Stuttgart-Fans müssen das lesen: VfB-Boss spricht über Guirassy-Wechsel

Alexander Wehrle nahm sich eineinhalb Stunden Zeit für BILD.

Alexander Wehrle nahm sich eineinhalb Stunden Zeit für BILD.

Foto: Pressefoto Rudel
Von: Julian Agardi und Felix Arnold

Stuttgart-Boss Alexander Wehrle (48) spricht in BILD über die Traum-Hinrunde des Klubs, das Werben um seinen besten Stürmer – und warum er Trainer Sebastian Hoeneß (41) grundsätzlich keine Steine in den Weg legen würde, wenn dieser weg will.

BILD: Sie haben im April diesen Jahres Sebastian Hoeneß als Trainer eingestellt. Ihre sportlich beste Entscheidung?

Alexander Wehrle: Wir haben auch davor schon gute und wichtige Entscheidungen getroffen, indem wir Fabian Wohlgemuth zum Sportdirektor und Christian Gentner zum Leiter der Lizenzspieler-Abteilung gemacht haben. Aber klar: Bei Sebastian sieht man, welche Idee er vom Fußball hat und wie er die Mannschaft davon überzeugt.

Stehen mit dem VfB Stuttgart in der Winterpause auf Platz drei: Alexander Wehrle (l.) und Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.

Stehen mit dem VfB Stuttgart in der Winterpause auf Platz drei: Alexander Wehrle (l.) und Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.

Foto: Pressefoto Rudel

BILD: Haben Sie Angst, dass bald die ganz großen Klubs bei Hoeneß anklopfen?

Wehrle: Die Gerüchte um ihn sind eine Auszeichnung für seine Arbeit beim VfB. Er und seine Familie fühlen sich hier wohl, er identifiziert sich zu 100 Prozent mit dem VfB. Für uns ist entscheidend, dass wir hier zusammen etwas entwickeln wollen. Das ist ein längerer Prozess.

BILD: Also bleibt Hoeneß auf jeden Fall bis Vertragsende 2025 beim VfB?

Wehrle: Wie gesagt, wir wollen gemeinsam mit Sebastian den VfB weiterentwickeln. Ich bin grundsätzlich keiner, der sagt: ‚Basta, du bleibst hier‘. Das bringt niemanden im Leben weiter, so geht man nicht miteinander um. Wir haben ein wunderbares Verhältnis und wissen, was wir aneinander haben.

BILD: Stuttgart geht als Dritter in die Winterpause ...

Wehrle: Es ist ja nicht nur der gute Tabellenplatz. Egal, wo ich gerade in Deutschland bin, werde ich nicht nur auf den Tabellenplatz, sondern auch auf das attraktive Spiel des VfB angesprochen. Es macht einfach allen Spaß zuzuschauen. Wir wollen die Menschen begeistern und das ist aktuell schon mehr als nur eine Momentaufnahme. Sebastian ist es gelungen, aus unseren starken Einzelspielern mit mutigem und offensivem Fußball ein gutes Team zu formen.

BILD: Ist es jetzt nicht an der Zeit, das Ziel „Klassenerhalt“ zu korrigieren?

Wehrle: Ich möchte keinem VfB-Fan die Euphorie nehmen. Jeder soll den Moment genießen. Wir sind aber realistisch genug und wissen, dass wir erst am Anfang einer Entwicklungsphase stehen. Es geht darum, eine ruhige Saison zu spielen und möglichst frühzeitig 40 Punkte zu erreichen. Da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Aber erst, wenn wir diese erste Etappe erreicht haben, werden wir uns zusammensetzen und darüber nachdenken, neue Ziele zu formulieren.

BILD: Wie optimistisch sind Sie, dass Serhou Guirassy über den Winter hinaus in Stuttgart bleibt?

