Erster Vergleich Polestar 2 gegen Tesla Model 3
Kann der Newcomer den Elektro-Platzhirsch ärgern?

Die Elektromobilität kommt langsam in der klassischen Mittelklasse an: Tesla ist hier mit dem Model 3 am Start, ab 2020 hält Polestar mit dem Polestar 2 dagegen. Wir haben die beiden im Vergleich.

Tesla Model 3 Polestar 2 Vergleich Collage
Foto: Hersteller / ams

Tesla hält die Zügel in der elektrischen Mittelklasse fest in der Hand. Auf dem heimischen US-Markt schon seit 2017 im Verkauf, ist das Model 3 seit Januar 2019 auch in Deutschland im Handel. Ab Mai 2020 stellt sich dem Ami ein Modell der Volvo-Tochter Polestar entgegen: Der Polestar 2 ist allerdings ein gebürtiger Chinese, schließlich kommt Volvos Mutter Geely dorther.

Polestar-Chef und Volvo-Designer Thomas Ingenlath hat den Polestar 2 modern gezeichnet – so modern, dass das Model 3 dagegen fast schon ein bisschen angejahrt aussieht. Bei den Abmessungen schenken sich die Kontrahenten nicht viel: Der Polestar ist 4,60 lang, der Tesla zehn Zentimeter länger, in der Höhe unterbietet das Model 3 den 1,48 Meter hohen Zweier um vier Zentimeter. In Sachen Breite will es das Ami-Modell aber wissen: Mit 1,93 Metern ist es 13 Zentimeter breiter als sein Konkurrent. Auch beim Radstand klotzt Tesla: 2,87 Meter stehen hier den 2,73 Metern des Polestar 2 entgegen. Einen großen Unterschied gibt es bei den Türgriffen: Beim Polestar 2 sind sie klassisch außen an der Tür angebracht, während sie beim Tesla der Aerodynamik wegen versenkt sind. Eine Lösung, die im Alltag nicht immer ganz reibungslos zu funktionieren scheint. Darauf lassen zumindest Hinweise von Tesla-Fahrern in sozialen Netzwerken schließen, die bei Kälteeinbrüchen davon berichten, dass sich die Griffe nicht mehr aus den Türen ausklappen lassen. Hier hat sich Polestar möglicherweise für das zuverlässigere System entschieden.

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Polestar mit wenig, aber insgesamt mehr Knöpfen

Innen kämpfen beide Modelle mit reduziertem Design um die zukunftsorientierte Kundschaft. Tesla hat beinahe sämtliche echten Knöpfe ausgemerzt, auf dem sehr klassisch wirkenden Lenkrad sitzen lediglich zwei Dreh-Drück-Steller zur Steuerung diverser Funktionen wie eben beispielsweise der Lenkradposition. Das Polestar-Lenkrad hat zwar ein klassisches Multifunktions-Layout mit Tasten auf den Speichen, auf den ersten Blick wirkt es aber moderner und vor allen Dingen hochwertiger als die Tesla-Lösung. Der Wählhebel sitzt bei Tesla als Satellit am Lenkrad, Polestar platziert hingegen seinen durchgestylten Hebel in der Mittelkonsole. Bei beiden Modellen vergleichbar positioniert: der zentrale Touchscreen. Im Tesla sitzt er quer und weit oben auf der Mittelkonsole, bei Polestar ist er hochkant ausgerichtet und nicht ganz so weit oben platziert. Was davon ergonomischer ist kann erst ein echter Test zeigen.

Polestar 2
Polestar
Stylisch und optisch hochwertig, aber ein paar mehr Knöpfe als im Tesla Model 3: Der Innenraum des Polestar 2.

Die Elektromotoren sind bei beiden Modellen in der Nähe der Achsen platziert, was vorn und hinten Platz für Kofferräume lässt. Deren Aufteilung könnte unterschiedlicher nicht sein: Der Polestar 2 fasst vorn 24 Liter, das Model 3 kann dort 85 Liter unterbringen. Hinten ist es umgekehrt: der Polestar ist mit 404 Litern dabei, das Model 3 schafft hier nur 340 Liter. In Summe liegt der Polestar (438 Liter) mit 13 Litern mehr Stauraumvolumen knapp vorn.

Tesla Model 3
Dani Heyne
Vollkommen cleaner Innenraum im Tesla Model 3.

