ZEIT ONLINE: Herr Obermann, Sie sagen: Manager großer Firmen müssen wissen, wohin sich das Netz bewegt . Wohin bewegt es sich?

René Obermann: Das Internet durchdringt schon jetzt fast alle Bereiche des täglichen Lebens und es wird vor allem mobiler, in rasantem Tempo. Vieles, was Sie früher am Computer daheim gemacht haben, geschieht heute mit mobilen Endgeräten. Die USA und Europa sind ganz vorn in diesem Wachstumsmarkt. Wir wollen in fünf Jahren mit dem mobilen Internet rund zehn Milliarden Euro weltweit umsetzen. In den ersten neun Monaten 2010 waren es 3,2 Milliarden. Andererseits gibt es auch etwas, was mir an dieser Entwicklung Sorge bereitet.

ZEIT ONLINE: Nämlich?

Telekom - Über Netzneutralität

Obermann: Die Nachfrage nimmt rasch zu, die Datenmengen explodieren förmlich : weltweit um den Faktor 30 bis 40 in den kommenden Jahren! Wir investieren zwar Milliarden in den Ausbau des Netzes, aber wir müssen trotzdem aufpassen, dass wir schnell genug sind. Sonst passiert das, was wir bei Wettbewerbern in einigen Ballungsräumen in den USA schon beobachten können: Gespräche brechen ab, von Videotelefonaten ganz zu schweigen, Filme ruckeln, im Netz entsteht ein Stau. Das müssen wir verhindern.

ZEIT ONLINE: Der Ausbau neuer, leistungsfähigerer Netze mit der Long-Term-Evolution-Technik LTE beginnt gerade erst – und er kostet die Telekom viel Geld. Wie wollen Sie die Investitionen wieder reinholen?

Obermann: Wir investieren nicht nur in LTE, sondern in verschiedene Technologien für neue Breitbandnetze. Es liegt insbesondere an der europäischen Regulierung, wie gut die Telekomunternehmen in der Lage sein werden, ihre Investitionen angemessen zurückzuverdienen. Wenn sie gezwungen werden, auch die neue entstehende Infrastruktur zu Billigstkonditionen an Wettbewerber zu überlassen, dann wird es schwierig.

ZEIT ONLINE: Sie waren einer der ersten in Deutschland, der gefordert hat, spezielle Vorfahrtsregeln für Daten einzuführen : Wer größere Mengen verschickt, soll sie schneller befördern können. Gegen Bezahlung versteht sich. Kritiker sagen: Die Telekom will ein Zwei-Klassen-Internet, in dem das Geld entscheidet, wie schnell Inhalte ankommen.

Obermann: Das sehe ich anders. Selbst einige Experten aus der Internetgemeinde sagen, dass in Zukunft die Netzkapazitäten besser gemanagt werden müssen. Das heißt konkret, je nach Service unterschiedliche Qualitätsstufen bereitstellen – ohne den heutigen Standard zu verschlechtern. Alle Inhalteanbieter und alle Kunden müssen Zugang zu diesen Stufen haben. Das ist wichtig, damit zum Beispiel in der Telemedizin Bilder einer Fern-OP in bester Qualität übertragen werden und schneller ans Ziel kommen als eine E-Mail, auf die man auch ein paar Sekunden länger warten kann. Also müssen einige Datenpakete schneller übertragen werden als andere.

ZEIT ONLINE: Anders gesagt: Wer will, dass seine Daten schneller ankommen, muss mehr zahlen. Geld gegen Geschwindigkeit.

Obermann: Wer eine zusätzliche Leistung in Anspruch nimmt, also als Kunde höchstmögliche Bandbreite garantiert haben will, zahlt dann auch ein bisschen mehr – ja. Wichtig ist das Zusätzliche. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir unsere Netze ständig mit Milliarden modernisieren, ohne neue Umsatzchancen zu haben. Ich sehe den Konflikt nicht.