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Trotz Ehec-Alarm Verdächtiger Biohof darf Gemüse verkaufen

Ein Biohof in Bienenbüttel gilt als mögliche Quelle der Ehec-Infektionen - doch nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen darf die Firma weiter Gemüse verkaufen, eine Sperr-Anordnung der Behörden gilt nur für Sprossen. Der Betrieb versichert, man habe keine weiteren Produkte ausgeliefert.
Betroffener Hof in Bienenbüttel: Öffentlich verkündete Schließung gilt nur für Sprossen

Betroffener Hof in Bienenbüttel: Öffentlich verkündete Schließung gilt nur für Sprossen

Foto: dapd

Der unter Ehec-Verdacht stehende Bio-Gartenbaubetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel hat möglicherweise auch nach seiner Sperrung Gemüse verkauft. Schuld daran ist die Formulierung der behördlichen Sperrverfügung. Denn die bezieht sich nur auf die von der Firma verkauften Sprossen. Der Vertrieb von anderen Produkten, wie etwa Tomaten, ist dem Hof dagegen zunächst nicht untersagt worden. Das heißt, der Hof dürfte andere Produkte wie Tomaten und Salat offiziell weiterhin verkaufen. Das erfuhren Spitzenbeamte in einer Bund-Länder-Telefonkonferenz zum Thema Ehec am Mittwoch. Dabei ging es um den Kampf gegen die Erkrankungswelle, die bisher 29 Menschenleben gekostet hat.

Die niedersächsischen Vertreter in der Runde mussten auf Nachfrage einräumen, dass die Sperrverfügung auf die Sprossen limitiert ist. Das Problem: Der Hof im Kreis Uelzen hat auch zahlreiche andere Gemüseprodukte im Angebot. Das belegen auch die Fotos auf der Internetseite der Firma - Tomaten, Salat, Kohl, Zucchini sind hier zu sehen. In der Telefonkonferenz hieß es, Tomaten und Petersilie des betroffenen Betriebes seien wohl auch nach der Sperrung der Firma noch verkauft worden. Das Unternehmen erklärt hingegen, seit der Anordnung der Behörden habe kein Gemüse mehr den Hof verlassen.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann hatte am Sonntag die Firma in Bienenbüttel als eine mögliche Quelle der Ehec-Infektionen ins Gespräch gebracht - auch weil mehrere Mitarbeiter des Unternehmens an Durchfall erkrankt gewesen seien. Bei der Pressekonferenz hatte der Minister erklärt, dass der Hof gesperrt worden sei. Die Ware sei zurückgerufen worden. Lindemann hatte ausdrücklich Wert auf die Feststellung gelegt, den Betreiber des Hofes treffe keine Schuld. Er habe sich auch immer kooperativ gezeigt: "Er hätte sich mit Hilfe eines Anwalts zum Beispiel auch gegen die Schließung seines Betriebs wehren können, da wir bisher ja nur Indizien und keine eindeutigen Beweise haben", so der Minister.

Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE präzisiert Ministeriumssprecher Gert Hahne nun, dass die öffentlichkeitswirksam verkündete Schließung nur die Sprossenproduktion der Firma betrifft: "Die rechtlichen Standards lassen es nicht zu, dass wir umfangreich zuziehen können."

Denn einen positiven Ehec-Befund aus Bienenbüttel gibt es bisher nicht. Erste Proben hatten Experten bereits Freitag und Samstag vergangener Woche genommen. Im Laufe dieser Woche folgten weitere Tests. Selbst Haustiere und Abwasserentsorgung seien untersucht worden, hieß es anschließend. Insgesamt zogen die Experten in der Firma nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums in Hannover rund 920 Proben. Diese wurden größtenteils von Robert Koch-Institut (RKI) und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin analysiert - zumindest die ersten 502 Proben fielen negativ aus.

Warum die Sprossenproduktion ohne direkten Erregernachweis geschlossen werden konnte, der Rest der Gemüseproduktion auf dem Hof jedoch nicht, erschließt sich nicht sofort. Doch im Landwirtschaftsministeriums in Hannover gibt man sich weiter sicher: "Bisher ist unsere Spur: Sprossen, Sprossen, nochmal Sprossen", sagt Sprecher Hahne. Bei Befragungen des RKI hatten sich allerdings noch nicht einmal ein Drittel der Ehec-Patienten daran erinnert, Sprossen gegessen zu haben. In einer aktuellen Kontrollstudie wird nun speziell der Verzehr von Salatzutaten untersucht, Sprossen inklusive.

"Sofort alle Kunden informiert und die Ware zurückgerufen"

Dass aber gleichzeitig Gemüse des in Verdacht geratenen Hofs mit Segen der Behörden zumindest verkauft werden könnte, wird für Diskussionen sorgen. Immerhin gibt es weiterhin die Verzehrwarnung vom Robert Koch-Institut und vom Bundesinstitut für Risikobewertung für Gurken und Tomaten in Norddeutschland. Doch das zuständige Ministerium in Hannover will an seiner Linie festhalten. "Solange wir keine weiteren Hinweise haben, bleibt das so", sagt Hahne.

Die Geschäftsführer des betroffenen Hofs sind seit Tagen nicht zu erreichen. Bei Anrufen meldet sich sofort eine Bandansage. Aus der Firma heißt es aber, nach Sperrung des Sprossenbetriebs sei kein anderes Gemüse aus dem Sortiment verkauft worden. Dazu gehörten unter anderem auch Obst, Gemüse, und Kartoffeln.

Auf ihre Web-Seiten hat die Firma mehrere Statements  gestellt. In einem ersten zeigt sie sich "erschüttert und besorgt" über den Ehec-Verdacht. "Nach Bekanntgabe durch die Behörden haben wir sofort alle Kunden informiert und die Ware zurückgerufen", heißt es weiter. Ein zweites Statement vom Donnerstagabend stellt dann noch einmal klar: "Seit Sonntag hat kein Produkt unseren Betrieb verlassen."

Zwei Großhändler, die Sprossen aus dem betroffenen Betrieb vertrieben hatten, erklärten gegenüber SPIEGEL ONLINE, sie hätten kein weiteres Gemüse von der Firma bezogen. Auch der Standplatz der Firma auf dem Wochenmarkt in Lüneburg blieb zumindest am vergangenen Samstag und am Mittwoch leer. "Die haben sich total zurückgezogen", sagte ein Markt-Verantwortlicher.