Schadens­abwick­lung nach Auto­unfall So tricksen die Versicherer

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Schadens­abwick­lung nach Auto­unfall - So tricksen die Versicherer

Auto­unfall. Unfall­geschädigte kennen ihre Ansprüche oft zu wenig und riskieren so, eine Menge Geld zu verlieren. © Alamy Stock Photo / Westend61 GmbH

Nach einem Unfall kürzen viele Versicherer dreist die Erstattung. Die Stiftung Warentest zeigt, welche Tricks sie nutzen und gibt Hinweise, wie Betroffene mehr bekommen.

Sie sind schuldlos in einen Unfall verwickelt? Jetzt heißt es, aufpassen! Lassen Sie sich auf nichts ein, wenn die gegnerische Versicherung schon am Unfall­ort anruft. Ihre Versprechen suggerieren eine bequeme Abwick­lung des Schadens. Aber die Versicherung ist eben nicht daran interes­siert, Ihnen zu helfen, sondern will die Zahlung gering halten. Regeln Sie vor allem nicht alles selbst. Gehen Sie auch beim Blech­schaden besser in eine Anwalts­kanzlei. Trifft Sie keine Schuld, muss der gegnerische Versicherer das Honorar zahlen. Worauf Sie sonst noch achten sollten, wenn Sie bei einem Verkehrs­unfall die Geschädigte oder der Geschädigte sind, erklären die Rechts­expertinnen der Stiftung Warentest.

Ein typisches Beispiel, wie es oft abläuft

Zuerst war der Schreck groß: Eine Studentin war Ulrich Seilkan ins Auto gefahren. Das Heck seines schwarzen Alfa sah schlimm aus. Doch wenig später meldete sich die Kfz-Versicherung der Frau: „Keine Sorge, wir regeln alles.“ Gutachten, Werk­statt, Mietwagen – er brauche sich um nichts zu kümmern: „Wir stellen Ihnen Ihr Auto repariert und frisch gewaschen wieder vor die Tür.“ Das klang super. Doch repariert und gewaschen wurde nichts. Der Alfa sei Schrott, meinte die Versicherung etwas später. Eine Gutachterin schätzte die Reparatur auf 4 340 Euro. Der Wagen sei aber nur 3 900 Euro wert. Die Versicherung zahlte 2 350 Euro, weitere 1 550 Euro sollte Seilkan von einem Schrott­handel erhalten.

Anwältin holte die geforderte Summe

Damit war er nicht einverstanden. Sein Verdacht: Die Versicherung setzte den Wert des Alfa extra nied­rig an, um nur eine geringe Entschädigung zahlen zu müssen. Seilkan ging zu einer Fach­anwältin für Verkehrs­recht. Das war genau richtig. Juristische Fachleute wissen, welche Ansprüche Geschädigte haben – sie kennen sich mit Haus­halts­führungs­schäden und dem „merkantilen Minderwert“ ebenso aus wie mit der Reparatur in der Marken­werk­statt.

Vor allem kennen die Experten die Tricks der Versicherer. So war es auch bei Seilkan. Er durfte doch eine Reparatur verlangen. Denn deren Kosten lagen nicht über 130 Prozent des Fahr­zeug­werts. Erst darüber gilt eine Reparatur als unwirt­schaftlich. Die Anwältin holte für den Berliner die vollen 4 350 Euro heraus.

Unser Rat

Anwalt. Suchen Sie sich einen geeigneten Anwalt oder eine Anwältin. Der gegnerische Versicherer muss auch für die Anwalts­kosten aufkommen, wenn Sie das Unfall­opfer sind. Wenden Sie sich an einen Fach­anwalt oder eine Fach­anwältin für Verkehrs­recht. Das Portal anwalt-suchservice.de ist bei der Suche hilf­reich.

Gutachter. Nehmen Sie nicht die Sach­verständigen der gegnerischen Versicherung. Beauftragen Sie selbst jemanden. Trifft Sie keine Schuld, muss auch dabei der gegnerische Versicherer die Kosten tragen – außer bei Bagatellen unter 1 000 Euro. Achtung: „Kfz-Sach­verständiger“ kann sich jeder nennen. Der Titel ist nicht gesetzlich geschützt. Fragen Sie den Sach­verständigen-Bundes­verband BVSK. Dessen Mitglieder sind Ingenieure oder Kfz-Meister.

