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Affäre Wildenstein: Wie sich eine Dynastie selbst zerlegt

Foto: REUTERS

Ex-Frauen stürzen einst mächtigsten Kunst-Clan der Welt Die Wildenstein-Dynastie: reich, berühmt und beispiellos zerstritten

Es ist ein Drama, das an TV-Serien wie Dallas oder Denver-Clan erinnert. Alles ist drin: Eifersucht, Lügen, ein Milliardenvermögen, geheime Finanzgeschäfte, Schönheitsoperationen, Verwicklungen mit der Politik, Nazi-Geschäfte, Kunst zwielichtiger Herkunft und ein sagenhaftes Anwesen in Afrika.

Umso profaner nun das Nachspiel, das seit Montag an einem Pariser Gericht gegeben wird. Auf der Anklagebank: Guy Wildenstein, Chef der einst größten und mächtigsten Kunsthandelsdynastie der Welt. Der 70-jährige Abkömmling der franko-amerikanischen Kunsthändlerfamilie Wildenstein muss sich wegen Geldwäsche und Steuerbetrugs verantworten. Mehr als 550 Millionen Euro an Nachzahlungen fordert der französische Staat von ihm .

Der Vorwurf: Wildenstein soll dem französischen Fiskus nach dem Tod seines Vaters Daniel im Jahr 2001 und seines älteren Bruders Alec im Jahr 2008 den Großteil des Milliarden-Erbes verheimlicht haben. Wird er verurteilt, drohen ihm zehn Jahre Haft.

Ehefrauen ließen den Schwindel auffliegen

Wildenstein senior ist allerdings nicht der einzige, der sich verantworten muss. Auch sein Neffe Alec Junior sowie die Witwe seines verstorbenen älteren Bruders Alec, dessen zweite Ehefrau Ljuba Stoupakova, stehen vor Gericht . Angeklagt sind außerdem ein Notar, zwei Anwälte und zwei Fondsverwaltungs-Firmen.

Dass der mutmaßliche Steuerbetrug rund 15 Jahre nach dem Tod des Vaters auffliegt und schmutzige Details an die Öffentlichkeit gelangen, ist zu großen Teilen mehreren Frauen beziehungsweise Ex-Frauen des Wildenstein-Clans geschuldet.

Aber der Reihe nach: Im Herbst 2001 stirbt im Alter von 84 Jahren in Paris der bekannte Kunsthändler Daniel Wildenstein, Herrscher über eine der bedeutendsten Kunsthandelsdynastien der Welt. Wildenstein senior hinterlässt zwei Söhne aus erster Ehe, Alec und Guy (geboren 1940 und 1945), sowie eine Witwe, seine zweite Frau Sylvia Roth-Wildenstein.

Wie man aus ein paar Milliarden ein paar Milliönchen macht

Ihnen hinterlässt Daniel Wildenstein ein Milliardenvermögen aus Gemälden, Luxusimmobilien, teuren Rennpferden sowie eine riesige Farm in Kenia, auf der der Hollywood-Film "Jenseits von Afrika" gedreht wurde. Bei den Behörden geben die Söhne den Wert des Erbes, der Schätzungen zufolge mehrere Milliarden betragen soll , allerdings nur mit 40,9 Millionen Euro an. Ihre Erbschaftsteuer begleichen sie angeblich mit einem Kunstwerk.

Witwe Sylvia, der die Stiefsöhne angeblich vorgegaukelt haben sollen, dass ihr persönlich Probleme mit dem Fiskus drohen, verzichtet unterdessen auf ihren Teil vom Erbe. Sie lässt sich stattdessen eine jährliche Rente auszahlen.

Doch kurz darauf ist es mit dem trügerischen Frieden vorbei: Als Sylvia Roth-Wildenstein mitbekommt, dass der tatsächliche Wert der Hinterlassenschaften offenbar deutlich höher liegt, geht sie die Vereinbarung juristisch an.

Vermögenswerte auf den Bahamas und den Cayman Islands

Ihr Vorwurf: Ihre Stiefsöhne hätten ihr enorme Teile des Familienbesitzes, die in steuersparenden Trusts auf den Bahamas, Guernsey und den Cayman Inseln gelagert seien, bewusst verschleiert.

Im Jahr 2010, noch bevor der Fall endgültig geklärt ist, stirbt Roth.

Damit ist der Fall aber noch nicht beendet. Zwei Jahre vor Roths Tod, 2008, ist nämlich auch Alec gestorben, der seinerseits von seine beiden Kindern Diane und Alec junior sowie seiner Witwe Liouba Stoupakova beerbt wird.

Das russisch-stämmige Model hatte Alec nach seiner schlagzeilenträchtigen Scheidung von seiner ersten Ehefrau Jocelyne Wildenstein geheiratet. Einer Society-Lady, die in der Presse wegen ihres durch wilde Schönheitsoperationen entstelltes Gesicht als "Catwoman" beziehungsweise "Bride of Wildenstein" tituliert wurde.

Auch Sarkozy gerät ins Kreuzfeuer

Auch Alecs zweite Frau Stoupakova fühlt sich um ihr Erbe betrogen und füttert die Justiz von 2011 an ihrerseits mit neuen Informationen zum tatsächlichen Umfang der Hinterlassenschaften.

Es folgten weitere Skandale und Klagen: Publikationen wegen fragwürdiger Nazi-Geschäfte, Wildenstein-Gemälde, die offenbar gezielt am Fiskus vorbei als anonyme Museums-Leihgaben gelagert werden. Und Durchsuchungen der Familiensammlung, bei denen plötzlich als verloren deklarierte Bilder gefunden werden, auf die es fremde Ansprüche gibt.

Auch die französische Partei UMP gerät im Zuge des Familienzwistes ins Kreuzfeuer, weil sie angeblich konkreten Hinweisen auf Steuerhinterziehung von Alecs Witwe Sylvia Roth nicht nachgegangen ist. Deren Stiefsohn und Wildenstein-Abkömmling Alec war eng mit Nicolas Sarkozy befreundet und Gründungsmitglied der heutigen Republikaner.

Was wussten und taten die Söhne?

Nun soll der Prozess klären, ob die Söhne tatsächlich - noch während ihr Vater im Koma lag - Kunstwerke in Millionenwert in Steuerparadiese schafften und Firmenwerte in Trusts in Steuerparadiese vor dem Fiskus in Sicherheit brachten, wie es in der Anklage heißt. Vorwürfe, die Guy Wildenstein stets zurückwies.

Nach seinen Angaben war es bereits der Vater, der die Konstrukte schaffte. Er selber sei weder Steuer- noch Finanzexperte, erklärte er in einem seiner seltenen Interviews.

Wie immer der Prozess ausgeht, ob Guy ins Gefängnis muss, der Fiskus tatsächlich mehr als eine halbe Milliarde Euro kassiert oder der Prozess wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Vorwürfe noch aufgesplittet wird: Dass der Clan noch zu Guys Lebzeiten zur Ruhe kommt, ist eher unwahrscheinlich.

Mittlerweile sind es nämlich nicht mehr nur die französischen Behörden, die ermitteln. Auch die US-Steuerbehörden sind in der Causa Wildenstein offenbar hellhörig geworden.

mit Material von AFP und AP

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