Servus, Hans

Showlegende Hans R. Beierlein starb mit 93.

Ein Nachruf von Hubert Bücken

Den Vormittag des 5. August 2022 hatte der 93-Jährige im Dämmerschlaf verbracht, genau wie die vier Tage zuvor. Bei ihm in der weitläufigen Münchener Wohnung waren seine langjährige Vertraute Bizzi Nießlein und seine Krankenschwester. Gegen Mittag stieß der Patient einen ohrenbetäubenden Nieser hervor, gefolgt von einem dumpfen Knall. Die fast neue luftgefederte Spezialmatratze war geplatzt. Mit diesem Finale fortissimo endete stilgerecht das schillernde Leben von Hans Rudolf Beierlein.

In den letzten sechs Jahren war es still geworden um den Mann, den die Medien einst den „König des Showgeschäfts“ nannten. Er konnte weder singen, noch tanzen, noch moderieren, aber er zog sechs Jahrzehnte lang die Strippen des deutschen Showgeschäfts. Von seiner „Edition Montana“, einem Münchener Musikverlag mit Künstler-Vollbetreuung, steuerte er die Karrieren zahlreicher Stars, anfangs von Udo Jürgens, zuletzt den Start von Florian Silbereisen. Beierlein konzipierte TV-Shows, machte Köche zu Fernsehstars und den Deutschen Fußballbund reich und gierig, indem er die TV-Übertragungen von Länderspielen vermarktete. Der frühere Kanzler Helmut Schmidt titulierte ihn treffend als „Gemischtwarenhändler der Unterhaltung“. Alles geschah unter Beierleins Lieblingscredo: „Es gibt ein Menschenrecht auf Unterhaltung.“

2014 verkaufte Montana auf einen Schlag die Rechte an allen 6.000 Musiktiteln an den Branchenriesen BMG, bald darauf zog sich Beierlein ins Private zurück. „Hans führte in den letzten Jahren das Leben eines privilegierten Seniors. Mal fröhlich, mal grantig, aber stets am Weltgeschehen interessiert“, sagt die Österreicherin Waltraud „Bizzi“ Nießlein, die seit 36 Jahren nicht von seiner Seite wegzudenken ist. Für sie war Hans R. Beierlein „mein Lebensmensch“. Nach dem Uni-Examen begann sie 1986 bei der Edition Montana, durchlief alle Abteilungen, stieg schließlich auf zur Geschäftsführerin und einige Jahre später zur Mitgesellschafterin. Das intensive Vertrauensverhältnis mündete 2010 in einer Adoption. So kam Beierlein, der neben zahllosen Gspusis nur eine kinderlose Kurzehe hinter sich hatte, zu einer Tochter. Sie wird mangels sonstiger Verwandtschaft den Nachlass ordnen.

Beierlein wünschte für seinen letzten Weg eine stille Inszenierung: „Keine Trauerfeier, keine Rede, keine Öffentlichkeit“, bestimmte er handschriftlich. Und beteuerte: „Ich war in meinem Leben auf keiner Beerdigung. Meine wird die erste und einzige sein, zu der ich gehe.“ Bizzi Nießlein ließ seine Asche in aller Stille auf dem Friedhof in Schliersee bestatten. In dem bayerischen Dorf war Beierleins private Residenz. Die Hangvilla ist inzwischen verkauft.

Bizzi Nießlein hatte ihren Mentor 2016 davon überzeugt, die letzten Lebensjahre nicht hinter dem Schreibtisch in der Schwabinger Königinstraße zu vergeuden. Seine Meinung über das deutsche Showgewerbe hatte sich da längst verfestigt: „Die Profis sterben aus, die Arschlöcher vermehren sich wie die Kaninchen.“ Bizzi Nießlein hatte die Wohnung im Münchener Stadtteil Bogenhausen mit seinen vertrauten Möbeln eingerichtet und ihn mit rührend besorgten Haushälterinnen umgeben. Sie selbst wohnte zwei Straßen entfernt, verbrachte täglich Stunden bei ihm. Zugleich führte sie aus einem kleineren Büro die verbliebenen Montana-Aktivitäten zu Ende.

