„Tatort“-Star Jan Josef Liefers über seinen Tag auf einer Covid-Intensiv-Station: „Keiner wäre hier mit Impfung“

In spezieller Schutzausrüstung besuchte Jan Josef Liefers eine Covid-Intensiv-Station. In BILD schreibt er über seine Eindrücke, Bedenken und die Gedanken zur „Lotterie des Lebens“, die ihn noch heute beschäftigen

In spezieller Schutzausrüstung besuchte Jan Josef Liefers eine Covid-Intensiv-Station. In BILD schreibt er über seine Eindrücke, Bedenken und die Gedanken zur „Lotterie des Lebens“, die ihn noch heute beschäftigen

Foto: Privat
Von: Von JAN JOSEF LIEFERS

Corona ist vorbei. Oder? Schnee von gestern. Spielte schon im Wahlkampf keine Rolle mehr. Pandemiepolitik? Exitstrategie? Kein Thema.

Neulich las ich in Köln im Vorübergehen eine Schlagzeile, Christian Drosten warnt vor einer schlimmen Welle im Herbst/Winter. Die Infektionszahlen werden steigen, sagen auch andere. Schon saisonal wäre das zu erwarten.

Aber was bedeutet das eigentlich?

Die Inzidenz als entscheidender Indikator wurde ja eben erst abgeschafft. Laut Jens Spahn haben in Deutschland 75 Prozent der Erwachsenen und 33 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren bereits den vollen Impfschutz. Aber dann liegen wir ja gleichauf mit Dänemark und rund 20 Prozent über England!

Jan Josef Liefers sorgte mit der Aktion #allesdichtmachen für Aufregung

Jan Josef Liefers sorgte mit der Aktion #allesdichtmachen für Aufregung

Foto: allesdichtmachen/YouTube

Beides Länder, die den erlösenden Freedom Day bereits feierten und die Pandemie einschließlich sämtlicher Maßnahmen für beendet erklärten. Und wir hängen hier im Schacht, ohne richtige Ansage, ohne richtige Perspektive. Okay, derzeit auch ohne richtige Regierung, da will wohl von den Altvorderen keiner mehr was entscheiden. Oder?

Nun ist es schon zwei Wochen her, dass ich meinen Wecker auf 4:45 Uhr morgens stellte und eine Frühschicht lang als „Praktikant“ auf einer Intensivstation antrat.

Sieben Patienten lagen an diesem Tag mit Covid-Pneumonie dort, alle im künstlichen Schlaf, alle intubiert und maschinell beatmet, alle zusätzlich an der ECMO, einem Gerät, das unter Umgehung der zerstörten Lungenfunktion das Blut der Patienten direkt mit Sauerstoff anreichert und wieder in den Körper zurückpumpt. Die ECMO ist das Ende der Stange, wenn nicht bald eine Verbesserung eintritt, rückt ein Ableben in greifbare Nähe.

Alle Covid-Patienten hier auf Intensiv waren schwer erkrankt, dem Tod näher als dem Leben. Alle jung, von 28 bis 48 Jahre alt. Alle ungeimpft. Auch die beiden hochschwangeren Frauen, deren Kinder per Not-OP geholt wurden und leben, während die Mütter es nicht geschafft haben, wie ich inzwischen weiß.

Helfen konnte ich nicht viel, nur beim Umlagern konnte ich mich nützlich machen, eingepackt in zusätzliche Schutzkleidung, mit FFP2-Maske und einer Art Taucherbrille auf den Augen.

Immer zwei Infektiöse liegen in einem abgeschlossenen, verglasten Raum. In festen Zeitabständen muss die Lage der Patienten verändert werden, um die Beatmung zu erleichtern, etwa von der Rückenlage in die Bauchlage, oder von einer Seite auf die andere, um die Durchblutung der Haut an den Druckstellen zu gewährleisten.

Körperpflege ist auch so eine typische Aufgabe. Bei allem immer das Gewirr der vielen Schläuche übersichtlich und in Ordnung halten. Das ist körperlich anstrengende Arbeit. Übergewicht war optisch die auffälligste und immer wiederkehrende Vorerkrankung der Covid-Patienten hier.

Eine Corona-Intensiv-Station in Essen

Eine Corona-Intensiv-Station in Essen

Foto: Fabian Strauch/dpa

Aber warum es am Ende manche derart hart erwischt, warum ausgerechnet ihnen die Virusinfektion so großen Schaden zufügt, sie an den Rand ihrer Lebenskraft bringt, während die meisten anderen die Erkrankung gut wegstecken, mit oft nur milden oder gar keinen Symptomen, das ist noch unklar.

Allerdings, da waren sich Pfleger wie Ärzte einig, wäre keiner hier gelandet mit einer Impfung.

