PTA-Forum online
Arzneimittelnebenwirkungen

Wenn die Haut empfindlich reagiert

20.07.2012  15:13 Uhr

Von Ursula Sellerberg / Medikamente und Sonne vertragen sich nicht immer, denn Arzneistoffe können die Lichtempfindlichkeit der Haut steigern. Je nach Wirkstoff reagieren manche Menschen ähnlich wie bei einem Sonnenbrand. Im Beratungsgespräch sollten PTA oder Apotheker daher bei der Abgabe einiger Medikamente vor allem im Sommer zu passendem Lichtschutz raten.

Neben Arzneistoffen können auch Gemüse und viele weitere Substanzen die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen, beispielsweise Sellerie und Pastinaken, Parfumbestandteile wie Bergamott-Öl und Moschus. Wer die Dämpfe von Holzkonservierungsmitteln eingeatmet hat, könnte mit demselben Effekt konfrontiert sein. Einige Photosensibilatoren bildet der Körper bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen sogar selbst. Ein Beispiel ist die Porphyrie (siehe Kasten).

Porphyrie

Die Porphyrie ist eine seltene Stoffwechselerkrankung, bei der Bildung und Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin gestört sind. Je nach Ausprägung der Krankheit haben die an Porphyrie Erkrankten eine auffällig blasse Haut und reagieren sehr empfindlich auf Licht. Weitere Symptome sind die Rotfärbung des Urins, kolikartige Bauchschmerzen, Halluzinationen und Psychosen. Früher tranken die Erkrankten Tierblut, ein vergeblicher Versuch, ihre Blutarmut auszugleichen.

Je nach Ausprägung werden die Nebenwirkungen zu den photoallergischen oder phototoxischen Reaktionen gezählt. Allerdings ist die Unterscheidung häufig schwierig und einige Arzneistoffe lösen beide Reaktionsformen aus. Daher hat sich der Oberbegriff »Photosensibilisierung« etabliert. Meist ruft UV-A-Strahlung (320 – 400 nm) die Reaktionen hervor, seltener UV-B-Strahlung (280 – 320 nm) oder sichtbares Licht (400 – 780 nm). Glas oder dünne Kleidung halten UV-B-Strahlung weitgehend ab, nicht aber UV-A-Strahlung. Deshalb ist eine Photosensibilisierung auch durch Glasscheiben hindurch möglich, beispielsweise beim Autofahren.

Die phototoxischen Hautreaktionen entstehen dosisabhängig bereits bei der ersten Anwendung eines entsprechenden Arzneistoffs. Voraussetzungen sind eine ausreichende Dosis der Substanz und eine Bestrahlung mit UV-Licht. Kann ein Wirkstoff Licht absorbieren, gelangt er kurzfristig in einen energetisch angeregten Zustand. Wenn er diese Energie nach kurzer Zeit wieder abgibt, entstehen zum Beispiel freie Radikale, die wiederum Schäden in der Haut verursachen. Phototoxische Reaktionen sind meist auf die Hautstellen begrenzt, die dem Licht ausgesetzt sind. Dort kann eine lang anhaltende und starke Pigmentierung ausgelöst werden.

Photoallergische Reaktionen treten erst bei wiederholtem Kontakt auf. Zunächst bindet ein durch Strahlung angeregtes (Arzneistoff-)Molekül an ein Protein in der Haut. Dadurch entsteht ein komplexes Antigen, das bei erneuter Exposition eine allergische Reaktion auslöst. Diese kann lokal begrenzt oder am ganzen Körper auftreten. Photosensibilisierungsreaktionen können die Entstehung von Hauttumoren begünstigen (Photokarzinogenese).

Die Liste der Arzneistoffe, die die Lichtempfindlichkeit steigern können, ist lang (siehe Kasten). Im Folgenden drei prominente Beispiele: Der diuretisch wirkende Arzneistoff Hydrochlorothiazid (HCT) hat eine mittlere Potenz für Photosensibilisierungen. Da HCT häufig verordnet wird, oft als Kombinationspräparat, ist der Arzneistoff einer der Hauptauslöser medikamentös bedingter, erhöhter Lichtempfindlichkeit. Das Antiarrythmikum Amiodaron wird zwar seltener verordnet als HCT, führt aber auch bei vielen Anwendern zu lichtsensiblen Reaktionen.