Kontakt zu einstigen Weggefährten suchte Beierlein in den letzten Jahren kaum. Den Großteil hatte er ohnehin überlebt – und das in erstaunlich guter Kondition, auch wenn sich im Kopf Erinnerungslücken Raum suchten. Gerne ist er mit Bizzi zur frühen Abendstunde in der Münchener Edel-Gastronomie aufgeschlagen. Ein gutes Menu schätzte er stets. Schließlich hatte er in den 1990er Jahren TV-Kochsendungen a la „Essen wie Gott in Deutschland“ entwickelt und Sterneköche herangezogen. Möglichst lässig auf den Gehstock gestützt und stets fesch gekleidet, versprühte er wie eh und je seinen deftigen Charme an die Damen im Restaurant. Vor Konflikten mit der „Me too“-Bewegung rettete ihn die Gnade der frühen Geburt.

Ein langes, erfolgreiches und ziemlich einmaliges Leben ist mit einem Knall zu Ende gegangen. Alles hat seine Zeit, und die Zeit der großen Manager-Legenden, sie ist mit Hans R. Beierlein wohl so endgültig dahin, wie die Zeit der Dinosaurier.

Auch mit 90 noch fit und voller Ideen

Vertraute seit 36 Jahren: Adoptivtochter Bizzi Nießlein

Star und Manager: Udo Jürgens und Beierlein 1970

Entdecker von Udo Jürgens

Medienmanager Hans R. Beierlein ist tot

Er war einer der Strippenzieher im deutschen Unterhaltungsgeschäft: Hans Beierlein machte Udo Jürgens zum Star, brachte Volksmusik ins Fernsehen und handelte mit Fußballrechten. Nun ist er mit 93 Jahren gestorben.

Hans R. Beierlein trug viele Beinamen in der Musik- und Medienbranche. Dass der SPIEGEL besonders viele davon kolportierte beim langjährigen Begleiten seines Wirkens, gefiel Beierlein offenbar: Auf der Website seines Unternehmens Montana Musik ließ er sich mit einem Text porträtieren , der gleich mit einer Aufzählung von ihnen einsteigt. »Bayerischer Goldfinger«, »Münchner Mabuse«, »Weißer Hai im Wunderland« – oder auch »Hans R. in allen Gassen« – für Beierlein ein Ehrentitel.

Hans Rudolf Beierlein kam am 19. April 1929 in Nürnberg zur Welt, die dortige Dürer-Oberrealschule verließ er 1948 ohne Abitur. Er wurde Reporter und berichtete für die »Abendzeitung« zunächst über Klatschthemen aus der fränkischen Metropole. Beierlein stieg zum Redaktionsleiter auf, gründete 1958 die Fachzeitschrift »Musikmarkt« und produzierte zusammen mit Josef von Ferenczy den Dokumentarfilm »Der Nürnberger Prozess«, der den Bundesfilmpreis erhielt.

1960 gründete Beierlein in München den Musikverlag Edition Montana, der zum Kern seiner vielfältigen Aktivitäten in Musik und Medien wurde. Sein größter Musikrechte-Coup gelang dem politisch konservativen Hans R. Beierlein, als er 1972 für 12.500 US-Dollar die mitteleuropäischen Rechte am Arbeiterlied »Die Internationale« erstand. Allein von der DDR soll Beierlein in der Folge über eine Million an Tantiemen erhalten haben – Westmark natürlich.

In der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Beierlein als der Mann an Udo Jürgens ' Seite. Er entdeckte den noch unbekannten österreichischen Sänger und Komponisten 1963 und baute ihn zu einem der größten Stars im deutschen Showgeschäft auf. Den Durchbruch schaffte Jürgens 1966 beim Grand Prix Eurovision mit dem Titel »Merci Chérie«, dessen französische Anklänge Beierlein aus strategischen Gründen empfohlen haben will. Beierlein blieb 14 Jahre lang Udo Jürgens' Manager, bis es 1977 zur Trennung kam. Erst 17 Jahre später sprachen die beiden Männer wieder miteinander.