Tesla mit mehr Leistung und Reichweite

In seiner Markteinführungsvariante kommt die Antriebskraft des Polestar 2 von zwei Elektromotoren – einem für jede Achse. Die Systemleistung beträgt 300 Kilowatt (408 PS), das maximale Drehmoment ist mit 660 Newtonmetern angegeben. Damit soll es in unter fünf Sekunden auf Tempo 100 gehen. In der leistungsfähigsten Version ist auch das Model 3 mit zwei Motoren unterwegs, die Systemleistung liegt mit 358 Kilowatt (487 PS) deutlich über und das Drehmoment mit 639 Newtonmetern etwas unter den Werten des Polestar – in 3,5 Sekunden sollen 100 km/h erreicht sein. Gerade das Gewicht beeinflusst den Beschleunigungsvorgang stark: Das Model 3 bringt je nach Batterie 1.610 bis 1.874 Kilogramm auf die Waage – Polestar macht zum Gewicht des 2 bisher keine Angaben. Vom Tesla gibt es auch noch schwächere und nur über eine Achse angetriebene Varianten – welche weiteren Polestar-2-Versionen es noch geben wird, hat der Hersteller noch nicht bekanntgegeben.

Auch bei den Batterien hat Polestar für den 2 bisher nur einen Akku mit einer Kapazität von 78 Kilowattstunden bekanntgegeben. Teslas größte Batterie speichert bis zu 75 Kilowattstunden, außerdem gibt es noch zwei kleinere Varianten. In Sachen Reichweite punktet der Polestar 2 mit 500 Kilometern nach WLTP-Zyklus, wird aber vom Model 3 mit 530 WLTP-Kilometern recht deutlich kassiert.

Schnellladen kann das Model 3 entweder über das tesla-eigene Supercharger-Netz oder an CCS-Gleichstrom-Stationen (CCS: Combined Charging System – Ladestandard für Elektrofahrzeuge). Zu den Lademöglichkeiten des 2 hat Polestar bisher keine Informationen veröffentlicht, es ist jedoch davon auszugehen, dass auch der Polestar per CCS schnelladen kann.

Polestar in der Topversion günstiger

Aber Preise hat Polestar für den 2 schon bekanntgegeben: Das Marktstart-Modell soll 59.900 Euro kosten, der Tesla ist mit 67.080 Euro in der Topversion deutlich teurer. Zu noch teureren Versionen des 2 hat sich Polestar bisher nicht geäußert, allerdings soll es auch ein Einstiegsmodell für 39.900 Euro geben. Ob es dafür kleinere Batterien, schwächere Motoren und/oder eine niedrigere Ausstattung gibt, hat Polestar noch nicht verraten. Der Einstieg beim Model 3 geht bei 47.330 Euro los, darüber folgen Varianten für 49.008 und 56.380 Euro.

Fazit

Der Polestar 2 ist eine Kampfansage an Tesla, zieht unterm Strich aber maximal mit dem Klassenprimus gleich. Außen und innen schick und modern, passen auch die Reichweite, die Leistung und der Preis. Allerdings kann man ihn erst in über einem Jahr kaufen. Tesla verdient derweil mit seinem Model 3 munter Geld, Wartezeiten gibt es für das Fahrzeug nicht mehr. Und die Unterschiede zum Polestar sind alles andere als riesig, was beweist, wie gut Tesla das Model 3 bereits vor Jahren entwickelt hat – teilweise ist es sogar besser als der neue Polestar 2, siehe WLTP-Reichweite. Dies könnte mit einem höheren Gewicht und einem ebenso höheren Luftwiderstands-Beiwert des Polestar zusammenhängen, konkrete Angaben bleibt der chinesische Hersteller dazu bisher schuldig.

Und Tesla könnte Polestar das Leben noch schwerer machen, in dem es die Innenraumqualität der Modelle weiter verbessert. Außerdem scheint Tesla eine ziemlich gute Gewinnmarge zu haben. Somit könnten die Amerikaner zum Marktstart des Polestar 2 im Mai 2020 mit massiven Preissenkungen beim Model 3 gegen halten, vielleicht sogar in Kombination mit einem Facelift – lachender Dritter wäre auf jeden Fall der Kunde, der endlich von einem echten Konkurrenzkampf am Elektroauto-Markt profitieren würde.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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