Werk­statt. Einige Werk­stätten bieten „Rundum-Sorglos-Pakete“ einschließ­lich Mietwagen, bei denen sie die Regulierung erledigen. Doch auch Werk­stätten verfolgen ihre eigenen finanziellen Interessen, nicht Ihre.

Die 130-Prozent-Grenze mit Gebraucht­teilen umgehen

Die 130-Prozent-Grenze ist entscheidend. Der Bundes­gerichts­hof gab einem Mann Recht, bei dem die Versicherung die Reparatur­kosten auf über 150 Prozent veranschlagt hatte. Der Mann brachte seinen Wagen trotzdem in die Werk­statt. Der Mechaniker baute Gebraucht­teile ein und präsentierte am Ende eine Rechnung, die unter der 130-Prozent-Grenze blieb (Az. VI ZR 100/20). Entscheidend war, dass die Reparatur­kosten unter 130 Prozent des Wiederbeschaffungs­wertes des Pkw blieben und die Reparatur fachgerecht in dem Umfang durch­geführt wurde, der im Gutachten stand.

Nicht einfach glauben, alles werde bequem erledigt

Nach einem Verkehrs­unfall wollen die Versicherer schnell Zugriff auf die Geschädigten bekommen. Mitunter rufen sie noch direkt am Unfall­ort an und versprechen: „Wir zahlen alles, über­nehmen die komplette Abwick­lung, ersparen Ihnen Stress.“

Doch genau das kann teuer werden. Versicherungen wollen vermeiden, dass Geschädigte sich über ihre Rechte informieren. Dann können sie viele Ansprüche unter den Tisch fallen lassen. Regelt die gegnerische Versicherung angeblich „alles“, bleibt für Unfall­opfer ungewiss, ob die Werk­statt neue Teile einbaut oder gebrauchte oder das verbogene Teil wieder zurecht dengelt.

Vorsicht mit fremdem Versicherer

Deshalb lautet die oberste Regel nach einem unver­schuldeten Unfall: nicht den gegnerischen Versicherer kontaktieren. Er ist nicht interes­siert, Ihnen zu helfen, sondern will die maximal mögliche Ersparnis für sich selbst heraus­holen. Aus demselben Grund ist es auch keine gute Idee, einer Werk­statt die Schaden­abwick­lung zu über­lassen.

Ein Anwalt auch für kleine Schäden

Besser geht man in eine Anwalts­kanzlei – selbst wenn die Schuld­frage klar ist und der Versicherer erklärt, er werde alles bezahlen. Geschädigte haben das Recht, sich auf Kosten des gegnerischen Versicherers an eine Anwalts­kanzlei zu wenden. Es kommt nicht auf die Schadenhöhe an. Das Amts­gericht Dort­mund erklärte: „Jeder Geschädigte ist gut beraten, selbst bei kleinen Schäden einen Anwalt zu nehmen“. Es ging um 645 Euro (Az. 431 C 2044/09). Das Ober­landes­gericht Frank­furt am Main nannte es sogar fahr­lässig, keine Kanzlei einzuschalten (Az. 22 U 171/13).

Der juristische Beistand kostet Geschädigte nichts, sofern sie keine Schuld oder Teilschuld trifft. Wer hingegen den Unfall mitver­ursacht hat, muss sich an den Anwalts­kosten beteiligen. Aber gerade wenn die Schuld­frage strittig ist, wird man kaum ohne Rechts­beistand auskommen.

Viele Unfall­opfer wollen die Sache selbst regeln und wegen Kleinig­keiten keine Juristen hinzuziehen. Doch die gegnerische Versicherung ist ihnen weit über­legen. Ihre Fachleute sind geschult, bei der Entschädigung zu sparen. Die Versicherer kürzen systematisch, auch bei Kleinig­keiten.

Rechts­schutz und Anwalt – mehr Infos auf test.de

Rechts­schutz­versicherung. Eine Verkehrs­rechts­schutz­versicherung ist sinn­voll. Gute Policen finden Sie in unserem Verkehrsrechtsschutzpolicen. Die Stiftung Warentest hat übrigens auch Rechtsschutzversicherungen getestet.

Anwalts­suche. Wie Sie die richtige Kanzlei finden, lesen Sie im Special Der beste Weg zum Anwalt.

Auto­versicherung. Alles was Sie generell über die Auto­versicherung wissen sollten, lesen Sie im Basiswissen Kfz-Versicherung auf test.de. Güns­tige Policen für Ihren persönlichen Bedarf finden Sie mithilfe unseres Kfz-Versicherungsvergleichs.