Welche Arzneistoffe können gegen Licht sensibilisieren?

Bei vielen Arzneistoffen ist eine möglicherweise photosensibilisierende Nebenwirkung bekannt. Hier einige Beispiele:

  • Diuretika: Hydrochlorothiazid (HCT), Furosemid
  • Schmerzmittel: Ketoprofen, Diclo­fenac, Indometacin
  • Antibiotika: Tetracycline (z. B. Doxycyclin, Minocyclin), Fluorchinolone (z. B. Norfloxacin, Ciprofloxacin) sowie Sulfonamide und Isoniazid
  • Antimykotika: Terbinafin, Voriconazol
  • Malariamittel: Chloroquin
  • Neuroleptika: Thioridazin, Promethazin, Fluphenazin, Haloperidol
  • Antidepressiva: Amitriptylin, Nortrip­tylin, Clomipramin, Johanniskraut
  • Kardiovaskulär wirksame Substanzen: Amiodaron, Nifedipin, Diltiazem, ACE-Hemmer, Simvastatin
  • Antiepileptika: Carbamazepin, Phe­no­barbital, Topiramat
  • Zytotoxische Substanzen: Fluoro­uracil, Vinblastin, Methotrexat
  • Hormone wie Corticosteroide, Estrogene, Progesterone, Spironolacton
  • Systemisch angewendete Dermatika wie Isotretinoin

Dass Johanniskraut die Lichtempfindlichkeit steigert, wissen inzwischen auch viele Laien. Doch wird dieser unerwünschte Effekt oft überschätzt. Der sogenannte Hypericismus wurde bei Ziegen, Kühen und hellhäutigen Pferden entdeckt, die auf der Wiese große Mengen an Johanniskraut fraßen. Die Tiere entwickelten bei starker UV-Einstrahlung einen teilweise blasigen Sonnenbrand, vor allem um ihr Maul he­rum. Menschen nehmen hingegen als Antidepressivum Johanniskrautextrakt in Konzentrationen ein, die in der Regel zu gering sind, um Hypericismus aus- zulösen. Daher wurde diese Neben- wirkung bislang nur in Einzelfällen beschrieben. Das Risiko steigt allerdings bei einer hoch dosierten Gabe der Medikamente oder bei sehr viel Licht: So können bei extrem hohen Dosen an künstlichen Strahlen, etwa im Rahmen einer Lasertherapie, auch bei geringen Hypericin-Dosierungen phototoxische Reaktionen auftreten.

Uneinheitliche Symptome

Wie sich die gesteigerte Lichtempfindlichkeit äußert, hängt von vielen Faktoren ab. Die Bandbreite ist groß und von Patient zu Patient verschieden. Eine Rolle spielen Bräunungsgrad der Haut, Behaarung, Hautdicke und Feuchtigkeit. Beim Arzneistoff kommt es auf die Dosis an, in der er in oder auf die Haut gelangt ist und auf die Metabolisierungsgeschwindigkeit, das heißt, wie schnell er abgebaut wird. Auch Art und Menge der Strahlung sind von Bedeutung: Einige Medikamente verursachen nur im Frühling oder Sommer Hautreizungen.

Außerdem treten nicht alle Photosensibilisierungsreaktionen nach derselben Zeit auf: Soforterytheme entstehen noch während der Sonneneinstrahlung, die Haut rötet sich, brennt und sticht. Bei höheren Dosierungen bilden sich häufig Ödeme. Eine verzögerte Hautreaktion zeigt sich nach etwa 8 bis 24, manchmal erst nach 72 Stunden, beispielsweise als starker Sonnenbrand. Typischerweise sind lichtgeschützte Hautstellen scharf abgegrenzt, die verbrannte Haut schmerzt und brennt.

Ein Beispiel für eine chronische Hautreaktion ist die Pseudoporphyrie. Diese Nebenwirkung bleibt Wochen bis Monate nach dem Absetzen des auslösenden Arzneimittels bestehen. Charakteristischerweise ist die Verletzlichkeit der Haut gesteigert, vor allem an Hand- und Fußrücken. Die erhöhte Lichtsensitivität führt sogar manchmal dazu, dass sich die Fingernägel ablösen.

