Inhalt

OLG Nürnberg, Endbeschluss v. 25.01.2022 – 11 UF 801/21
Titel:

Eheliche Lebensgemeinschaft: Verwirkung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einer Körperverletzung zwischen Ehe-gatten nach Versöhnung

Normenketten:
BGB § 207 Abs. 1 S. 1, § 227, § 242, § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 1353
tZGB Art. 118
FamFG § 266 Abs. 1. Nr. 3
Leitsätze:
§ 207 BGB soll den Familienfrieden vor Störungen durch klageweise Geltendmachung von Ansprüchen schützen. Dazu stünde im Widerspruch, wenn der Geschädigte nach einem erfolgten Versöhnungsversuch zur Vermeidung des Eintritts von Verwirkung zur zeitnahen Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen nach einer häuslichen Auseinandersetzung angehalten wäre. (Rn. 30)
1. Bei der Beurteilung des Umstandsmomentes einer Verwirkung kann das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Anspruches und damit der reine Zeitablauf seit der Versöhnung für sich genommen kein schutzwürdiges Vertrauen darauf auslösen, dass der geschädigte Ehegatte seinen Schadensersatzanspruch gegen den anderen Ehegatten nicht mehr geltend machen werde (Anschluss an BGH BeckRS 2018, 1593 Rn. 15 = NZFam 2018, 263 Rn. 15).  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst eine angemessene Schadensminderung durch einvernehmliche Bemühungen der Ehegatten zur Überwindung des eingetretenen Schadens berührt nicht den Bestand des Ersatzanspruches an sich, sondern allenfalls dessen Geltendmachung (vgl. BGH NJW 1988, 1208 (1209); Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 6. Aufl. 2015 , Rn. 1864).  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die dazu erforderlichen Ausgleichs- oder Wiedergutmachungsbemühungen des schädigenden Ehegatten müssen die üblichen wechselseitigen Beiträge zum Familienunterhalt übersteigen und in Zusammenhang mit der erfolgten Verletzungshandlung stehen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eheliche Lebensgemeinschaft, Körperverletzung, Schmerzensgeldanspruch, Verwirkung, Umstandsmoment, bloßes Unterlassen, schutzwürdiges Vertrauen, angemessene Schadensminderung, Überwindung des eingetretenen Schadens, Ausgleichs/Wiedergutmachungsbemühungen
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Endbeschluss vom 08.07.2021 – 110 F 402/21
Fundstellen:
FamRZ 2022, 975
MDR 2022, 565
LSK 2022, 1915
NJW-RR 2022, 726
BeckRS 2022, 1915

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 08.07.2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin aufgrund der Körperverletzung vom 01.02.2017 ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.900,00 € sowie Schadensersatz in Höhe von 20,00 € und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € nebst Zinsen aus diesen Beträgen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.
2. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragstellerin 36% und der Antragsgegner 64%.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.020,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand des Verfahrens sind Schmerzensgeldansprüche der Antragstellerin einschließlich Nebenforderungen aufgrund eines Nasenbeinbruches nach einer häuslichen Auseinandersetzung.
2
1. Die Beteiligten sind seit 1991 vor in Nürnberg verheiratete Ehegatten mit türkischer Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen (geboren am … und am …). Am 01.02.2017 kam es zwischen den Beteiligten zum Streit. In Folge einer Armbewegung des Antragsgegners traf dieser die Antragstellerin mit der Hand im Gesicht. Die Antragstellerin erlitt dadurch einen Nasenbeinbruch. Dieser musste mittels eines operativen Eingriffs medizinisch behandelt werden.
3
Die gemeinsame Wohnung wurde darauf der Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (AG Nürnberg, 110 F 412/17) zur vorläufigen Nutzung bis 20.08.2017 zugewiesen. Bereits im Mai 2017 zog der Antragsgegner jedoch im Einverständnis mit der Antragstellerin wieder ein und lebte seither mit dieser und den gemeinsamen Söhnen dort. Die Antragstellerin teilte der Polizei im Juni 2017 mit, dass sie keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung habe, worauf das eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Spätestens im Juli 2020 erfolgte die endgültige Trennung der Ehegatten.
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Mit zwei Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 11.09.2020 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000,00 € sowie Ersatz entstandener Auslagen für Arztbesuche und Medikamente in Höhe von 20,00 € sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 403,22 € (basierend auf einem Gegenstandswert von 3.020,00 €) auf. Der Antragsgegner wies die Forderungen mit am 23.09.2020 beim Antragstellervertreter eingegangenen Schreiben zurück.