Wehrle: Serhou hat sich im Sommer für den VfB Stuttgart entschieden, obwohl er Angebote von Klubs aus dem Ausland hatte, bei denen er deutlich mehr Geld hätte verdienen können. Er fühlt sich mit seiner Familie hier wohl und nimmt eine bedeutende Rolle in der Mannschaft ein. Das weiß er sehr zu schätzen. In erster Linie geht es ihm darum, Fußball zu spielen und Tore zu schießen. Serhou will in einer funktionierenden Mannschaft spielen. Er betont in den Gesprächen immer wieder, dass er sich beim VfB sehr wohlfühlt.

BILD: Bleibt er beim VfB?

Wehrle: Ich sehe derzeit keine anderen Anzeichen.

BILD: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten für den VfB?

Wehrle: Dass wir das, was wir begonnen haben, in Ruhe weiterführen können. Dazu gehört, die Mannschaft weiterzuentwickeln, was Zeit braucht. Ich würde mir wünschen, dass uns die Zeit gegeben wird, beim VfB etwas aufzubauen.

BILD: Mit welchem Ziel?

Wehrle: Das haben wir im Rahmen unserer Strategie klar formuliert: Bis 2026 wollen wir ein stabiler Bundesligist sein, der nicht zwischen der ersten und zweiten Bundesliga pendelt. Im nächsten Schritt wollen wir auch mal einen einstelligen Tabellenplatz als Ziel formulieren können. Falls es wider Erwarten früher darüber hinausgehen sollte, werden wir uns nicht dagegen wehren.

BILD: Im Sommer stimmte der VfB noch gegen den Investoren-Deal der DFL. Bei der zweiten Abstimmung vergangene Woche waren Sie dafür. Wie kam der Sinneswandel?

Wehrle: Ansatz und Modell haben sich verändert. Wir haben uns im Sommer dagegen entschieden, weil die Säulen zwei und drei zu einer direkten Ausschüttung an die Vereine geführt haben. Das hätte die wirtschaftliche Schere der Klubs noch weiter geöffnet. Wir haben aber schon im Sommer gesagt, dass wir Investitionen für die DFL benötigen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. In den vergangenen Monaten wurden die Ansätze erfreulicherweise verändert. Wir reden jetzt nur noch über Investitionen in die Bundesliga und nicht mehr über die Direktausschüttung an die Vereine. Deswegen haben wir zugestimmt.

BILD: Aber ist die internationale Konkurrenz wirtschaftlich nicht ohnehin schon längst enteilt?

Wehrle: Das sehe ich differenzierter. Natürlich ist die Premier League weit weg. Aber es geht ja auch darum, Platz zwei im internationalen Ligen-Vergleich zu verteidigen. Wenn man sieht, was die Engländer für hohe TV-Einnahmen generieren, benötigen wir in Deutschland Investitionen in die Internationalisierung und den Aufbau von digitalen Vermarktungsmöglichkeiten. Auch wir beim VfB wollen uns international in den Zielmärkten künftig breiter aufstellen. Von daher war das Gesamtpaket der DFL für uns nachvollziehbar.

BILD: Die Bundesliga hat mit Bayern, Dortmund und Leipzig drei Klubs im Achtelfinale der Champions League. In der Europa League sind auch noch deutsche Teams vertreten.

Wehrle: Man sollte sich nicht vom Moment fehlleiten lassen. Die Entwicklung geht rasant. Ich bin ein absoluter Befürworter von 50+1, das tut dem deutschen Fußball gut. Aber wenn wir überhaupt keine Investitionen zulassen, dann wird uns die Premier League und möglicherweise auch die spanische, italienische und französische Liga so weit enteilen, dass wir irgendwann den Anschluss verlieren. Deswegen haben wir dem Schritt, Gelder von außen zu akquirieren, um nachhaltig zu wachsen, zugestimmt. Das Entscheidende ist doch, dass wir in Deutschland weiterhin guten und wettbewerbsfähigen Fußball sehen wollen. Wenn wir perspektivisch alle Spieler nach England oder auch nach Saudi-Arabien verlieren, ist das nicht nur für den Fan schlecht, sondern für alle Anspruchsgruppen der Bundesliga.

Stuttgart-Stürmer vor dem Absprung?Die drei Guirassy-Szenarien

Quelle: BILD
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.