Plötzliche Pigmentflecke

Lang anhaltende Hyperpigmentierungen können als Folge einer langfristigen Einnahme von Tetracyclinen entstehen. Diese relativ homogene Pigmentierung hängt von der Dauer und Intensität der Lichtexposition ab. Amio­daron kann eine lang anhaltende, grau-violette Pigmentierung verursachen. Dies lässt sich mit einem rechtzeitigen und ausreichenden Lichtschutz verhindern. Auch Psoriasis-Patienten, die systemisch oder extern Methylpsoralene anwenden, beobachten lang anhaltende Hyperpigmentierungen. Diese treten vor allem bei der sogenannten ­PUVA-Therapie auf. Darauf sollten PTA oder Apotheker vor allem Patienten mit einem dunklen Hauttyp (Typ 3 oder 4) hinweisen.

Verschiedene Strategien

Ob eine Photosensibilisierung vorliegt, kann der Arzt mit einer sogenannten Lichttreppe diagnostizieren. Dabei wird die Haut mit UV-A- und UV-B-Licht in abgestuften Intensitäten bestrahlt. Wichtig: Vor der Diagnose darf der Patient das verdächtigte Medikament nicht absetzen.

Tipps zur Vorbeugung

Bekannte photosensibilisierende Nebenwirkungen hat der Hersteller in der Packungsbeilage vermerkt. Viele Patienten lesen jedoch den Beipackzettel gar nicht oder nicht aufmerksam genug. Deshalb sollten PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch über die Lichtsensibilisierung informieren und Tipps zur Vermeidung geben, beispielsweise entsprechende Hinweise im Sommer oder vor Fernreisen.

  • Intensive Sonne meiden: Zwischen 11 und 15 Uhr ist das Sonnenlicht am stärksten. Das gilt auch vor allem in südlichen Ländern, im Wasser und in den Bergen.
  • Keine Solarien besuchen.
  • Textilen Lichtschutz verwenden: breitkrempiger Hut, lange Ärmel, Handschuhe, UV-absorbierende Sonnenbrille.
  • Sonnenschutzmittel mit einem hohen UV-A-Schutz auftragen.
  • Bei langfristiger Einnahme des Arzneimittels: UV-undurchlässige Folien auf Fenster im Haus und im Auto kleben.
  • Arzneimittel mit kurzer Halbwertszeit möglichst abends einnehmen.

Hat die Photosensibilisierung zu Hautschäden geführt, lassen sich diese meist symptomatisch gut behandeln. Im akuten Stadium verordnen Ärzte oft Glucocorticoide als Externa, bei offenen Blasen gegebenenfalls in Kombination mit Antiseptika. Glucocorticoide werden über die akute Heilung hinaus eingesetzt, um einer weiteren Pigmentierungsstörung vorzubeugen. Außerdem empfinden viele Patienten feuchte, kühlende Umschläge bei akuten Hauterkrankungen als angenehm.

Ist eine phototoxische Reaktion aufgetreten, sollte der Betreffende über mehrere Monate hinweg ein Lichtschutzmittel mit hohem UV-A- und UV-B-Schutz auftragen. Bei einer Hyperpigmentierung durch Melanin verschreiben manche Ärzte eine Zubereitung aus Hydrochinon, Hydrocortison und Tretinoin als Bleichmittel. Dieses Arzneimittel sollte im Herbst und Winter angewendet werden. Eine dauerhafte Pigmentierung kann der Arzt durch Laser entfernen.

Beim Verdacht, dass eine Hautreizung als Nebenwirkung eines rezeptpflichtigen Medikaments auftritt, sollten PTA oder Apotheker dem Patienten raten, darüber mit dem verordnenden Arzt zu sprechen. Parallel sollten sie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) über die unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) mithilfe des UAW-Meldebogens informieren. Diese Empfehlung der AMK gilt auch, wenn die Nebenwirkung in der Packungsbeilage oder der Fachinformation bereits vermerkt ist. /

E-Mail-Adresse der Verfasserin

ursula.sellerberg(at)yahoo.de