Weitere Stars, die Hans Beierlein zumindest phasenweise managte, waren Heino , Reinhard Mey oder Michael Schanze. Mit der früh verstorbenen Sängerin Alexandra (»Mein Freund, der Baum«) war Beierlein auch privat verbandelt. Zudem war Beierlein sehr aktiv darin, die großen Namen der französischen Musikszene auch in Deutschland populär zu machen. Hierfür beteiligte er sich an der französischen Schallplattengesellschaft Vogue, brachte Petula Clark sowie Françoise Hardy auf den deutschen Markt und förderte Künstler wie Gilbert Bécaud, Charles Aznavour und Johnny Hallyday .

Über die Musik entstand Beierleins Kontakt zum Deutschen Fußballbund: Zur Fußball-WM 1974 in Deutschland ließ Montana die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Tonstudio antreten. Der Song »Fußball ist unser Leben« wurde ein Riesenerfolg. In den Achtzigerjahren erkannte Beierlein die Chancen, die das Aufkommen des Privatfernsehens dem DFB boten: Im Auftrag des Fußballbundes handelte er mit den Übertragungsrechten, woraufhin ARD und ZDF deutlich mehr als früher für Länderspiele im Programm zahlen mussten.

Im Fernsehen konnte Beierlein immer wieder Sendungen platzieren, in denen von ihm erkannte Trends aufgegriffen wurden. In den Siebzigerjahren waren es noch die Liedermacher im ZDF-»Liedercircus« (wo dann seine Schützlinge Mey oder André Heller auftraten). In den Achtzigerjahren folgten Aerobic (»Enorm in Form«), Musikvideos (»Formel Eins«) oder Kochen (»Essen wie Gott in Deutschland«).

Seinen nachhaltigsten Erfolg auf dem Feld zwischen Musik und Fernsehen landete Hans R. Beierlein allerdings damit, dass es ihm gelang, die Volksmusik im TV-Programm zu etablieren. Ob beim »Musikantenstadl« oder dem »Grand Prix der Volksmusik« – praktisch überall, wo geschunkelt wurde, war Beierlein mit im Geschäft. Er verlegte »Patrona Bavariae«, managte das als Traumpaar vermarktete Kinderstar-Duo Stefanie Hertel und Stefan Mross , brachte den Sänger Florian Silbereisen als Moderator beim MDR ins Gespräch. Beim MDR wurde Beierlein 2011 in die Affäre um Unterhaltungschef Udo Foht verwickelt.

Hans R. Beierlein ist am 5. August in seiner Münchner Wohnung gestorben, wie Montana Musik vermeldet . In der von seiner langjährigen Mitarbeiterin und Vertrauten Bizzi Niesslein unterzeichneten Todesanzeige wird ein Lied der Sängerin Alexandra zitiert. Über den Tod berichtete zunächst die »Bild«-Zeitung, die sich auf die von Beierleins Chronisten Hubert Bücken kolportierten Todesumstände konzentrierte. Demnach sei auf einen starken Nieser Beierleins ein dumpfer Knall gefolgt und die luftgefederte Spezialmatratze geplatzt. »Mit diesem Finale fortissimo endete stilgerecht das schillernde Leben von Hans Rudolf Beierlein«, so Bücken.

Felix Bayer

Der Mann, der Udo Jürgens groß machte

Der Musikmanager Hans R. Beierlein ist mit 93 Jahren gestorben. Er war ein Vermarktungstalent – sogar die DDR musste ihm Tantiemen für „Die Internationale“ zahlen

Zu seiner eigenen Beerdigung würde er hingehen, hat der Münchner Musikmanager Hans Rudolf Beierlein einmal gesagt. Anderen Beerdigungen blieb er möglichst fern, weil er sie hasste. Folgerichtig wünschte er sich auch auf der eigenen Beerdigung keine Gäste. Darum war nur seine Adoptivtochter Bizzi Nießlein zugegen, als die Asche des am 5. August verstorbenen Musikverlegers auf dem Schlierseer Friedhof bestattet wurde. Erst danach wurde bekanntgegeben, dass einer der bedeutendsten Medienmanager Deutschlands mit 93 Jahren in München verstorben ist.