An der Auto­wäsche gespart

Ein Fall in Düssel­dorf: Nach einem heftigen Park­rempler belief sich der Schaden laut Gutachten auf 5 731 Euro. Doch die Versicherung kürzte 175 Euro fürs Lackieren der Türgriffe, 242 Euro für ein Plastikteil am Radhaus, 192 Euro für die Achs­vermessung, 44 Euro für die Auto­wäsche – alles angeblich unnötig. Dasselbe mit einer Dichtung, einer Chrom­leiste und Klein­teilen. Zusätzlich kürzte sie 343 Euro am Mietwagen, 57 Euro am Anwalts­honorar – alles in allem 1 335 Euro. Das war rechts­widrig. Sie musste alle Beträge nach­zahlen (Amts­gericht Düssel­dorf, Az. 37 C 11789/11).

Computer spuckt Kürzungen aus

Für den Berliner Fach­anwalt für Verkehrs­recht, Marcus Gülpen, sind solche Probleme Alltag: „Reichen Geschädigte ein Gutachten ein, geben die Versicherer es an externe Firmen weiter, die es durch eine Spezialsoftware laufen lassen.“ Die spuckt zahlreiche Kürzungen aus, oft ohne jede Rechts­grund­lage.

Grund­sätzlich gilt: Geschädigte dürfen sich auf das verlassen, was in dem Gutachten steht. Als tech­nische Laien können sie nicht beur­teilen, welche Reparaturen nötig sind. Die Werk­statt­rechnung reicht als Indiz, so das Ober­landes­gericht (OLG) Celle. Das Risiko einer über­höhten Rechnung trägt nicht das Unfall­opfer, sondern die Versicherung (Az. 14 U 37/17). Angesichts ihrer Methoden warf das Amts­gericht Eisen­ach den Versicherungs­gesell­schaften sogar eine „Nicht­regulierungs­praxis“ vor (Az. 57 C 175/16).

Eigenen Gutachter nehmen

Weitere wichtige Regel: keine Sach­verständigen des gegnerischen Versicherers einladen. Statt­dessen dürfen Geschädigte auf Kosten des Versicherers selbst ein Gutachten beauftragen. Nur bei Teilschuld müssen sie einen Anteil selbst zahlen.

Anders als bei den Anwalts­kosten kommt es beim Gutachten aber auf die Schadenhöhe an. Voraus­setzung dafür, dass die gegnerische Versicherung zahlen muss, ist ein Schaden von mindestens rund 1 000 Euro. Darunter reicht ein Kosten­vor­anschlag der Werk­statt. Einige Gerichte sehen die Grenze bei 1 500 Euro.

Wenn der Versicherer aber einzelne Positionen im Voranschlag kürzt, dürfen Geschädigte ein eigenes Gutachten in Auftrag geben. Dann gilt die Bagatell­grenze nicht mehr (Amts­gericht Bamberg, Az. 0102 C 569/14).

Geschädigte müssen auch keine Preise vergleichen, um besonders güns­tige Sach­verständige zu finden. Der Preis darf nur nicht offensicht­lich über­höht sein (Bundes­gerichts­hof [BGH], Az. VI ZR 61/17).

Auf das erstellte Gutachten dürfen sich Laien verlassen, sofern es keine offensicht­lichen Fehler aufweist. Hat der gegnerische Versicherer ein Problem mit dem Gutachten, muss er inner­halb einer angemessenen Frist darauf reagieren (Ober­landes­gericht Koblenz, Az. 12 U 2148/21).

Wer der Versicherung erlaubt, ihre Sach­verständigen zu schi­cken, bekommt oft ein Problem. Viele Gerichte meinen, man dürfe dann nicht zusätzlich selbst Fach­personal beauftragen (Amts­gericht Wuppertal, Az. 32 C 8/14).

Anders ist das, wenn das Versicherungs­gut­achten klare Fehler enthält: Ein Münchener hatte sich gewundert, dass der Sach­verständige einige Schäden gar nicht berück­sichtigt hatte, und beauftragte einen zweiten Experten. Der fand weitere Schäden. Die Versicherung musste auch das zweite Gutachten bezahlen (Amts­gericht München, Az. 335 C 7525/17).

