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WM 2014 Giovane Elber

"Das wird eine WM für die reichen Leute"

Giovane Elber (M.) freut sich auf die WM 2014 in seiner Heimat Brasilien Giovane Elber (M.) freut sich auf die WM 2014 in seiner Heimat Brasilien
Giovane Elber (M.) freut sich auf die WM 2014 in seiner Heimat Brasilien
Quelle: AP
Giovane Elber freut sich im "Welt"-Interview auf die Weltmeisterschaft in Brasilien, die ein zweiter Karneval werden soll. Normale Fans können sich das Spektakel im Sommer 2014 aber kaum erlauben.

Für Brasilien absolvierte Giovane Elber 15 Länderspiele. Er stürmte neun Jahre in der Bundesliga, schoss für den VfB Stuttgart und Bayern München 133 Tore. In seiner Heimatstadt Londrina betreibt der 41-Jährige heute eine Rinderfarm mit 13 Angestellten und eine Firma für Tiernahrung für Pferde und Rinder mit 50 Mitarbeitern. Bei der WM 2014 kommentiert er mit Mehmet Scholl die Spiele für die ARD.

Die Welt: Giovane Elber, Brasilien ist mit den Stadionbauten in Verzug. Müssen wir uns Sorgen machen, dass bei der WM 2014 auf Baustellen gespielt wird?

Giovane Elber: Nein, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Die Arbeiten werden rechtzeitig fertig sein. Wir Brasilianer erledigen gerne alles auf den letzten Drücker. Wir sind halt so.

Die Welt: Seit geraumer Zeit wird vor den Stadien heftig protestiert, die Menschen gehen auf die Straße. Was läuft falsch in Brasilien?

Elber: Die letzten Stadien wurden für die WM 1950 gebaut, sie müssen erneuert werden. Es wird sehr viel Geld in den Fußball investiert. Andererseits herrscht große Armut. Wir haben schlechte Krankenhäuser. Unser Bildungssystem ist unzureichend, weil die Lehrer schlecht bezahlt werden. Ich schicke meine beiden Kinder auf eine Privatschule, aber das können sich nur die wenigsten leisten.

Die Welt: Die Probleme sind nicht neu. Warum demonstrieren die Leute erst seit dem Confed-Cup?

Elber: Weil ihnen der Confed-Cup erst richtig vor Augen geführt hat, dass bei der WM die ganze Welt auf Brasilien schaut. Sie haben gesehen, dass die nötige Infrastruktur fehlt. Wir haben keine Züge und Straßenbahnen. Aber auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wird verzichtet. Die Leute sind auf überteuerte Flüge zwischen den Spielorten angewiesen.

Die Welt: Man spricht von Wucherpreisen. Stimmt es, dass die Flugpreise teilweise verzehnfacht wurden?

Elber: Es läuft eine entsprechende Klage gegen die Fluggesellschaften. Ich hoffe, sie ist erfolgreich, und die Teuerung wird nicht so extrem wie befürchtet.

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Die Welt: Warum wird in zwölf Städten gespielt? Bei den hohen, teuren Auflagen der Fifa und den ganzen anderen Problemen hätten acht auch gereicht.

Elber: Das hatte politische Gründe. Jeder Kommunalpolitiker hat versucht, die WM in seine Stadt zu holen. So entstehen Stadien, die nach dem Turnier leer stehen. In Natal wird nicht wirklich Fußball gespielt, in Cuaibá ebenso. In Manaus gibt es keine Erstligamannschaft. Wer soll nach der WM dort spielen? Die Affen? Oder die Krokodile?

Die Welt: Welche Rolle spielt Korruption rund um die WM?

Elber: Das war bei uns schon immer ein Thema. Bisher konnten die Politiker machen, was sie wollten, die kamen nie ins Gefängnis. Jetzt müssen sie aufpassen. Die Leute machen das nicht mehr mit. Ein großer Kämpfer gegen Korruption ist der frühere Weltstar Romario, der jetzt Parlamentsabgeordneter ist. Er hat sich dem Ex-Verbandspräsidenten Ricardo Teixeira, der viel Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet hat und nach Miami geflüchtet ist, an die Fersen geheftet. Auch die Tage seines Nachfolgers Jose Maria Marin sind gezählt. Romario fordert eine parlamentarische Untersuchungskommission zur Aufdeckung weiterer Delikte.

Die Welt: Die Eintrittspreise sind horrend. Kann sich der normale Fan überhaupt WM-Tickets leisten?