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Die Antragstellerin hat zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsgegner ihr bei der Auseinandersetzung am 01.02.2017 mit der Faust grundlos ins Gesicht geschlagen habe, wodurch sie den Nasenbeinbruch erlitt. Daraus ergebe sich ein Schmerzensgeldanspruch, dessen genaue Höhe unter Verweis auf den außergerichtlich geltend gemachten Betrag sie in das Ermessen des Gerichtes stelle.
6
Die Antragstellerin hat daher beantragt,
1.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin aufgrund des Vorfalles vom 01.02.2017 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen, wobei die genaue Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
2.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Klägerin 20,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.
3.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 403,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.
7
Der Antragsgegner hat Antragsabweisung beantragt.
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Er hat dazu zunächst im Rahmen der Antragserwiderung vom 01.12.2020 vorgetragen, dass nicht bestritten werden solle, dass er die Antragstellerin im Februar 2017 geschlagen habe. Er und die Antragstellerin hätten sich jedoch im Mai 2017 wieder versöhnt. Seither habe man bis Juli 2020 wieder als Paar zusammengelebt. Er habe auch viele Kosten seither getragen. So habe er Zahlungen für die gemeinsam bewohnte Wohnung geleistet und der Antragstellerin auch Urlaub bezahlt. Die Geltendmachung von Schmerzensgeld nach über drei Jahren sei daher verwirkt.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 27.01.2021 hat der Antragsgegner dazu abweichend ausgeführt, dass die Antragstellerin wütend auf ihn losgegangen sei und er sich gewehrt habe, indem er mit seinem Arm ausgeholt und sie gleichsam von sich weggeschoben habe.
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Es habe eine Notwehrsituation bestanden.
11
Das Amtsgericht hat die Beteiligten im Termin vom 17.06.2021 persönlich angehört. Die Antragstellerin hat dort erklärt, dass sie dem Antragsgegner im Mai 2017 eine neue Chance habe geben wollen. Sie habe seiner Versicherung geglaubt, dass sie jetzt ruhig zusammenleben könnten und keinen Stress mehr haben würden. Es sei dann auch gut gegangen.
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Mit Endbeschluss vom 17.06.2021 hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Die geltend gemachte Forderung sei verwirkt. Zwar könne nicht von einer Notwehrlage zugunsten des Antragsgegners ausgegangen werden. Nach Anhörung der Beteiligten sei aber von einer „Versöhnung“ der Ehegatten auszugehen, was bedeute, dass diese die Vergangenheit als abgeschlossen ansähen und man im Interesse eines künftig friedlichen Zusammenlebens gegenseitige Ansprüche aus der Vergangenheit nicht mehr geltend mache. Die Antragstellerin habe in der Folge auch über 3 Jahre lang den Schmerzensgeldanspruch weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht. Nach einer so langen Zeit habe der Antragsgegner darauf vertrauen dürfen, dass der Schmerzensgeldanspruch nicht mehr erhoben werde.
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2. Gegen diesen, ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 13.07.2021 zugestellten, Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 13.08.2021 eingegangenen Beschwerde.
14
Eine Notwehrsituation habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Antragsgegner alkoholisiert in der Küche auf sie zugegangen und habe sie geschlagen. Eine echte Versöhnung zwischen den Ehegatten sei auch nicht erfolgt, man habe eher wie „Bruder und Schwester“ zusammengelebt. Urlaube habe der Antragsgegner nicht bezahlt, allenfalls Zahlungen für die gemeinsam bewohnte Wohnung geleistet.
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Unter im Übrigen Wiederholung des bisherigen Sachvortrages hält sie daran fest, dass eine Verwirkung nicht eingetreten sei.
16
Die Antragstellerin beantragt,
1.
Der Endbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 08.07.2021, Az. 110 F 402/21, wird abgeändert.
2.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin aufgrund des Vorfalls vom 01.02.2017 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen, wobei die genaue Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
3.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 20,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.
4.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 403,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.09.2020 zu bezahlen.
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Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
18
Die Entscheidung des Amtsgerichts sei zu Recht ergangen und aufrechtzuerhalten. Der Anspruch der Antragstellerin sei verwirkt. Zudem bestehe er gar nicht. Der Antragsgegner habe, soweit er überhaupt gehandelt habe, aus Notwehr gehandelt. Die Antragstellerin sei damals temperamentvoll aggressiv auf ihn zugestürmt.
19
Der Senat hat mit den Beteiligten am 11.01.2022 mündlich zur Sache verhandelt. Auf das gefertigte Protokoll wird im Einzelnen Bezug genommen, ebenso auf das weitere beidseitige schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten.
II.
20
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 266 Abs. 1 Nr. 3, §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG, § 520 Abs. 3 ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache zumindest teilweise Erfolg.
