Bayerns Grünen-Chefs: „Atom-Streckbetrieb ist eine Alternative“

Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind die Grünen-Vorsitzenden im Bayerischen Landtag. Sie stellten sich den Fragen von BILD am Münchner Viktualienmarkt

Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind die Grünen-Vorsitzenden im Bayerischen Landtag. Sie stellten sich den Fragen von BILD am Münchner Viktualienmarkt

Foto: Theo Klein
Von: WOLFGANG RANFT

München – Im großen BILD-Sommerinterview sprechen die Grünen-Chefs Katharina Schulze (36) und Ludwig Hartmann (45) über das Reizthema Atomkraft und die IAA in München.

BILD: Seit Monaten streitet die Politik über die Verlängerung der Laufzeit für Atomkraftwerke. Bundeswirtschaftsminister Habeck lässt jetzt noch einmal prüfen. Werden da grüne Grundüberzeugungen aufgegeben?

Katharina Schulze: „Ich finde es gut, dass Robert Habeck den zweiten Stresstest veranlasst hat, denn Bayern ist energiepolitisch das Sorgenkind der Republik. Die CSU-Regierung hat den Netzausbau verschleppt und den Ausbau der Windkraft blockiert. Abhängig vom Ergebnis wird der Minister die richtige Entscheidung treffen.“

Ludwig Hartmann: „Die Bundesnetzagentur hat im Frühjahr gerechnet und gesagt: Die Stromversorgung ist auch bei einem Atomausstieg gesichert. Jetzt hat man die Kriterien verschärft mit weiteren Szenarien. Das ist die richtige Vorgehensweise.“

BILD: Wie ist die Stimmung an der Grünen-Basis zur Laufzeitverlängerung?

Schulze: „Klares Nein zur Laufzeitverlängerung. Gleichzeitig verstehen alle, wie schwierig die Lage ist und dass die CSU-Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien verschlafen hat. Deswegen muss jetzt der Stresstest abgewartet werden.“

Katharina Schulze: „Mit jedem Windrad befreien wir uns aus den Fängen von Despoten“

Katharina Schulze: „Mit jedem Windrad befreien wir uns aus den Fängen von Despoten“

Foto: Theo Klein

Hartmann: „Wir verlieren das Ziel ja nicht aus den Augen. Wir wollen trotzdem raus aus dieser Hochrisikotechnologie. Wenn der Stresstest ergibt, wir haben einen Engpass in Süddeutschland, kommt alles auf den Tisch. Dann gibt es mehrere Alternativen. Eine davon wäre ein Streckbetrieb für paar Monate.“

BILD: Habeck fordert, wir sollen Gas einsparen. Wo sparen Sie?

Hartmann: „Ich habe gerade einen Heizungsstrang abklemmen lassen, die Heizung läuft jetzt rein auf Warmwasserbetrieb. Die Vorlauftemperatur ist gesenkt. Das heißt nicht, dass man kalt duschen muss. Der Boiler muss aber keine 60 Grad haben. Das ist noch nicht einmal Verzicht. Das ist nur weniger Bequemlichkeit.“

Ludwig Hartmann: „Ein Land, eine Fahrkarte. Das muss funktionieren“

Ludwig Hartmann: „Ein Land, eine Fahrkarte. Das muss funktionieren“

Foto: Theo Klein

BILD: Wenn die Preise weiter steigen, kann Bayern seinen Bürgern helfen?

Schulze: „Das 9-Euro-Ticket läuft aus. Söder könnte selbst ein 365-Euro-Ticket für Bayern machen als eine Weiterführung, um die Bürger zu entlasten. Ein Nachfolgeticket vom Bund muss der Freistaat für seine Bürger mitfinanzieren.“

Hartmann: „Ein Nachfolge-Ticket muss kommen. Der große Mehrwehrt des 9-Euro-Tickets ist ja, dass ich mir keine Gedanken mehr zu machen brauche, welche Fahrkarten ich wo brauche. Ein Land, eine Fahrkarte, das muss funktionieren.“

BILD: Wie viel Windräder verträgt Bayern?

Schulze: „Mehr als wir haben.“

Hartmann: „Wir müssten die Leistung vervierfachen, aber nicht die Zahl der Anlagen. Wir haben im Moment etwa 1200 Anlagen. Wahrscheinlich 1,5 zu jeder bestehenden müssen dazu kommen, dann hätten wir 1800 zusätzlich.“

BILD: Ist die Bereitschaft der Bevölkerung vorhanden, mehr Windräder zu akzeptieren?

Hartmann: „Die ist da. 2 Prozent der Landesfläche brauchen wir. Da kann man auch sagen: 98 Prozent der Landesfläche bleiben von Windkraft frei.“

Schulze: „Die CSU hat sich auch immer wieder darin gefallen zu sagen, dass die Bürger keine Windkraft wollen. Das wissen die in Bayern besser, glaube ich. Mit jedem Windrad befreien wir uns aus den Fängen von Despoten.“

BILD: Viele Grüne waren skeptisch gegenüber der „IAA Mobility“ voriges Jahr. Wollen Sie die Messe in München behalten?

Schulze: „Ich fand das Konzept gut, dass man die IAA zu einer Mobilitätsmesse umbaut.“

Der Pavillon von Mercedes-Benz bei der „IAA Mobility“ in München. Um seinen Standort auf dem Platz vor der Feldherrnhalle streitet der Münchner Stadtrat. Die Grünen wollen ihn bei der nächsten IAA frei halten

Der Pavillon von Mercedes-Benz bei der „IAA Mobility“ in München. Um seinen Standort auf dem Platz vor der Feldherrnhalle streitet der Münchner Stadtrat. Die Grünen wollen ihn bei der nächsten IAA frei halten

Foto: picture alliance/dpa

Hartmann: „Wir müssen unterscheiden, was auf dem Messegelände stattfindet und was in der Stadt ist. Im öffentlichen Raum würde ich die Mobilität von morgen zeigen. Da könnte man vorführen, wie eine Seilbahn in der Stadt aussieht. Die Autos können in den Messehallen stehen.“

BILD: Der Münchner Stadtrat will mit den Stimmen der Grünen der IAA 2023 den Platz vor der Feldherrnhalle verweigern. Unterstützen sie das?

Hartmann: „Der war das letzte Mal ja ziemlich zu...“

BILD: ...Mercedes Benz hatte da seinen Pavillon.

Hartmann: „Das fand ich nicht richtig. Wir wissen, wie voll die Stadt ist. Da muss man aufpassen, welche Fläche man anbietet. Auf dem Messegelände ist viel Platz. In der Innenstadt kann man viel reduzieren.“

BILD: Die Veranstalter haben verständnislos reagiert. Verliert München die IAA mit solchen Beschlüssen?

Schulze: „Nein. München ist so ein attraktiver Standort. Die Autofirmen sind selbstbewusst. Dass sie sich durch diesen Stadtratsbeschluss verschrecken lassen, glaube ich nicht.“

BILD: Wer ist top, wer ist flop in der Staatsregierung?

Hartmann: „Wir haben das Phänomen, dass Söder alles alleine macht und seine Minister kaum selbstständig agieren lässt. Eigentlich kann man nur über Markus Söder in der Staatsregierung reden – aber er segelt nicht, er steuert nicht, er lässt sich nur treiben.“

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