Versicherung knausert: Anspruch auf voll­ständige Reparatur

Es kann auch passieren, dass die Fachleute der Versicherung eine sachgerechte Reparatur verweigern, um die Kosten gering zu halten. Das passierte einer Frau, die an einer Tank­stelle einen Motorcheck machen ließ. Der Monteur vergaß jedoch, den Kühl­wasser­deckel wieder zuzu­schrauben. Deshalb nahm ein paar Tage später der Zylinder­kopf Schaden. Die Reparatur musste die Versicherung der Tank­stelle bezahlen. Doch als die Werk­statt der Frau meinte, dass auch Zahn­riemen und weitere Zusatz­riemen zu wechseln seien, lehnte die Versicherung ab. Das würde nur die Kosten in die Höhe treiben. Die Werk­statt tauschte die Riemen daher nicht. Wenige Tage darauf gab es einen kapitalen Motorschaden. Die Schuld trägt die Versicherung, urteilte der Bundes­gerichts­hof (Az. VI ZR 308/19). Die Frau hatte von Anfang an Anspruch auf eine voll­ständige, sachgemäße und fachmän­nische Reparatur.

Vorsicht bei der Nachbesichtigung

Begründen. Wer gleich selbst ein Gutachten in Auftrag gibt, muss der gegnerischen Versicherung nicht den Termin nennen, damit sie teilnehmen kann. Als Ersatz will sie dann gern ihre Sach­verständigen zur Nachbesichtigung schi­cken. Das geht aber nur, wenn sie einen konkreten Grund hat. Der pauschale Hinweis, das fremde Gutachten sei unklar, reicht nicht, so das Land­gericht (LG) Berlin (Az. 42 0 22/10).

Beschleunigen. Die Schaden­regulierung darf einige Zeit dauern. Meist darf der Versicherer sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. Nach Erstellen des Gutachtens darf man das Auto reparieren lassen. Weil eine Nachbesichtigung dann unmöglich ist, sehen einige Versicherer das als Beweis­ver­eitelung. Doch Gerichte urteilen anders: „Dem Geschädigten ist nicht vorzuwerfen, dass er die Reparatur unver­züglich beauftragt hat – schon weil so Mietwagen­kosten verringert wurden“ (LG Ellwangen, Az. 3 O 439/12).

Bei diesen Posten kürzen Versicherer gerne

Schadens­abwick­lung nach Auto­unfall - So tricksen die Versicherer

Abschleppen. Ein Unfall­wagen muss möglichst schnell von der Straße. Daher braucht der Geschädigte die Preise der Abschlepp­unternehmer nicht erst zu vergleichen. © mauritius images / Steve Vidler