Mach doch einen Impfaufruf, Jan! Du bist selbst auch geimpft! Vielleicht hören noch ein paar Leute da draußen auf dich! Das war die Botschaft, so habe ich sie verstanden.

Etwas in mir hat sich immer gesträubt, mich hinzustellen und zu sagen: „Leute, tut dies, macht das!“ Wer sind diese Menschen überhaupt, die man noch erreichen könnte? Das weiß niemand!

In Dänemark wurde die Pandemie für beendet erklärt, Menschen können sich ganz ohne Maßnahmen frei bewegen

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Foto: Steffen Trumpf/dpa

Ich hatte nie Angst vor Corona, aber auch nie vor einer Impfung. Wenn jemand mir Angst machen will, komme ich in Bewegung und erkundige mich genauer.

Mir sind Panikmacher suspekt, egal, welche Fahne sie dabei schwenken. Die vielleicht erstaunlichste Erfahrung nach dem empörten Shitstorm auf #allesdichtmachen war eine bis heute anhaltende Welle der Ermutigung, des Zuspruchs und Verständnisses.

Bei mir meldeten sich plötzlich Autoren, Verleger, Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Mediziner und übrigens auch Pfleger. Die meisten meinten, ich solle mich bloß nicht unterkriegen lassen, einige erzählten ihre Geschichten, andere boten ihre Expertise an und hatten nichts gegen meine Fragen.

Also fragte ich sie aus!

Mit bitterer IroniePromi-Aufstand gegen Merkels Corona-Politik

Quelle: BILD

Damals kursierten bereits erste Warnungen vor möglichen Gefahren durch eine Impfung mit mRNA im Internet. Das größte Schreckgespenst war ADE, die antikörperbedingte Verstärkung der Krankheit, wenn der eigene Körper nur sogenannte „nichtneutralisierende Antikörper“ bildet.

Diese lassen es im Falle einer erneuten Infektion erst so richtig schlimm werden. Es gibt ADE tatsächlich, aber selten. Manchmal durch einen Impfstoff ausgelöst, manchmal aber auch durch eine Infektion selber. Ein Alptraum.

Aber als ich in der Impf-Priorisierung an die Reihe kam, waren schon so viele Menschen weltweit geimpft und hatten sich danach wieder neu infiziert, dass dieser gefürchtete Effekt massenhaft hätte beobachtet werden müssen. Das war nicht der Fall.

Ich habe mir die Funktionsweise einer mRNA-Impfung genau erklären lassen, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, und mich dann dafür entschieden. Ich bin nicht so zimperlich. Reisen in ferne Länder und auf andere Kontinente erforderten schon alle möglichen Impfungen gegen die exotischsten Dinge. Nie hatte ich irgendwelche ernsthaften Probleme, immer hat es den Aufenthalt unbeschwerter gemacht. Genauso verlief es auch diesmal. Muskelkaterähnlicher Schmerz um die Einstichstelle, das war alles.

Liefers über das Impfen: „Die Entscheidung liegt bei jedem selbst.“

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Foto: Sven Hoppe/dpa

Ein neues Raunen drang nun zu mir. Ich müsse mich sorgen, ob ich überhaupt einen Schutz aufgebaute hätte. Wer gar keine Symptome nach der ersten oder zweiten Impfung zeige, bei dem bewirke sie auch nichts!

Die einzige mir mögliche Reaktion war wieder die Flucht nach vorn. Ich habe ein Labor gesucht, das sowohl willens als auch in der Lage war, alle derzeit verfügbaren, sinnvollen Tests zur Qualität meiner Immunisierung durchzuführen.

Sind Antikörper vorhanden? Wie ist die T-Zell-Reaktivität? Wie hoch ist der Anteil neutralisierender Antikörper? Das Ergebnis kam nach ein paar Tagen: hoher IgG-Titer, hohe T-Zell Reaktivität, 95% neutralisierende Antikörper, sehr gute humorale und zelluläre Immunantwort auf SARSCoV2. Man könnte auch sagen: Impfung hat topp funktioniert. Dabei wäre ich in der Phase-II-Studie als Proband sicher abgelehnt worden, wegen diverser Allergien.

Ist das nun doch ein Impfaufruf? Tja, was soll ich sagen? Ich befürworte die Impfung Erwachsener, absolut klarer Fall. Aber ich gebe keine medizinischen Ratschläge, ich erzähle hier nur meine Geschichte. Die Entscheidung liegt bei jedem selbst.

So will es unsere Regierung, die sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hat. Wo keine Impfpflicht besteht, darf sie auch nicht von Dritten durch die Hintertür erzwungen werden. Erklärt sich eigentlich von selbst.

Wenn ich nun zurückdenke an meinen Tag auf der ITS und daran, wie die seltsame und bisweilen unbarmherzige Lotterie des Lebens für die Sieben dort ausgegangen ist, dann weiß ich jedenfalls, ich habe keinen Fehler gemacht.

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