Der Feuilleton-Streit um den Autor Simon Strauss ist eine Scheindebatte

Das Buch «Sieben Nächte» von Simon Strauss ist ein Manifest zwischen Klugheit und Schwulst – und eher literarisch eine Selbstanzeige als politisch. Zur Diskussion in den deutschen Feuilletons.

Paul Jandl
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(Bild: Martin Walz)

(Bild: Martin Walz)

Der Jungschriftsteller und «FAZ»-Redaktor Simon Strauss wollte im letzten Herbst mit seinem Buch «Sieben Nächte» gegen die Spiessigkeit halten: «Wilderes Denken» und echte Gefühle, Männerfreundschaft und «Überwältigt-Sein» werden in diesem Manifest einer radikalen Romantik gefordert.

Was den einen als Stimme einer neuen Generation gilt, ist den anderen eher ein blechernes Geschepper des Vorgestrigen. Schlimmer noch: anschlussfähig an die Parolen der Neuen Rechten und der AfD. Also gibt es seit Wochen eine Debatte, die eher auf der Betriebstemperatur der deutschen Feuilletons vor sich hin köchelt, als dass sie wirklich heiss wäre.

Als Tatbestände, die gegen Simon Strauss sprechen sollen, sind noch genannt: Er ist der Sohn von Botho Strauss, der sich politisch auch gerne exponiert. Er hat den rechten Verleger Götz Kubitschek einmal zu einer Diskussion eingeladen. Und er hat in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Texte geschrieben, in denen es bisweilen ähnlich raunt wie in seinem Buch. Das literarische Raunen beherrscht Simon Strauss ziemlich gut. «Sieben Nächte» ist voller Breitwand-Klischees der Männlichkeit. Worte wie «Schicksalsgemeinschaft» treffen auf «Feldherren-Gesten». Das «Eigentliche» und das «Echte» werden beschworen und alle Anzeichen der Dekonstruktion mit Eifer verachtetet.

Der 29-Jährige schreibt gegen die Ironie und den Zynismus einer Elterngeneration an, die es sich damit in den Unwägbarkeiten der Welt bequem gemacht hat. Die die «Zeit» abonniert hat und sich Pink-Grapefruit-Saft aus dem Bioladen holt. Diese Generation war und ist nicht heroisch, aber die Stimme im Buch des jungen Autors will es auch in ihrem Namen wieder sein: «Damit in die glasig-blassen Augen der Gegner die alte, feurige (nicht die neue, dumpfe) Wut zurückkehrt. Ich könnte ein Anstifter sein. Könnte vorn auf der Tribüne stehen und die richtigen Reden halten.»

Simon Strauss möchte dieser Tage keine Interviews geben. Dabei hätte er gerade die Tribüne für ein wilderes Denken. Aber vielleicht ist dieses Denken gar nicht so wild und mutig, wie sich seine Gegner das zusammenfabulieren? Es gibt viel Pathos und viel Pose. Eine bisweilen sogar mit Selbstironie veredelte Unsicherheit, die sich das beschworene Echte nicht neu erfindet, sondern doch nur wieder aus dem Kanon des längst Approbierten holt. Aus Schiller und Goethe, Gramsci und Rilke, Nietzsche und Mommsen. Es ist eine sehr papierene Revolution, die da ausgerufen wird. Ein Manifest zwischen Klugheit und Schwulst, das eher literarisch eine Selbstanzeige ist als politisch.

Man muss also nicht befürchten, dass ganze Kohorten von erprobten linken Intellektuellen dem Straussschen «Einstweh» verfallen. Noch geringer ist die Gefahr, dass die Wähler der AfD ihre Bibliothek mit «Sieben Nächte» aufrüsten oder neuerdings die Theaterkritiken in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» verschlingen. Die Debatte um Simon Strauss ist eine Scheindebatte, bei der vieles nur zeigt, wie blickdicht die jeweiligen Gegner in ihr eigenes Milieu verstrickt sind. Wenn die Angelegenheit zur Affäre hochgeschrieben wird, dann ist vieles daran einfach Quatsch. So wie es auch im Buch von Simon Strauss ziemlich viel Quatsch gibt. «Der Schreiber bei Nacht ist eine Kippfigur», heisst es in «Sieben Nächte». Und das ist leider ziemlich wahr.