  • Abschleppen. Die Versicherung muss die Kosten tragen. Geschädigte brauchen in der Regel keine Preis­vergleiche anzu­stellen, da meist Eile geboten ist. Man darf das Auto auch zur Heimatwerk­statt abschleppen lassen, wenn sie nicht allzu weit entfernt liegt und man bisher immer dorthin ging. 120 Kilo­meter Strecke bis dort sind noch okay, urteilte das Amts­gericht Rosenheim (Az. 8 C 90/17).
  • Werk­statt. Marken­werk­stätten sind oft teurer als freie Werk­stätten. Solche Kosten müssen Versicherer in der Regel nur zahlen, wenn der Wagen nicht älter als drei Jahre ist (BGH, Az. VI ZR 267/14) oder wenn das Unfall­opfer das Auto bisher stets in eine Marken­werk­statt brachte. Es reicht nicht, wenn man es dort nur reparieren ließ, Wartungen aber eine freie Werk­statt gemacht hat (BGH, Az. VI ZR 182/16).
  • Verlangt der Versicherer die Reparatur in einer freien Werk­statt, muss sie nah genug sein, 21 Kilo­meter sind zu weit (BGH, Az. VI ZR 91/09). Zu weit ist es auch, wenn der Versicherer den Wagen abholt und in eine 130 Kilo­meter entfernte Werk­statt bringt. Denn Geschädigte müssten dann in einem späteren Gewähr­leistungs­fall dorthin hinfahren (BGH, Az. VI ZR 267/14).
  • Anmelde­kosten. Kaufen Geschädigte sich nach einem Totalschaden ein neues Auto, dürfen sie das Auto­haus mit der Anmeldung beauftragen. Vor dem Amts­gericht Biber­ach ging es um 45 Euro (Az. 8 C 921/16).
  • Beila­ckierung. Muss ein Fahr­zeugteil neu lackiert werden, trifft der Farbton oft nicht exakt den der Karosserieteile daneben, weil sie alters­bedingt ein wenig ausgeblichen sind. Dann lackieren Werk­stätten deren Ränder mit, sodass der optische Über­gang nicht auffällt. Diese Beila­ckierung muss der Versicherer bezahlen (Amts­gericht Meiningen, Az. 13 C 861/14).
  • Haus­halts­führungs­schaden. Wurde ein Unfall­opfer verletzt und braucht im Haushalt Hilfe, muss die Versicherung dies ersetzen – auch wenn dafür niemand extra einge­stellt wird, sondern Familien­mitglieder oder Bekannte aushelfen (BGH, Az. VI ZR 183/08).
  • Kosten­vor­anschlag. Verlangt die Werk­statt dafür Geld, muss der Versicherer es erstatten (Land­gericht Hildesheim, Az. 7 S 107/09).
  • Kleinteile. Sieht das Gutachten eine Pauschale vor, muss der Versicherer zahlen (LG München I, Az. 19 S 1991/16). Das gilt auch für die oft 10-prozentigen Aufschläge, die Werk­stätten gern für Ersatz­teile nehmen, um so ihre Lager­kosten zu decken (Ober­landes­gericht Düssel­dorf, Az. I-1 U 108/11).
  • Merkantiler Minderwert. Nach einem Unfall ist das reparierte Fahr­zeug weniger wert als ein unfall­freies. Diesen Wert­verlust muss die Versicherung ausgleichen.
  • Neu für Alt. Werden Verschleiß­teile ersetzt, die eine Wert­verbesserung des Pkw bringen, darf der Versicherer einen Teil der Rechnung abziehen. Beispiel: Ein alter Reifen, den der Besitzer ohnehin bald hätte wechseln müssen, wird beim Unfall aufgeschlitzt, ein neuer aufgezogen. Die Versicherung darf einen Abzug vornehmen. Wird aber ein alter Stoß­fänger ersetzt, ist das keine Wert­verbesserung (Amts­gericht Darm­stadt, Az. 308 C 52/14).
  • Rest­wert. Nach einem Totalschaden zahlt die Versicherung zunächst nur die Differenz zwischen Wiederbeschaffungs­wert und dem Wert, zu dem sich der Schrott noch verkaufen lässt. Dann müssen Geschädigte aber nicht nach Aufkäufern mit besonders hohen Preisen suchen. Sie dürfen den Schrott zu dem Preis im Gutachten verkaufen (BGH, Az. VI ZR 132/04) und müssen nicht auf ein Gegen­angebot des Versicherers warten. Die Versicherung, auch nicht die eigene Voll­kasko, darf nicht verlangen, den Schrott an einen Auto­handel in Osteuropa zu verkaufen. Ein Volvofahrer bekam von seiner Voll­kasko einen Teil des Schadens ersetzt, den noch fehlenden Anteil sollte ein Aufkäufer aus Litauen für den Schrott bezahlen. Aber mit einem Händler ins Geschäft zu kommen, der womöglich kaum Deutsch spricht und dessen Angebot man nicht auf seine Seriosität hin prüfen kann, ist nicht zumut­bar, urteilte das Land­gericht Stutt­gart (Az. 4 S 76/19). Es sei höchst­richterlich noch nicht einmal entschieden, ob nur örtliche Angebote zu berück­sichtigen sind oder auch über­regionale. Der interna­tionale Markt in weit entfernten Ländern bleibe aber außen vor.
  • Standgeld. Bei einem Totalschaden verlangen viele Werk­stätten ein Standgeld, wenn das Auto dort steht, oft 10 Euro pro Tag. Dies muss die Versicherung ersetzen – auch wenn es 38 Tage sind, weil die Leasinggesell­schaft die Zulassungs­bescheinigung nicht eher heraus­gab (Amts­gericht Cuxhaven, Az. 5 C 538/16).
  • Verbringungs­kosten. Nicht jede Werk­statt hat eine eigene Lackiererei. Muss sie den Wagen zum Lackierer bringen, hat der Versicherer die Trans­port­kosten zu erstatten (OLG Düssel­dorf, Az. I-1 U 140/09).

Rechnung von der Feuerwehr

Ein Pkw-Unfall mit Totalschaden ist schon schlimm genug. Aber danach auch noch die Rechnung der Feuerwehr bezahlen? Viele Betroffene bekommen Wochen nach dem Schaden Post von der Feuerwehr mit einer Rechnung für die Kosten des Einsatzes. Das sehen die Feuerwehr­gesetze vieler Bundes­länder so vor. Teils liegt ein fertig ausgefüllter Über­weisungs­träger gleich bei. Das erweckt den Anschein, man sei verpflichtet zu zahlen.