Elber: Nein, das wird eine WM für die reichen Leute. Das war schon beim Confed-Cup so. Ich war bei einem Spiel in Fortaleza. Da habe ich nur Ausländer oder Leute von hier gesehen, die in dicken Autos vorgefahren sind.

Die Welt: In letzter Zeit war viel über Grausamkeiten im Zusammenhang mit Fußball zu lesen. Ein Schiedsrichter wurde gelyncht und gevierteilt, einem Ex-Profi wurde der Kopf abgeschnitten und sein Torso in einen Fluss geworfen. Wie gefährlich ist die WM 2014?

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Elber: Bei diesen Zwischenfällen ging es nicht um Fußball, da steckte mehr dahinter. Es ging um Drogen und andere schlimme Dinge. Bei der WM wird das Thema Sicherheit großgeschrieben. Natürlich ist Vorsicht geboten wie überall, wenn so viele Menschen zusammenkommen.

Die Welt: Was für eine Atmosphäre erwartet den WM-Besucher aus dem Ausland?

Elber: Ich bin sicher, während der WM werden die Leute die unerfreulichen Begleitumstände im Vorfeld vergessen und die Stimmung wird großartig sein. Wer nach Brasilien fliegt, braucht nicht unbedingt eine Eintrittskarte. Er kann in eine tolle Atmosphäre eintauchen und einfach mitfeiern. Es gibt Public Viewing in den Städten, die Schulkinder haben acht Wochen Ferien. Die WM wird ein zweiter Karneval.

Die Welt: Auch weil die brasilianische Nationalelf erfolgreich sein wird? Nach dem Sieg im Confed-Cup mit dem beeindruckenden 3:0 im Finale gegen Spanien und vor eigenem Publikum zählt sie zu den großen Favoriten.

Elber: Wer Weltmeister werden will, muss Deutschland und Spanien schlagen. Wir sind auf einem guten Weg, aber nicht alle Probleme sind gelöst. In der Offensive war der Plan, auf erfahrene Spieler wie Ronaldinho, Adriano und Kaka zu setzen. Doch Kaka war oft verletzt. Adriano hatte Probleme mit dem Alkohol und hat seit zwei Jahren keinen Verein. Ronaldinho spielt oft lustlos. So musste Nationaltrainer Felipe Scolari umdenken und auf junge Spieler setzen. Neymar ist sein neuer Star.

Die Welt: Ist er reif genug, um mit den hohen Erwartungen fertig zu werden?

Elber: Das wird sich zeigen. Neymar war schon mit 16 beim FC Santos zwei Klassen besser als alle Gleichaltrigen. Ich habe damals den FC Bayern auf ihn aufmerksam gemacht. Aber er war damals schon sehr teuer, weil er mit Sonderverträgen ausgestattet war. Die Bayern haben sich nach reiflicher Überlegung gegen eine Verpflichtung entschieden, auch weil niemand wusste, wie seine weitere Entwicklung verlaufen würde.

Die Welt: Nun ist er beim FC Barcelona gelandet. Die richtige Entscheidung?

Elber: Absolut. Für ihn war es wichtig, aus Brasilien wegzugehen. In der brasilianischen Liga hätte er nicht mehr viel dazulernen können. In und mit Barcelona misst er sich permanent mit den Besten der Welt.

Die Welt: Als ein Nebenmann bei der WM war Diego Costa vorgesehen. Scolari hatte den gebürtigen Brasilianer in den Kader berufen, doch der Stürmer von Atletico Madrid hat sich kurz danach für Spanien entschieden. Was ist da schief gelaufen?

Elber: Offenbar hat ihn Scolari nominiert, ohne vorher mit ihm zu reden. Das war schon zu meinen Zeiten so üblich. Ich habe meine Berufungen immer zuerst aus der Presse erfahren. Fußballerisch sind wir weltklasse, organisatorisch Zweite Liga. Ich finde, Costa hat richtig entschieden.

Die Welt: Finden Sie es auch in Ordnung, dass bei der WM erstmals Torkameras eingesetzt werden, um solche Fehlentscheidungen wie kürzlich beim Bundesligaspiel zwischen Hoffenheim und Leverkusen zu vermeiden?

Elber: Das Phantomtor wurde im brasilianischen Fernsehen pausenlos rauf und runter gespielt. Jeder hat gesehen, dass es kein korrektes Tor war. Ich bin trotzdem gegen technische Hilfsmittel. Es ist doch schön, wenn über Fehlentscheidungen tagelang diskutiert wird. Würde das wegfallen, wäre der Fußball langweiliger.

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