21
1. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB. Auf den Anspruch ist deutsches Recht anwendbar (Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
22
a) Unstrittig hat der Antragsgegner die Antragstellerin durch eine Arm- und Handbewegung verletzt, die zu einem Nasenbeinbruch führte. Soweit der Antragsgegner insoweit zwischenzeitlich auf eine Notwehrsituation abstellt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Bereits aus dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich keine solche Notwehrlage. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb für das behauptete Wegschieben der Antragstellerin eine Ausholbewegung mit dem Arm erforderlich war und weshalb dieses Wegschieben durch unmittelbare Einwirkung auf die Nase der Antragstellerin hätte erfolgen müssen.
23
Der Antragsgegner ist zudem angesichts des substantiierten Bestreitens der Antragstellerin beweisbelastet dafür, dass er sich überhaupt in einer Notwehrsituation befand, mithin einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff der Antragstellerin gem. § 227 Abs. 2 BGB ausgesetzt war (allg. Meinung, vgl. Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 227 BGB Rn. 13). Ein Beweisangebot dazu ist jedoch nicht erfolgt.
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Schließlich kann sich der Antragsgegner auch nicht erfolgreich auf den Einwand der Verwirkung berufen.
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Verwirkung bedeutet, dass sich der Schuldner über einen gewissen Zeitraum wegen Untätigkeit des Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH NJW 2002, 669, 670 Rn. 21).
26
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
27
Zwar kann nach den Ausführungen der Antragstellerin im Termin vor dem Amtsgericht durchaus davon ausgegangen werden, dass zwischen den Beteiligten im Mai 2017 ein echter Versöhnungsversuch zur Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft erfolgte, der für gewisse Dauer auch erfolgreich war.
28
Allein aus dem Umstand der stattgefundenen Versöhnung lässt sich bei objektiver Beurteilung aber nicht ableiten, dass damit auch bereits entstandene Ansprüche künftig nicht mehr geltend gemacht würden. Im Zeitpunkt der Versöhnung, als die Antragstellerin dem Antragsgegner - mit ihren Worten - noch einmal eine Chance gab, war noch nicht absehbar, ob dies zu einem künftigen Zusammenleben nur für wenige Tage, Wochen oder aber lange Zeit führen würde. Der Antragsgegner konnte in diesem Moment nicht erwarten, dass allein der Versuch erneuten Zusammenlebens zu einem Verzicht auf bisher entstandene Ansprüche führen würde. Vielmehr konnte die erfolgte Versöhnung allenfalls den Ausgangspunkt für eine Entwicklung setzen, die bei Hinzutreten weiterer Ereignisse gegebenenfalls diese Annahme begründen könnte.
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Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Hemmung der Verjährung für die Dauer des Bestands der Ehe (hierzu Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 7. Aufl., Rn. 682). Zwar wird die Annahme eingetretener Verwirkung während der gemäß § 207 BGB gehemmten Verjährung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BGH FamRZ 2018, 589 Rn 17).
30
Die Vorschrift wäre aber sinnentleert, wenn bereits bei Vorliegen eines Versöhnungsversuchs die Verwirkung bis dahin entstandener Ansprüche einträte. § 207 BGB soll den Familienfrieden vor Störungen durch klageweise Geltendmachung von Ansprüchen schützen (BGHZ 76, 293 Rn. 6 [zu § 204 BGB a.F.]; Meller-Hannich in: BeckOGK, Stand 01.12.2021, § 207 BGB Rn. 12). Dazu stünde im Widerspruch, wenn der Geschädigte nach einem erfolgten Versöhnungsversuch zur Vermeidung des Eintritts von Verwirkung gleichwohl zur zeitnahen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten wäre (hierzu auch Grothe in: MünchKomm-BGB, 9. Aufl, § 207 BGB Rn. 7; Henjes FuR 2009, 432, 434 jeweils zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen). Hinzutreten müssen für die Annahme des Verwirkungseintritts daher weitere aus dem Verhalten der Antragstellerin abgeleitete Umstände, die beim Antragsgegner berechtigtes Vertrauen dahingehend auslösten, dass er nicht mehr mit Ansprüchen aus dem Schadensereignis konfrontiert werde.
31
Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Anspruches und damit der reine Zeitablauf seit der Versöhnung konnte für sich genommen aber kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend auslösen, dass die Antragstellerin den Anspruch nicht mehr geltend machen werde (BGH FamRZ 2018, 589 Rn 15).