Gefahren­abwehr. Das ist aber nicht so. Vielmehr muss die gegnerische Kfz-Haft­pflicht­versicherung auch diese Kosten über­nehmen. Wenn ein Feuerwehr­einsatz zur Gefahren­abwehr nötig ist, muss in aller Regel der Versicherer zahlen. Das gilt zum Beispiel, wenn die Feuerwehr ausgelaufenes Öl abbinden oder verseuchtes Erdreich beseitigen muss oder wenn sie die Verkehrs­lenkung über­nimmt, urteilte der Bundes­gerichts­hof (Az. IV ZR 325/05).

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  • marli503 am 26.12.2023 um 16:38 Uhr
    Nutzungsausfallentschädigung

    Hallo, Stiftung_Warentest,
    den link habe ich gelesen. Danach müsste die Vers. bezahlen, da alle Voraussetzungen erfüllt sind. Entschädigungsgruppe war C, der Pkw über 10 Jahre alt, also Rückstufung auf A. Trotzdem wurden nur Vorhaltekosten bezahlt.
    Schön, dass der ADAC dies veröffentlich, seine eigene Versicherung sich aber offensichtlich selbst nicht daran hält!

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 06.12.2023 um 15:26 Uhr
    Nutzungsausfallentschädigung

    @marli503: Wir kennen die Details Ihres Versicherungsfalls nicht und dürfen an dieser Stelle keine Rechtsberatung geben. Einen guten Überblick darüber, wann Nutzungsaufallentschädigung anfällt und wann nicht erhalten Sie u.A. unter:
    https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/unfall-schaden-panne/unfall/nutzungsausfallentschaedigung/

  • marli503 am 05.12.2023 um 12:04 Uhr
    Nutzungsausfallentschädigung wurde nicht gezahlt

    Hallo, bei uns wurde die Nutzungsausfallentschädigung nicht bezahlt, mit der Begründung, dass das Fahrzeug älter als 15 Jahre ist. Dies stimmt (20 J. alter Honda Jazz Autom.), aber es befand sich (vor dem Unfall) in einwandfreiem technischen Zustand und wurde regelmäßig benutzt (mind. ein Mal die Woche). Stattdessen wurden sog. "Vorhaltekosten" in Höhe von 163,08 € statt 18 Tage mal 23 € = 414 € bezahlt.
    Mein Rechtsanwalt hat auf mein Bitten diese Ersatzzahlung bemängelt, aber eine abschlägige Antwort der gegn. Vers. (ADAC) erhalten und mir abgeraten, dagegen ohne Rechtschutz nicht zu klagen.
    Ist dieses Vorgehn der ADAC-Vers. tatsächlich rechtens?
    Was bedeutet in diesem Zusammenhang "Vorhaltekosten", da wir ja wohl keinen Pkw angemeldet haben, um uns diesen irgendwo "vorzuhalten", er ist schließlich ein Gebrauchsobjekt!
    Die Antwort dürfte viele andere Betroffene interessieren, da der deutsche Durchschnitts-Pkw lt. neuesten Meldungen inzwischen etwas mehr als zehn Jahre alt sein soll.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 22.11.2023 um 12:28 Uhr
    Ausdruck des Artikels

    @Agoda: Mittlerweile verfügen alle aktuellen Browser über die Möglichkeit, aus dem Inhalt der Website eine PDF zu erstellen. Und eigentlich ist die Darstellung in der so erstellen PDF übersichtlich und gut lesbar. Wenn das bei Ihnen nicht klappt, bitten wir Sie, uns die erzeugte PDF zuzusenden und mitzuteilen, auf welchem Gerät (Betriebssystem, Version) und über welchen Browser Sie die PDF erstell haben:
    finanztest@stiftung-warentest.de

  • Agoda am 21.11.2023 um 19:03 Uhr
    Guter Artikel, schlechtes offline-Format

    Ein guter Artikel, aber wieso lassen Sie es nun aus die Artikel im Format der gedruckten Heftartikel mit zur Verfügung zu stellen? Sowohl die PDF-Generierung als auch "Druck"-Funktion auf der Homepage sind extrem schlecht.
    Für einen kostenpflichtigen Beitrag erwarte ich zum einen gute Informationen aber auch eine gute visuelle Aufbereitung zum Lesen, egal ob online oder offline.