Dass er zum Beispiel Udo Jürgens entdeckt hatte und in einen Weltstar verwandeln konnte, ist nur eines der Verdienste des Mannes, der seine berufliche Karriere ohne Schulabschluss gestartet hat. Regelrecht reingeschwindelt hat sich der gebürtige Nürnberger in die Karriere, als er sich in Fürth als Chefredakteur einer künftigen Illustrierten vorgestellt hat. Prompt wurde er als Juror zu einem Schönheitswettbewerb geladen, genoss dort den Sekt und wurde Zeuge einer Prügelei zwischen der Siegerin der Miss-Wahl und der Zweitplatzierten. Diese Prügelei verkaufte Beierlein der Münchner Abendzeitung als seine erste Geschichte. Der Journalist Beierlein war damit geboren und schrieb nun fleißig Filmkritiken.

Dann wurde er Filmbeauftragter der Deutschen Grammophon und erkannte, wieviel Geld zu verdienen ist, wenn er sich selbst die Liedrechte für Musikfilme sichern würde, die er anfangs nur im Auftrag besorgt hat. Also gründete er Ende der 50er Jahre seinen eigenen Musikverlag, der 1959 gleich drei Hits führte. Im selben Jahr brachte Beierlein die Fachzeitschrift „Musikmarkt“ heraus, in der er sogleich die erste deutsche Hitparade etablierte. Dabei verstand er nach eigenem Bekunden von Musik soviel wie ein Pinguin. Dafür aber verstand er etwas von ihrer Vermarktung – und war sich der Bedeutung des Fernsehens dabei bewusst. Also ersann er TV-Formate wie die Videoclip-Show „Formel Eins“ oder den „Grand Prix der Volksmusik“. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, kommentierte Beierlein, den der Alt-Kanzler Helmut Schmidt auch mal als „medialen Gemischtwarenhändler“ tituliert hatte, Fragen nach seinem persönlichen Geschmack. Dass er sogar die Rechte für „Die Internationale“ gekauft hatte, um sodann auch von der DDR die fälligen Tantiemen für die Verwendung des kommunstischen Kampfliedes zu kassieren, dürfte wohl zu den witzigsten Coups dieses ausgekochten Geschäftsmannes zählen.

Nicht die Pfütze, sondern der Regenbogen, der sich darin spiegelt, sei stets sein Thema gewesen. Tatsächlich erkannte er aber auch oft genug den darin gespiegelten Regenbogen, als andere nur eine Pfütze sahen. In einer Zeit, als der französische Präsident Charles de Gaulle und der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer sich nach einer fast schon traditionellen Feindschaft um eine deutsch-französische Freundschaft bemühten, fand der noch junge Beierlein Gefallen am französischen Lebensstil und Essen und vor allem an der französischen Musik. Für den deutschsprachigen Markt ließ er darum auch französischsprachige Lieder ins Deutsche übersetzen. So textete in seinem Auftrag der Kabarettist Werner Schneyder die Lyrik des belgischen Liedermachers Jacques Brel neu. Der Burgschauspieler Michael Heltau gab den übersetzten Chansons seine Stimme. Und prompt fiel Beierlein auch dafür wieder die passende Fernsehshow ein: der ZDF-Liedercircus – moderiert von Heltau..

Gleichzeitig holte Beierlein Mitte der Siebzigerjahre in seiner Konzertreihe „Die Franzosen kommen“ französische Sänger nach Deutschland. Dafür wollte ihm Frankreichs Kulturminister Jack Lang 1982 den französischen Verdienstorden verleihen. Doch Beierlein empfahl sechs andere Mitstreiter, wie etwa Alfred Biolek, die sich in Deutschland für französische Chansons stark gemacht haben. Das wirkt bescheiden, ist letztlich aber nur konsequent für einen Mann, der lieber im Hintergrund blieb. Entsprechend sind all seine Leistungen am Ende berühmter als er selbst.

DIRK WAGNER