32
Weitere Verhaltensweisen der Antragstellerin aus der nachfolgenden Zeit des gemeinsamen Zusammenlebens bis Juli 2020, die zur Begründung des Umstandsmomentes einer Verwirkung herangezogen werden könnten, sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
33
b) Der bestehende Anspruch der Antragstellerin ist auch nicht durch einvernehmlich unternommene Bemühungen der Ehegatten zur Überwindung des eingetretenen Schadens erloschen. Selbst eine angemessene Schadensminderung berührte nicht den Bestand des Ersatzanspruches an sich, sondern allenfalls dessen Geltendmachung (vgl. BGH FamRZ 1988, 476, 477; 2983, 25 juris Rn. 17; Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 6. Aufl., Rn. 1864). Auch das hier auf die allgemeinen Wirkungen der Ehe (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F.) anwendbare türkische Recht enthält eine dem § 1353 BGB vergleichbare Norm. Danach sind die Ehegatten verpflichtet, das Glück der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren. Sie schulden einander Zusammenleben, Treue und Beistand (Art. 178 türkisches Zivilgesetzbuch).
34
Für solche Versuche einer angemessenen Schadensminderung oder eines angemessenen Ausgleichs (hierzu BGHZ 53, 352 juris Rn. 25) liegen hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Allein die vorgetragenen Zahlungen des Antragsgegners an die Antragstellerin für die gemeinsam bewohnte Wohnung sind dafür nicht geeignet. Soweit er dagegen vorträgt, dass er seiner Ehefrau auch 2 Urlaube in der Türkei finanziert habe, hat die Antragstellerin dies substantiiert bestritten und vorgetragen, dass sie diese Reisen selbst bezahlt habe. Ein Beweisangebot des Antragsgegners dazu ist ebenfalls nicht erfolgt. Sonstige Ausgleichs- oder Wiedergutmachungsbemühungen des Antragsgegners, die über die üblichen wechselseitigen Beiträge zum Familienunterhalt hinausgingen und in Zusammenhang mit der erfolgten Verletzungshandlung gebracht werden könnten, liegen nicht vor.
35
2. Bei der Bemessung des der Antragstellerin zuzusprechenden Schmerzensgeldes ist insbesondere die Art, Dauer und Intensität der Verletzung sowie den Grad des Verschuldens zu berücksichtigen ist, vor allem kommt es auf Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes an.
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Dabei ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass die aufgetretene Verletzung durch vorsätzliches Handeln des Antragsgegners herbeigeführt wurde. Die Verletzung war auch nicht nur geringfügig, sondern führte zu einem Nasenbeinbruch, der operativ versorgt werden musste. Die polizeilich gefertigten Lichtbilder dokumentieren zudem weitere Verletzungen der Antragstellerin, die diese auch äußerlich für Dritte erkennbar zeichneten.
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Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass länger andauernde oder bleibende Gesundheitsschädigungen nicht eingetreten sind. Die zwischenzeitlich erfolgte Versöhnung und das gemeinsame Zusammenleben für weitere 3 Jahre bis zur erstmaligen Geltendmachung des Anspruches sind insoweit zu berücksichtigen, als das anzuerkennende Bedürfnis der Antragstellerin nach Genugtuung nach diesem Zeitablauf bei weitem nicht mehr im gleichen Umfang besteht wie unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis.
38
Unter Abwägung der vorstehenden Umstände erachtet der Senat einen Betrag von 1.900,00 €, der sich deutlich unterhalb vergleichbarer Schmerzensgeldentscheidungen bei einer Nasenbeinfraktur bewegt (vgl. etwa beck.online.Schmerzensgeld „Nasenbeinfraktur“), als billige Entschädigung in Geld für die erlittene Verletzung. Darüber hinausgehend war der Antrag abzuweisen.
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3. Die Höhe des im Zusammenhang mit der notwendigen Heilbehandlung von der Antragstellerin mit 20,00 € bezifferten materiellen Schadens ist zwischen den Beteiligten unstrittig geblieben.
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4. Daneben kann die Antragstellerin den Ersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend machen, wobei der Gegenstandswert zu Grunde zu legen ist, der der tatsächlichen Schadenshöhe entspricht (BGH NJW 2018, 935 Rn. 8), hier also 1.920,00 €.
41
Gemäß Gebührentabelle zu § 13 Abs. 1 RVG (Stand bis 31.12.2020) beträgt die abrechenbare 1,3-Gebühr 195,00 €. Zuzüglich Kostenpauschale von 20,00 € ergeben sich unter Berücksichtigung von 19% Mehrwertsteuer insgesamt 255,85 €.
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5. Nach auch insoweit unbestrittenem Vortrag befand sich der Antragsgegner ab 23.09.2020 in Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich damit aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
III.
43
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
44
Eine vollständige Auferlegung der Kosten auf den Antragsgegner gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kam nicht in Betracht, da der zugesprochene Betrag nicht lediglich unerheblich von der ursprünglichen Bezifferung der Antragstellerin abweicht (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 92 ZPO Rn. 12).
45
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts und die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Damit ist gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht gegeben.