweisbar – das blieb auch so nach Alterungsbehandlung. In den anderen 16 Produkten stieg der Benzophenon-Gehalt auf durchschnittlich 75 mg/kg (zwischen 9,8 und 435 mg/kg), berichtete das Autorenteam vor Kurzem im Fachjournal »Chemical Research in Toxicology«.

Die Wissenschaftler stellen nun die Sicherheit Octocrylen-haltiger Kosmetika, zu denen auch manche Anti-Aging-Produkte und Tagescremes zählen, infrage. Der Stoff sollte aus ihrer Sicht für Kosmetikprodukte vorsorglich verboten werden.

Tatsächlich wurde Octocrylen bereits 2012 von der EU gemäß der REACH-Verordnung unter die Lupe genommen, genauer gesagt von Frankreich, und durfte weiter verwendet werden. Im Mai 2019 rief die Europäische Kommission zu einer fachlichen Neubewertung hormonaktiver Substanzen auf, darunter auch Octocrylen. Der endgültige Beweis, dass Octocrylen bei Menschen krebserregend oder reproduktionstoxisch wirkt, steht noch aus.

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